Versorgung

Bittere Pillen

von Wladimir Struminski

Auf die Rente hatte sich David F. gefreut. Für die ruhige Zeit nach einem anstrengenden Arbeitsleben nahm sich der guterhaltene Mittsechziger viel vor: Reisen, Hobbys, mehr Zeit für die Kinder und Enkel. Auch für das Kleingeld, das aktive Senioren brauchen, hatte der gutverdienende Manager vorgesorgt. Zu einem ansehnlichen Investmentdepot kam die Betriebsrente der Firma hinzu. Doch dann schlug das Schicksal zu. Vor einem Jahr wurde bei ihm Krebs festgestellt. Und das belastet nicht nur den Kranken, sondern auch dessen Kasse. Da der Staat für die von ihm benötigten Medikamente nicht aufkommt, muß David F. selbst tief in die Tasche greifen. Kostenpunkt: 30.000 Schekel im Monat, umgerechnet sind das etwa 5.500 Euro. Da plagen ihn neben Todesängsten auch Gewissensbisse. »Alles, was ich meinen Kindern hinterlassen wollte, muß ich jetzt für Arzneimittel verpulvern. Und was machen Leute, die kein Geld haben?«
Diese Frage stellt sich für Viktor E. ganz konkret. Der Prostatakrebs des 78jährigen hat Knochenmetastasen gebildet und verursacht unerträgliche Schmerzen. Allerdings kostet jede Behandlung mit Zomata, dem Präparat, das Viktors Qualen mildern könnte, 2.000 Schekel. Und die hat der Senior nicht. So gönnt er sich den Luxus der Schmerzlinderung nur gelegentlich. Dann geht er aus dem Haus, sei es um Freunde zu treffen, sei es zum Einkaufen – ein kleines Stück Lebensqualität. Ansonsten leidet er in den eigenen vier Wänden. Anders als die meisten Betroffenen trat Viktor E. auch an die Öffentlichkeit, um auf seine Tragödie und die Tragödie vieler anderer aufmerksam zu machen.
David und Viktor sind nicht die einzigen Opfer einer staatlichen Gesundheitspolitik, die zunehmend kritisiert wird. »Viele Menschen leiden, weil das Medikament, das sie brauchen, vom Staat nicht finanziert wird«, klagt Yoram Blashar, Vorsitzender der israelischen Ärztevereinigung. Bei einem Großteil der Patienten handelt es sich um Krebskranke, doch fehlt es auch das Geld für eine Reihe von Medikamenten gegen Diabetes, Bluthochdruck und andere Leiden.
Paradoxerweise ist das die Nebenwirkung einer Idee, mit der die medizinische Unterversorgung aus der Welt geschafft werden sollte. Das damals von der Knesset verabschiedete »Gesetz zur staatlichen Krankenversicherung« besagt, daß jedermann Anspruch auf angemessene medizinische Betreuung hat. Zu diesem Zweck erhebt der Staat von den Bürgern eine besondere Gesundheitssteuer und ist im Gegenzug verpflichtet, ein angemessenes Bündel von Medikamenten und Heilverfahren zu finanzieren. In der Praxis funktioniert der Pakt nur zum Teil. Zwar wird der »Gesundheitskorb«, so der gängige Name, jedes Jahr erweitert – aber bei weitem nicht genug, um dem Bevölkerungswachstum, dem steigenden Seniorenanteil und dem technologischen Fortschritt Rechnung zu tragen. Viele Kranke warten auf die jährliche Aufstockungsrunde wie auf ein Urteil des Himmels. Der vom Staat eingesetzten Kommission – ihre Mitglieder sind Ärzte, aber auch Rabbiner und Philosophen – bleibt die undankbare Aufgabe, im Rahmen der Etatvorgaben eine Liste der neu in den Korb aufzunehmenden Medikamente und Technologien zusammenzustellen.
Ein großer Teil der Bürger schließt Zusatz- und Privatversicherungen ab oder greift im Krankheitsfall in die eigene Tasche. Inzwischen finanzieren die israelischen Kranken und ihre Familien fast ein Drittel des Gesamtaufwands für Gesund-
heitspflege selbst – und zwar über die Gesundheitssteuer hinaus. Beim Inkrafttreten des Krankenversicherungsgesetzes war es nur ein Viertel. Allerdings ist der Extraschutz für viele unerschwinglich und deckt zudem nicht alle erforderlichen Mittel. So bleibt eine Aufstockung des Korbs, dessen Umfang 2005 bei 21 Milliarden Schekel lag, dringend erforderlich. Nach Meinung von Experten ist eine weitere Schekelmilliarde pro Jahr das absolute Minimum. Daran gemessen, waren die 200 Millionen Schekel, die die Regierung unter großem Getöse für dieses Jahr freigab, ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Betrag reicht gerade mal für 15 neue Arzneimittel. »Ein Sieg des Finanzministeriums über die Kranken«, kritisierte Ärzte-Vorsitzender Blashar.
Deutlicher wurde Knessetmitglied Arie Eldad, selbst Arzt und ehemaliger Chefmediziner der israelischen Armee. Die Regierung, so der streitbare Abgeordnete der Nationalunion, habe Tausende von Menschen zum Tode verurteilt.
Jetzt hoffen die Leidenden auf die neue Regierung. Die meisten Mitglieder von Ehud Olmerts voraussichtlicher Koalition haben im Wahlkampf das soziale Banner gehißt. Bei den Koalitionsverhandlungen fordern sowohl die Arbeits- als auch die Rentnerpartei eine Anhebung der Finanzmittel für das öffentliche Gesundheitswesen. Für die Senioren-Fraktion ist eine Ausweitung des »Korbs« unverzichtbar: Ein großer Teil ihrer Wähler baut darauf. Allerdings begnügen sich die Ruheständler nicht mit einer einmaligen Geldzuteilung, sondern erheben auch den Anspruch auf das Gesundheitsressort. Dort wollen sie die Weichen neu stellen. »Hoffentlich«, sagt David F., »erlebe ich das noch.«

Capri

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