Nahost

Baerbock will größere Rolle für Autonomiebehörde

Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesaußenministerin, begrüßt Mohammed Mustafa, Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah. Foto: picture alliance/dpa

Außenministerin Annalena Baerbock setzt mit einem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mohammed Mustafa, in Ramallah ihre zweitägigen Krisengespräche im Nahen Osten fort. Bei der Unterredung am Dienstagmorgen sollte es auch um die Reformbemühungen der PA gehen.

Die Autonomiebehörde könnte aus Sicht der Grünen-Politikerin in einer Nachkriegsordnung im Gazastreifen eine wichtige Rolle spielen. Die israelische Regierung ist dagegen – auch aufgrund der Tatsache, dass die PA Terroristen finanziell unterstützt. Der zuletzt vor 18 Jahren für vier Jahre gewählte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas räumt die Zahlung von Terror-Renten an »Märtyrer« offen ein.

Auf der Herzlija-Sicherheitskonferenz in der Küstenmetropole Tel Aviv hatte Baerbock am Vorabend erklärt, wenn man wolle, dass die PA irgendwann die Rolle der legitimen Regierungsbehörde in Gaza übernehme, müsse diese in der Lage sein, dies zu gewährleisten - auch mit Polizei- und Sicherheitskräften.

»Gefährlich und kontraproduktiv«

Die Ministerin fordert schon länger eine Reform der Autonomiebehörde. Sie warnte aber: »In der gegenwärtigen Situation ist es gefährlich und kontraproduktiv, etablierte PA-Strukturen zu zerstören und zu destabilisieren.« Genau dies geschehe aber durch die Ausweitung israelischer Siedlungsprojekte im Westjordanland, die sie erneut als »illegal« bezeichnete.

Baerbock strebt wie viele Partner in Europa, den USA und der Region eine Zweistaatenlösung zwischen Israelis und Palästinensern an, bei der ein unabhängiger palästinensischer Staat friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Die Führung der Palästinenser, bestehend aus der Terrororganisation Hamas und der PA, hat bisher alle Friedenspläne abgelehnt, die eine solche Lösung ermöglicht hätten. Israel hat bei den Palästinensern keine Gesprächspartner, die Frieden wollen.

Ein Treffen Baerbocks mit Netanjahu ist diesmal nicht geplant. Bei der jüngsten Unterredung zwischen beiden Politikern Mitte April war es zu einer lautstarken Auseinandersetzung gekommen. Es ist bereits die achte Reise Baerbocks nach Israel seit der Terrorattacke der Hamas am 7. Oktober, bei der 1200 Menschen ermordet und 250 verschleppt wurden.

Gespräch mit Gantz

Am Montagabend traf sich Baerbock in Jerusalem mit Ex-General Benny Gantz, der kürzlich Netanjahus Kriegskabinett verlassen hatte, weil die Regierung keinen Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeitet.

Bis heute hat Netanjahu einen solchen Plan nicht vorgelegt - wohl auch, um seine ultrarechten Koalitionspartner, von denen sein politisches Überleben abhängt, nicht vor den Kopf zu stoßen. Diese fordern eine Wiedererrichtung israelischer Siedlungen im Gazastreifen. Über Inhalte des Gesprächs mit Gantz wurde zunächst nichts bekannt.

Heute will Baerbock auch mit ihrem Kollegen Israel Katz zusammenkommen. Im Mittelpunkt dürften dabei das Vorgehen Israels gegen den palästinensischen Terror im Gazastreifen sowie die dramatische humanitäre Lage der Zivilbevölkerung dort stehen. Seit ihrer Machtübernahme im Jahr 2007 hat die Hamas ihre eigene Bevölkerung mehrfach Gefahr ausgesetzt und in missliche Lagen gebracht.

Sorge um Eskalation

Ebenfalls heute ist ein Treffen der Bundesaußenministerin mit Angehörigen von Entführungsopfern geplant, die weiterhin im Gazastreifen festgehalten werden.

Vor dem Hintergrund wachsender Sorgen vor einer Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der Terrororganisation Hisbollah fliegt Baerbock am Nachmittag in den Libanon weiter. In Beirut sind vor der Rückreise nach Berlin Gespräche mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nadschib Mikati und dem geschäftsführenden Außenminister Abdullah Bou Habib geplant.

Bei der Herzlija-Konferenz hatte Baerbock einen vollständigen und nachweisbaren Rückzug der Hisbollah aus dem Grenzbereich des Libanons zu Israel verlangt. Die Zunahme der Gewalt an der Nordgrenze Israels bereite große Sorgen. »Das Risiko einer unbeabsichtigten Eskalation und eines umfassenden Krieges wächst täglich. Daher ist äußerste Vorsicht geboten«, sagte Baerbock.

Raketenalarm in Israel

Israel will durch diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Hisbollah hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es eine UN-Resolution vorsieht. Notfalls sei Israel aber auch zu einem größeren Militäreinsatz bereit, warnte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant kürzlich.

Erstmals seit Wochen gab es am Montag in der israelischen Küstenstadt Aschkelon wieder Raketenalarm. Nach Angaben von Sanitätern verletzten sich zwei Menschen, als sie in Schutzräume liefen. Mehrere andere erlitten demnach Schocks.

Bei einer Ansprache im israelischen Parlament in Jerusalem bekräftigte Netanjahu, der Krieg werde nicht enden, bevor alle 120 Geiseln – die Lebenden und die Toten – wieder zurückgekehrt seien.

Zerschlagung der Hamas

»Wir sind dem israelischen Vorschlag verpflichtet, den US-Präsident Biden begrüßt hat. Unsere Position hat sich nicht verändert«, sagte er. Netanjahu unterstrich gleichzeitig das Ziel der Zerschlagung der Hamas. Außerdem werde man »um jeden Preis und auf jede Art die Absichten des Irans, uns zu zerstören, vereiteln«.

In Washington traf derweil Israels Verteidigungsminister Joav Galant mit US-Außenminister Antony Blinken zusammen. Sie sprachen über die Bemühungen um eine Waffenruhe in Gaza, die zu einer Freilassung der israelischen Geiseln und zu Erleichterungen für die palästinensische Bevölkerung führen könnte. Die Aggressoren der Hamas wollen zwar ein Ende des Vorgehens der israelischen Armee, weigern sich jedoch, die Geiseln freizulassen.

Blinken habe Galant über die aktuellen diplomatischen Bemühungen um Sicherheit und Wiederaufbau in Gaza nach Beendigung des Konflikts informiert, sagte Sprecher Matthew Miller. (mit ja)

Mario Voigt mit Stimmen der Linken zum Ministerpräsident gewählt

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