Interview

»Ich verstehe die Bedenken«

Leo Latasch Foto: Judith König

Herr Latasch, das neue Transplantationsgesetz ist vor einer Woche in Kraft getreten. In diesen Tagen verschicken die Krankenkassen Unterlagen zur Organspende. Wie stehen Sie dazu?
Ob durch diese Aktion wirklich das Vertrauen in die Organtransplantation zurückgewonnen werden kann, ist die Frage. Wir müssen nach den Vorkommnissen der letzten Zeit das Vertrauen in der Bevölkerung wieder wecken, und das kann nur durch eine deutlich verbesserte Information geschehen. Viele Menschen haben die Befürchtung, dass ihnen die Organe entnommen werden könnten, bevor sie wirklich tot sind. In diesem Punkt fehlt nach wie vor eine breite Aufklärung.

Sie sind für eine Organspendenregelung, obwohl das Judentum eigentlich vorsieht, dass der Körper unversehrt bleiben soll?
Verschiedene Rabbiner haben mir erklärt, dass eine Organtransplantation erlaubt ist, wenn damit ein anderes Leben gerettet wird. Dies gilt allerdings nur, wenn man vom sicheren Tod ausgehen kann, und das ist in unserer Religion der Hirntod.

Kennen Sie Juden, die damit Probleme haben und sich wegen ihres Glaubens dagegen entscheiden?
Ich kenne sehr viele jüdische Menschen, die in dem Glauben erzogen sind, dass der jüdische Körper unversehrt bestattet werden muss, und sich nicht für eine Spende entscheiden können. Ich verstehe ihre Bedenken. Auch für mich als Notfallmediziner besteht ein Gewissenskonflikt, ihnen dann zu einer Spende zu raten. Als Intensivmediziner musste ich häufig Angehörigen die Nachricht übermitteln, dass ihr Sohn oder ihre Tochter sterben wird. Und da bei Transplantationen jede Minute zählt, lautet dann schon der zweite Satz: »Ich wollte mich dann noch mit Ihnen über etwas unterhalten.« Das ist extrem schwierig, zumal, wenn es um junge Menschen geht. Wenn man natürlich vorher Zeit hat, darüber nachzudenken, und sich auch Informationen verschaffen kann, fällt die Entscheidung leichter.

Haben Sie selbst einen Organspendeausweis?
Nein. Meine Familie weiß, dass ich im Falle eines Falles einer Spende zustimmen würde, wenn damit Leben gerettet würde. Mir fehlt noch der letzte Schritt. Wahrscheinlich werde ich die Unterlagen ausfüllen, wenn ich jetzt etwas zugeschickt bekomme.

Unternimmt der Ethikrat etwas, um Menschen bei der Entscheidung zu helfen?
Wir beschäftigen uns ganz aktuell mit der Frage des Hirntods, weil nur dieser den Tod in geistiger, medizinischer wie körperlicher Weise eindeutig bestimmt. Mit dieser genauen Erklärung wollen wir mehr Vertrauen hinzugewinnen. Wir liegen in Deutschland zwischen drei bis vier Prozent bei Transplantationen. In Österreich, wo es die sogenannte Widerspruchsregelung gibt, sind die Zahlen deutlich höher. Der Empfänger einer Niere wartet dort nur ein Drittel der Zeit, die er in Deutschland wartet. Das zeigt ganz klar, dass es eine Frage ist, wie man mit den Menschen redet.

Mit dem Notfallmediziner und Mitglied des Ethikrats sprach Heide Sobotka.

Antisemitische Proteste

Bildungsministerin fordert von Unis konsequentes Vorgehen

Die Universitätsleitungen müssten konsequent von ihrem Hausrecht Gebrauch machen, so die Ministerin

 04.05.2024

Kommentar

Zeit für ein Machtwort, Herr Woidke!

Brandenburg hat immer noch keinen Antisemitismusbeauftragten - dabei ist der jüngste Verfassungsschutzbericht alarmierend

von Michael Thaidigsmann  03.05.2024

Bildung

»Düsseldorfer Erklärung«: Lehrer und Eltern in NRW mobilisieren gegen Antisemitismus an Schulen

Neun Lehrer- und Elternverbände in Nordrhein-Westfalen haben sich in einer gemeinsamem »Düsseldorfer Erklärung« verpflichtet, Antisemitismus an Schulen dauerhaft entgegenzuwirken.

 03.05.2024

Berlin

Polizei räumt israelfeindlichen Protest an der Humboldt Universität

Bei dem Sit-In forderten die Teilnehmer die Vernichtung Israels

 03.05.2024

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Bereits ab dem Vormittag werden die Namen der 55.696 von den Nazis ermordeten Berliner Juden verlesen

 03.05.2024

Studie

Jeder dritte angehende Islam-Lehrer sieht Juden als Feinde

Die Untersuchung zeigt, wie konservativ, antisemitisch und antiwestlich die Mehrheit der islamischen Religionslehrer von morgen denkt

 03.05.2024

Kampagne

Holocaust-Leugnung in Social Media: Überlebende widersprechen

Die Aktion der Claims Conference startet auf Plattformen wie Facebook und X

 03.05.2024

Fußball

FIFA diskutiert Ausschluss Israels

Sollte sich der palästinensische Fußballverband durchsetzen, könnte Israel nicht mehr an den Weltmeisterschaften teilnehmen

von Nils Kottmann  03.05.2024

Frankreich

»Keine Zionisten«: Aufruhr an der Sciences Po

Auch an der französischen Eliteuniversität sorgen antiisraelische und antisemitische Proteste für Konflikte

 03.05.2024