Staatshilfen

Bonus für alle

von Sergey Lagodinsky

Schluss, aus, Feierabend! Die Weltwirtschaft schaltet das Licht aus und feiert Schabbat. Wir alle dürfen uns auf eine längere und schmerzhafte Ruhepause einstellen. Vorbei sind die Zeiten, in denen man alles schneller, besser und größer machen musste. Endlich langsam treten und über wichtige Sachen reflektieren. Nicht nur darüber, was für Aktien man gerade kaufen sollte! Verschrotte deinen alten Flitzer und kauf’ dir mit der Abwrackprämie ein sparsames Miniauto! Das Selbstbewusstsein der Erfolgsverwöhnten hat abgewirtschaftet. Plötzlich lernt man die hektischen Freunde in New York von einer ganz anderen Seite kennen. Die Jungüberflieger der Wall Street widmen sich ihren vergessenen Hobbys und den vernachlässigten Freundschaften. Sie haben jetzt Zeit. Viel Zeit.
Man hat sich beim Gewinnmaximieren und Spekulieren mit Aktien überhoben. Im Gegensatz zum Allmächtigen, der in sechs Tagen eine wundervolle Welt erschuf, haben wir uns bei der Schaffung des freien Marktuniversums nicht mit Ruhm bekleckert. Man braucht nur den jüngsten Armutsbericht für Deutschland zu lesen, die Umfragen zur Demokratieverdrossenheit anzuschauen oder den düsteren Klimaprognosen zu lauschen – schon versteht man, wie weit unsere Realität von den Glanzleistungen der Börsen und den Glamourfotos bunter Lifestyle-Magazine entfernt war. Wir rasen in keine wohlverdiente, dafür aber in eine bitter nötige, von der Krise erzwungene Pause hinein. Denn wie beim Schabbat hat man nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, zu sich zu kommen, sich zu erneuern. Auch wenn es in diesem Fall schmerzt.
Aber Ruhe bedeutet nicht Stillstand. Wir müssen diese Wachstumspause nutzen, um darüber nachzudenken, wie man die drei Güter, die im Judentum eine grundlegende Bedeutung haben – Liebe, Recht und Gerechtigkeit – zu Maximen des gesellschaftlichen Handelns erhebt. Denn wer diesen Werten im Alltag folgt und gläubig ist, der kommt mit G’tt in Berührung. Und alle anderen mit ihrem Gewissen.
Doch was bedeutet Gerechtigkeit in Zeiten einer Krise dieses Ausmaßes? Ist es gerecht, dass die Reichen reicher werden oder ihren Reichtum zumindest erhalten? Schon geht ein Aufschrei derjenigen durchs Land, die in staatlichen Finanzspritzen für marode Großbanken und scheiternde Unternehmen eine ungerechte Wiederbereicherung erkennen.
Doch Gerechtigkeit lebt von Weitsicht. Es mag einem bitter aufstoßen, wenn unvorstellbare Summen in Geldinstitute gepumpt werden. Aber wer einen Total-Kollaps der Wirtschaft verhindern will, muss derzeit mit Gerechtigkeitsdefiziten leben. Dass mit den riesigen Finanztransfers zugleich grundsätzliche Systemkorrekturen einhergehen müssen, steht außer Frage. Gerade deshalb muss der Staat seine Interventionen an Bedingungen knüpfen und notfalls, wenn auch nur vereinzelt, das Steuer an sich reißen. Alle, die dabei panisch einen »Staatssozialismus« halluzinieren, wissen nicht, wie der reale Sozialismus wirklich aussah und vergessen, dass eine Enteignungsoption seit eh und je Teil des Grundgesetzes ist.
Doch blinder Glaube an den Staat darf nicht die Überhand gewinnen: Gerechtigkeit lebt auch von Weisheit. Wer daniederliegende Konzerne mit staatlichen Krediten retten will, muss sich die Frage gefal- len lassen, ob die künstliche Lebenserhaltung dieser Unternehmen nicht ihre Überflüssigkeit konserviert und so zu einer langfristigen Hypothek für die ganze Gesellschaft wird. Opel zum Beispiel gehört keinesfalls zu den Glanzstücken der deutschen Wirtschaft. Man muss also nach kreativen Lösungen suchen, die eine Erneuerung des Gesamtsystems ermöglichen. Vor allem sollte man sich davor hüten zu glauben, dass der ehemalige Exportweltmeister Deutschland die eigene Rettung im nationalstaatlichen Kämmerlein meis- tern könnte.
Manchmal bedeutet Gerechtigkeit nur das Bemühen, gemeinsam Schlimmeres zu verhindern. Wir müssen uns in Krisenzeiten eine neue Bescheidenheit aneignen. So kann ein langfristiger Wandel der weltweiten Wirtschaftsordnung eingeleitet werden, der transparent, nachhaltig und gerecht ist. Erst dann dürfen wir uns beim nächsten Schabbat mit gutem Gewissen nach getaner Arbeit richtig entspannen.

Der Autor ist Publizist und Mitbegründer des »Arbeitskreises Jüdischer Sozialdemokraten«.

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz sieht Demokratie bedroht

Im Osten ist die AfD besonders stark. Allerdings etablieren sich auch andere rechtsextremistische Bestrebungen

von Christopher Kissmann  19.05.2025