»Ride4Solidarity«

Zwischenstopp in Frankfurt

In der Frankfurter Innenstadt stehen 16 Motorräder in Richtung Rathenauplatz aufgereiht. Auf ihrem Weg von Berlin zur Maccabiah in Jerusalem machen die Biker von »Ride 4 Solidarity« an einem sonnigen Donnerstagmittag halt in der Mainmetropole. Hier wird die Ausstellung Zwischen Erfolg und Verfolgung. Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach vorgestellt. Die Schau soll verschiedene Lebensgeschichten jüdisch-deutscher Sportlerinnen und Sportler vor und nach der Schoa zeigen.

»Der Sport ist eine Religion, ist vielleicht heute das einzig wahre Verbindungsmittel der Völker und Klassen«, sagte Walther Bensemann einmal. Der jüdisch-deutsche Sportler wurde 1873 in Berlin geboren und gilt als einer der Pioniere des Fußballs in Deutschland. Bensemann gründete 1920 die Zeitschrift »Kicker«, die bis heute zu den größten Sportmagazinen des Landes gehört. Seine Geschichte wird auf einer der Schautafeln erzählt.

rede Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann erinnert in seiner Rede vor rund 50 Zuhörern an Bensemann. Dieser habe an eine »pazifistische Sportidee« geglaubt und musste »sein Lebenswerk hinter sich lassen«, um 1933 vor den Nationalsozialisten in die Schweiz zu fliehen. Dort kam er kurz darauf ums Leben.

Er selbst wünsche sich eine »offene, zukunftsfähige und vielfältige Gesellschaft«, sagt Feldmann. Hierbei sei es wichtig, dem Antisemitismus und Rassismus auch dort entschieden zu begegnen. Denn auch hier seien Schmähungen wie »Judensau« oder rassistische Beleidigungen schwarzen Sportlern gegenüber üblich. Gerade die Frankfurter Eintracht werde auch heute noch antisemitisch als »Judenkicker« geschmäht.

Neben dem friedensstiftenden Charakter des Sports erinnert Mirjam Wenzel an dessen große Bedeutung für die zionistische Bewegung im frühen 20. Jahrhundert. Die Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt spricht vom zionistischen Körperideal des »Muskeljuden«, das dem antisemitischen Bild des »schutzbedürftigen, schwachen Juden« die Identität der Wehrhaftigkeit entgegenstellte. Zudem hätten jüdische Männer und Frauen die Möglichkeit gehabt, durch den Sport Anerkennung zu erhalten.

Die Ausstellung in Frankfurt zeigt 17 Geschichten jüdisch-deutscher Sportlerinnen und Sportler. Darunter die 1910 in Offenbach geborene Helene Mayer. Sie galt als erste deutsche Fechterin, die internationalen Erfolg erzielen konnte. Mayer gewann im Alter von 14 Jahren die deutschen Meisterschaften, mit 18 holte sie Gold bei Olympia. Als blonde Frau mit blauen Augen »verkörperte sie das Schönheitsideal der Zeit und wird zum begehrten Motiv von Fotografen«, heißt es in der Ausstellung. Doch als »Halbjüdin« verlor sie 1933 ihr Sportstipendium, durfte jedoch aufgrund der vermeintlichen Toleranz der Nazis an den Olympischen Spielen 1936 teilnehmen. Im Jahr darauf siedelte sie in die USA über und kehrte erst 1952 nach Deutschland zurück. Kurze Zeit später erlag sie einem Krebsleiden.

disziplinen Neben Mayer sind der Ringer Hermann Baruch und sein Bruder und Gewichtheber Julius Baruch zu sehen. Beide kehrten 1924 als Europameister in ihren Disziplinen in ihre deutsche Heimat Bad Kreuznach zurück. Dort waren sie für ihr Engagement in ihrem Sportverein bekannt und beliebt. Julius Baruch trainierte nach seiner aktiven Karriere junge Nachwuchsringer, bis ihm dies 1933 verboten wurde. 1945 wurde er im Konzentrationslager Buchenwald ermordet. Sein Bruder Hermann versuchte, als Polsterer die Wertgegenstände jüdischer Flüchtlinge zu retten. Doch auch er wurde 1942 verhaftet, nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Die Geschichte von Sarah Poewe soll den Bogen in die Gegenwart spannen, in eine Gesellschaft, in der jüdische Sportlerinnen und Sportler wieder Platz finden. Besonders ins Auge fällt die Schwimmerin, da sie im Hechtsprung dargestellt ist und über dem Rathenauplatz zu schweben scheint. Die 1983 in Kapstadt geborene Europa- und Weltmeisterin gewann 2004 in Athen als erste Jüdin nach der Schoa eine olympische Medaille für Deutschland. Poewe nahm an insgesamt vier olympischen Turnieren teil, sammelte drei Europa- und neun Deutschlandrekorde in ihrer Disziplin Brustschwimmen.

»Jüdisches Leben ist aus dem Schattendasein entflohen« und habe spätestens mit den European Maccabi Games in Berlin 2015 auf großer Bühne eine deutsch-jüdische Identität präsentiert, sagt Alon Meyer. Der Präsident von Makkabi Deutschland überreicht der großen Gruppe internationaler Biker den Fackelstab der Maccabiah, bevor er selbst auf sein Motorrad steigt und unter lautem Motorengeheul mit den Bikern vom Rathenauplatz rollt. Nächster Halt: Nürnberg.

www.juedische-sportstars.de
www.ride4solidarity.com
www.facebook.com/ride4solidarity

WIZO

Kraft für ehrenamtliche Stunden

Tanz, Musik sowie Auszeichnungen und Spenden bei der WIZO im Ballsaal des Leonardo Royal Hotels

von Luis Gruhler  15.12.2024

Andenken

Kleine Frau mit großer Stimme - Schoa-Überlebende Esther Bejarano vor 100 Jahren geboren

Sie spielte im »Mädchenorchester« in Auschwitz und überlebte den NS-Massenmord an den europäischen Juden. Esther Bejarano wurde zu einer unermüdlichen Zeitzeugin - und sagte einmal, wie ihre Rache an den Nazis aussieht

von Leticia Witte  15.12.2024

Portrait der Woche

Musikalisches Erbe

Emanuel Meshvinski ist Bratscher und führt das Jewish Chamber Orchestra

von Heike Linde-Lembke  15.12.2024

Chabad-Konferenz für Jugendliche

»Wir schämen uns nicht«: 500 junge Juden am Brandenburger Tor

Stolz zeigen sich die Teilnehmer des Europäischen Jüdischen Jugendkongresses im Herzen Berlins

von Imanuel Marcus  13.12.2024

Berlin

Chanukka-Basar in der Synagoge Pestalozzistraße: Kuchen, koscherer Glühwein und ein Bühnenprogramm

Am Sonntag findet der Basar im Innenhof der Synagoge statt. Es gibt ein vielfältiges Bühnenprogramm. Auch die »The Swinging Hermlins« werden auftreten

von Christine Schmitt  13.12.2024

Rede

Eklat statt Feier

Die SPD-Politikerin Gesine Schwan irritiert bei einem Jubiläumsfest mit Nazi-Vergleichen

von Ralf Balke  12.12.2024

Hamburg

»Our Turn«: Zentralrat und ZWST veranstalten Jugendkongress 2025

Den Teilnehmern sollen »Methoden, Chancen und Vorbilder« gezeigt werden, mit denen sie sich selbst verwirklichen können sollen

von Imanuel Marcus  11.12.2024

Magdeburg

Sachsen-Anhalt setzt Förderung jüdischer Einrichtungen fort

Die Projektauswahl wird vom Beirat für jüdisches Leben begleitet

 11.12.2024

Interview

»Damit ihr Schicksal nicht vergessen wird«

Die Schauspielerin Uschi Glas setzt sich für die Befreiung der israelischen Geiseln ein. Ein Gespräch über Menschlichkeit, Solidarität und Gegenwind

von Louis Lewitan  11.12.2024