Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei

Auszug verpflichtet

von Rabbiner Avichai Apel

Jeder Jude und jede Jüdin muss sich mit einer spannenden Frage auseinandersetzen: Was ist Gott? Wie kann ich mir dieses Einzigartige und Alleinige vorstellen? Klar ist, dass es sich bei Gott nicht um eine Statue oder Sonne, Mond und Sterne handelt. Das Judentum beschäftigt sich selten mit der Definition Gottes und behandelt statt dessen viel häufiger die Rolle des Gott dienenden Menschen. Wir verlangen nach einer ständigen Verbindung zwischen Mensch und G0tt. Es kann sich dabei um eine Verbindung durch Gebet und Gebote handeln oder um eine Liebesverbindung. Eine solche Liebesverbindung wird im ersten Vers des Schma Israel erwähnt: »Du sollst den Ewigen, deinen Gott, lieben ...«
Jeder Mensch verlangt nach einem gewissen Verständnis und nach Erkenntnis, an wen er sich in seinem Gebet wendet, an wen er glaubt und wen er eigentlich liebt. Die Tora versucht, den Begriff der Göttlichkeit einige Male zu konkretisieren, um dem Menschen etwas Verständliches über sein Gegenüber zu geben. So erklären wir im Schma Israel: »Höre, Israel, der Ewige, unser Gott, der Ewige ist einzig!« Wir wissen also, dass es nur einen einzigen Gott gibt, auf den alle Aktivitäten der Welt konzentriert sind und der für Geburt und Tod, für Gut und Böse zuständig ist und alle Kräfte der Welt führt.
Wir wissen ebenfalls, dass Gott nicht sichtbar ist. Gott sagt ausdrücklich: »Du vermagst nicht mein Angesicht zu sehen, denn nicht kann ein Mensch mich sehen und leben.« Selbst Mosche nicht, der Vater der Propheten, der mit Gott direkt sprechen durfte: »Und ich werde meine Hand hinweg tun, und du wirst mich von hinten sehen; aber mein Angesicht soll nicht gesehen werden.« Es handelt sich hierbei natürlich nicht um ein konkretes »Hinten«, sondern es geht darum, dass Mosche einen Eindruck bekommt, wer ihm gegenüber steht. Die Ansicht lässt keine Identifizierung der Gestalt zu.
Wie sollen wir Gott dann erkennen, wie sollen wir sagen dürfen: »Das ist mein Gott, den ich liebe und zu dem ich bete«? Dieses Problem beschäftigte das Volk Israel seit Beginn seiner Existenz, aber es war auch ein Problem für Gott! Als der Ewige sich dem Volk Israel bei der Übergabe der Tora am Berg Sinai offenbarte, wählte er aus den 613 Geboten zehn aus, die er dem Volk Israel persönlich mitteilen wollte. Die weiteren Gebote wurden durch Mosche im Auftrag Gottes mitgeteilt.
Der Ewige wollte dem Volk eine Art Visitenkarte geben, auf der alle wichtigen Details zu sehen sind, die es ihm erlauben, sich an das Volk mit der Forderung zu wenden, eine ständige Verbindung mit ihm aufrechtzuerhalten. All das sollte natürlich durch gegenseitiges Einvernehmen geschehen. So gibt das Volk denn auch eine Absichtserklärung ab: »Alles, was Gott gesagt hat, wollen wir tun und gehorchen«, das heißt, wir akzeptieren die Tora und werden im Laufe der Zeit lernen, sie zu bewahren und zu praktizieren.
Falls wir irgendeinen gläubigen Menschen fragen werden, was die größte Tat ist, die Gott in der Welt getan hat, so werden wir zweifellos zu hören bekommen, dass Gott die Welt erschuf. Es handelt sich dabei um eine bedeutende Tat. Es wäre daher denkbar, dass Gott zu Beginn seiner Begegnung mit dem Volk Israel einige chemische, biologische und physikalische Formeln präsentierte, um die Israeliten davon zu überzeugen, dass sie vor dem Allmächtigen stehen, und deshalb an ihn glauben sollen, weil nur er die Dinge in der Welt ändern kann.
Doch wider Erwarten kommt Gott mit einer ganz anderen Visitenkarte. Gerade die Erschaffung der Welt wird während dieser besonderen Begegnung auf dem Berg Sinai nicht erwähnt. Stattdessen wendet Gott sich an das Volk und sagt: »Ich bin der Ewige, dein Gott«, und falls du wissen möchtest, warum ich dein Gott bin und warum du keinen anderen Gott haben sollst und meine Göttlichkeit akzeptieren sollst, lass mich dir etwas Geschichte beibringen: Ich bin derjenige, »der dich aus dem Land Mizrajim herausgeführt hat, aus dem Haus der Sklaven«. In einer genialen Art hebt Gott hervor, dass er zwar große Taten vollbracht hat, doch er sucht ein bestimmtes Ereignis aus, um den Glauben und die Verbindung mit ihm schärfer darzustellen: den Ausgang aus Ägypten, die wichtigste Begegnung des Volkes Israel mit Gott.
Mehrere Generationen waren die Nachkommen Jakows Sklaven des Königs und der ägyptischen Nation. Aus historisch-psychologischer Perspektive war die Chance, dass ein Anführer kommen und zur Befreiung der Sklaven aufrufen würde, sehr gering.
Noch geringer war die Aussicht, das Herrenvolk könnte Mitleid mit den Sklaven haben und sie freilassen. Genau da erscheint Gott und befreit das Volk, ohne dass von der Sklaverei in Ägypten eine Spur bleibt. Es scheint der perfekte Anlass zu sein, eine dauerhafte, tiefe Verbindung zwischen dem Volk und seinem Gott herzustellen.
Der Glaube an den Ewigen wird nicht stärker durch das Wissen um sein Aussehen. Das ultimative Erlebnis des Volkes Israel war der Verlust jeglicher Menschlichkeit durch ein Volk, das ein anderes Volk morden wollte, und plötzlich erscheint Gott und dreht die Ereignisse um und zeigt, dass die Freiheit das Richtige ist für den Menschen.
In der Freiheit ist jeder Mensch sein eigener Herr und kann seinen Weg selber wählen. Als Gott sich dem Volk Israel vorstellt und seine »Visitenkarte« abgibt, hebt er hervor, dass sich seine Göttlichkeit und seine Verbindung mit dem Volk auf die Tatsache stützt, dass er sie aus Ägypten herausgeführt hat. Dadurch entstand eine gegenseitige Verpflichtung: Es ist nicht nur, dass das Volk die Göttlichkeit Gottes akzeptiert, sondern er selbst definiert: »Ich bin der Ewige, dein Gott«. Das heißt: Ich bin gleichermaßen mit dir verbunden wie du mit mir. Es spielt dabei keine Rolle, ob du mit meiner Göttlichkeit einverstanden bist oder nicht, ich werde auf alle Fälle dein Gott sein.
Es handelt sich hierbei um eine klare Aussage über die Suche nach dem Glauben und nach Gott. Der jüdische Glaube sucht keine überflüssigen Definitionen, nur um den Begriff der Göttlichkeit für den Menschen konkreter zu machen. All das wurde von hunderttausend Juden erlebt, und das ganze jüdische Volk überliefert dieses Erlebnis von einer Generation zur nächsten seit über dreitausend Jahren. Die tiefe Verbindung zwischen uns und Gott, die während des Auszugs aus Ägypten entstand, ist uns eingeprägt, und wir sind verpflichtet, sie durch die Bewahrung der Gebote und durch den Gottesdienst zu stärken bis wir das höchste Niveau von Gottes Liebe erreichen werden.

Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde Dortmund.

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