vortrag

Zehn aus 613

Ohel-Jakob-Synagoge in München Foto: Marina Maisel

Als Magna Charta der Freiheit hat Daniel Krochmalnik in seinem Vortrag über die Zehn Gebote ihre Botschaft bezeichnet. Der Professor für Religionspädagogik an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg hielt in der vergangenen Woche das Auftakt-Referat zu der Münchner Reihe »Vor dem Gesetz. Zur Aktualität der Zehn Gebote«.

Diese Reihe, die bis in den Mai hinein dauert, ist eine Gemeinschaftsveranstaltung der Evangelischen Stadtakademie, des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, der Offenen Akademie der Münchner Volkshochschule sowie der Fachstelle Medien und Kommunikation. Unterstützt wird die Veranstaltung auch vom 2. Ökumenischen Kirchentag. Ergänzend zu den Vorträgen werden auch verschiedene Filme gezeigt.

gegenwart »Die Zehn Gebote haben Konjunktur«, sagte Susanne May von der Volkshochschule zu Beginn der Veranstaltung. Und sie schloss die Frage an, wieso Texte, die vor 3.000 Jahren entstanden sind, noch heute aktuell sind: »Beinhalten sie tatsächlich Maßstäbe zur Beurteilung der oft komplizierten Fragen der Gegenwart?« Daniel Krochmalnik stellte seinen Vortrag im Gasteig unter den Titel: »Die Botschaft der Zehn Gebote. Eine jüdische Betrachtung«. Konkret fassbar wurde diese zum Beispiel im Unterschied zur Bibelforschung, die sich unter anderem mit verschiedenen Ebenen der Entstehung beschäftige.

So sei der Dekalog auch bei mehrfacher Erwähnung in der Tora eine Einheit, während die ältere Bibelkritik nicht an einer Harmonisierung des Dekalogs interessiert gewesen sei. An den Anfang stellte Krochmalnik die Frage, ob die Zehn Gebote etwas Besonderes sind. Das rabbinische Judentum habe eine besondere Auszeichnung immer abgelehnt. Sie seien nur zehn von 613 Ge- und Verboten. Raschi zum Beispiel aber habe gesagt, dass alle Gebote in den Zehn Geboten enthalten sind.

Tradition Krochmalnik ging im Blick auf den Stellenwert des Dekalogs auch kurz auf weitere Betrachtungen im Lauf der Geschichte ein – bis hin zu Martin Luther, der die Zehn Gebote an den Anfang seines Kleinen Katechismus gestellt hat – allerdings ohne Bezug auf Volk und Land Israel. Sieben Gebote gelten, so Krochmalnik weiter, für die gesamte Menschheit, drei spezielle für das ganze jüdische Volk. Dabei umfasste die Zählung im Lauf der jüdischen Tradition nicht immer zehn Gebote. Mitunter waren es bis zu 16, von denen sich etwa die Hälfte auf die Beziehung zu Gott bezog, der Rest auf diejenige der Menschen untereinander.

In dieser Beziehung sei das Gebot »... du sollst nicht begehren ...« ein zentrales, das die anderen mit umfasse. Das Motiv des Begehrens habe auch in der Paradiesgeschichte zum Sündenfall geführt. Was die eingangs erwähnte Charta der Freiheit betrifft, so betonte Krochmalnik, dass das Wort Freiheit im Dekalog nicht vorkommt. Nicht Freiheit im modernen Sinn, sondern Befreiung wird angesprochen: die Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens. Darauf wird in der Tora immer wieder hingewiesen, wenn von Gott die Rede ist, auch zu Beginn der Zehn Gebote: »Ich bin der Ewige, dein Gott, der ich dich geführt aus dem Lande Mizrajim (Ägypten).« Krochmalnik sprach davon, dass dieser Exodos gleichzeitig ein Eisodos sei, der Auszug aus Ägypten also verbunden mit dem Einzug in das neue Leben mit dem Dekalog, in die Gottesliebe. Die Gebote allerdings seien eine Aufforderung etwas zu tun oder zu lassen, kein Gesetz, das mit einer Strafandrohung belegt ist, kein Rechtskodex.

freiheit Ein wenig von dieser Struktur weiche nur das Elterngebot ab, dem der Satz hinzugefügt ist »... damit deine Tage lang werden und damit es dir wohlgehe in dem Lande, das der Ewige, dein Gott, dir gibt«. Doch auch hier könne man nicht von einer Sanktion im juristischen Sinn sprechen.

Das Fehlen einer Strafandrohung zeige, dass im Dekalog der Einzelne in seiner Möglichkeit der Befolgung und auch der Verweigerung angesprochen ist. Geschützt werde nicht »meine« Freiheit, sondern die des anderen. Jeder werde in die Pflicht genommen und damit der andere in Schutz. In der anschließenden Diskussion, zunächst auf dem Podium mit Susanne May, dann mit dem Publikum, ging Krochmalnik auf wesentliche Unterschiede zum Christentum ein.

Für Paulus, der in der christlichen Überlieferung einen wichtigen Stellenwert habe, sei der Sinai, auf den er in der Bergpredigt zurückgreife, der Ort, wo wir unsere Unfähigkeit vorgeführt bekommen, das Gesetz zu erfüllen. Deshalb bedürfe es für die Freiheit des christlichen Menschen eines Erlösers.

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