Göttingen

Aus Worten gebaut

von Michael Caspar

Gleich zwei Enttäuschungen musste das Jüdische Lehrhaus Göttingen bei der Feier seines fünfjährigen Bestehens verkraften. Erst sagte die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, aufgrund einer dringenden Auslandsverpflichtung ihre Teilnahme kurzfristig ab. Dann blieb zudem Bundes- umweltminister Sigmar Gabriel, der vor fünf Jahren bei der Lehrhaus-Gründung als niedersächsischer Ministerpräsident zu Gast war, aufgrund eines dringenden Termins in Berlin der Feier fern.
»Das hat aber auch Vorteile«, sagte die Lehrhaus-Vorsitzende, Eva Tichauer Moritz beim Festakt im Göttinger Alten Rathaus tapfer. Weil nun nicht die strenge Sicherheitsstufe zwei gelte, seien die 220 Gäste ohne größere Kontrollen ins Rathaus hereingekommen. Außerdem bleibe jetzt mehr Zeit für Gespräche vor dem Festkonzert. Es sei das erste Mal, so Tichauer Moritz, dass ihrem 30-köpfigen Verein die Glückssträhne reiße.
Zahlreiche Referenten hat das Lehrhaus in den vergangenen fünf Jahren zu monatlichen Veranstaltungen in die niedersächsische Universitätsstadt geholt. Rabbiner wie Salomon Almekias-Siegl, Gesa Ederberg, Eveline Goodman-Thau, Elisa Klapheck, Jona Sievers, Leo Trepp oder Bea Wyler legten gemeinsam mit jeweils 50 bis 60 Workshop-Teilnehmern Tora und Talmud aus. Kantoren wie François Lilienfeld, Jalda Rebling oder Mimi Sheffer trugen liturgische Gesänge vor. Die Dichterin Hilde Domin las, der Historiker Arno Lustiger sprach über die Geschichte der sowjetischen Juden und Tichauer Moritz’ Tochter Roxana Álvarez Tichauer zeigte israelische Tänze. Man lernte koscher kochen und setzte sich mit jüdischer Trauerkultur auseinander.
»Wir wollen Menschen erreichen, denen die Religion fremd geworden ist«, erläutert Tichauer Moritz ihren Ansatz. Es gehe um Diskussion, um die Erarbeitung eines eigenen Standpunkts und um das Bewusstsein, dass der Text mehrere Lesarten zulasse. Ziel sei nicht, eine bestimmte Strömung des Judentums zu lehren, stellt sie klar.
Die selbst konservative Jüdin freute sich sehr darüber, dass auch der Vorsitzende der liberalen Jüdischen Gemeinde Göttingen, Harald Jüttner, zum Festakt gekommen war. Das Lehrhaus wolle im Sinne des Gründers der Lehrhaus-Bewegung, Franz Rosenzweig, das jüdische Bewusstsein der Menschen stärken, um der Assimilation entgegenzuwirken.
Das fand die Anerkennung von Charlotte Knobloch, deren Grußwort Sara-Ruth Schumann, Mitglied des Direktoriums des Zentralrats der Juden, vortrug. Den Zuwanderern aus den Ländern der früheren Sowjetunion sei die Religionsausübung jahrzehntelang verboten gewesen, las sie. Es gelte, ihnen das Fundament jüdischen Seins, die Weisheit der Tora, nahezubringen. Dem schloss sich Schumann in ihrer eigenen Ansprache als zweite Vorsitzende des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen an.
Tatsächlich nimmt in Göttingen eine Gruppe von zehn jüdischen Zuwanderern regelmäßig an Lehrhaus-Veranstaltungen teil. Ein Drittel der Teilnehmer seien Juden, berichtete die zweite Lehrhaus-Vorsitzende, Petra Hangaly. Die anderen zwei Drittel seien Christen, die mehr über die Wurzeln ihrer Religion erfahren wollen. Das lobte Göttingens Bürgermeister Wilhelm Gerhardy. Das Christentum lebe aus der Quelle des Judentums. »Zwei Drittel der Teilnehmer sind Frauen«, führte Hangaly aus. Die meisten seien zwischen 50 und 60 Jahren alt.
Über ein eigenes Gebäude verfügt das Lehrhaus nicht, sondern die gewerkschaftsnahe Bildungseinrichtung »Arbeit und Leben« stellt dem Verein kostenlos Räume zur Verfügung. Tichauer Moritz: »Das Lehrhaus ist kein Haus aus Steinen, sondern aus Worten.«

www.juedisches-lehrhaus-goettingen.de

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz sieht Demokratie bedroht

Im Osten ist die AfD besonders stark. Allerdings etablieren sich auch andere rechtsextremistische Bestrebungen

von Christopher Kissmann  19.05.2025