gedenken

Allein in Essen

von Heide Sobotka

»Kennen Sie die Menschen in Ihrer Nachbarschaft?«, fragte die künftige Kulturhauptstadt Essen kürzlich zu ihrem ersten »Tag des Dialogs«. Menschen vieler Nationalitäten leben in der Ruhrgebietsmetropole, seit Langem. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts lockte der Bergbau polnische Kumpel an. Italiener, Griechen, Türken, Libanesen und viele Nationalitäten mehr folgten in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren. Der Türke um die Ecke fühlt sich in Essen schon lange wohl.
Die Essener Juden können dieses Gefühl derzeit nicht teilen. Sie haben eine gemeinsame Gedenkfeier zum 9. November mit der Stadt in der Alten Synagoge abgesagt. Aus Protest. Der Grund: Im Sommer 2006 hatte eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung aus »persönlicher Empörung« über den Libanon-Krieg eine antisemitische Hetzschrift in Umlauf gebracht. Elvia Khalil arbeitete in der RAA (Regionale Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien) und war für Integrationsarbeit mit arabischen Frauen zuständig. In ihrem zweiseitigen Brief wettert sie unter der Überschrift »Adolf Olmert« gegen Israel, be- zichtigte das Land des »Holocausts im Libanon« und pflegt als libanesische Christin urchristlichen Antisemitismus mit Sätzen wie: »Die Juden haben Jesus getötet.« Khalil verdammt alle Staaten, die Israel unterstützen, namentlich die USA und die EU. Das Schreiben hatte sie einer Migrantenzeitschrift beigefügt, die ihr Büro herausgibt.
Die Synagogen-Gemeinde Essen reagierte entsetzt und forderte die Abberufung der Frau. Auch Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger (CDU) bezeichnete das Schreiben seiner Mitarbeiterin als »übles antisemitisches Pamphlet«, beließ es aber bei einer Abmahnung und Versetzung ins Jugendamt. Khalils Vertrag endete am 3o. Juni dieses Jahres und wurde verlängert, doch nicht im Jugendamt, sondern wieder im Amt für Integration.
Mit Unterstützung des Zentralrats der Juden in Deutschland bat die jüdische Gemeinde den Oberbürgermeister erneut, die Frau in ein Ressort zu versetzten, »wo sie weniger Unheil anrichten kann«. Es geschah nichts. Elvia Khalil sei im Amt für Integration auf einem anderen Posten tätig und solle libanesische Familien dazu bewegen, ihre Kinder in die Schule zu schicken, sagt Pressesprecher Detlef Feige der Jüdischen Allgemeinen. Außerdem habe sie sich glaubhaft entschuldigt, antisemitisches Denken liege ihr fern, es sei ein einmaliger Ausrutscher gewesen, beteuert Feige. Ihr Arbeitsvertrag sei befristet und als zweite Chance anzusehen. Bei einem weiteren derartigen Vorfall gebe es kein Pardon mehr. Die Absage der jüdischen Gemeinde zum gemeinsamen Gedenken bedauere der Oberbürgermeister sehr, es sei gute Tradition in Essen.
Mit der Absage habe man ein Zeichen setzen und die Forderung nach der Versetzung der Mitarbeiterin bekräftigen wollen, sagt Hans-Herman Byron, stellvertretender Vorsitzender der Synagogen-Ge- meinde. Das Kaddisch könne die Gemeinde auch ohne Vertreter der Stadt beten.

Terror

Polizei: 9 Tote bei Angriff in Sydney

Was bislang bekannt ist - und was nicht

 14.12.2025

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025