Zentralwohlfahrtsstelle

»Wir müssen am Puls der Zeit bleiben«

ZWST-Direktor Aron Schuster Foto: Gregor Zielke

Zentralwohlfahrtsstelle

»Wir müssen am Puls der Zeit bleiben«

Fünf Minuten mit dem neuen ZWST-Direktor Aron Schuster über Chancen, Herausforderungen und Wünsche

von Katrin Richter  03.07.2018 09:42 Uhr

Herr Schuster, Sie sind neuer Direktor der ZWST. Mit welchen Erwartungen gehen Sie an diese Aufgabe heran?
Mit viel Respekt vor dieser Organisation, die im Lauf ihrer 100-jährigen Geschichte so viel bewirkt hat und auch heute bewirkt. Für mich ist diese beeindruckende Geschichte Auftrag und Verpflichtung zugleich, das Leitbild »Zedaka« auch zukünftig mit Leben zu füllen. All dies geschieht in großer Anerkennung dessen, was Beni Bloch in den letzten drei Jahrzehnten als Direktor für die ZWST geleistet hat. Ich freue mich sehr, die Zukunft der ZWST gestalten zu dürfen. Wir stehen vor großen Herausforderungen, aber auch vor vielen Chancen.

Welche Herausforderungen sind das?

Insbesondere die demografische Entwicklung. Wir haben mehr und mehr ältere Menschen, die nach Angeboten suchen – gerade, was die Versorgung betrifft. In diesem Zusammenhang sind die Themen Demenz, Immobilität und psychosoziale Unterstützung zu nennen. Gemeinden fragen sich zunehmend, wie sie diese Menschen künftig erreichen können.

Die ZWST möchte gesamtgesellschaftli­che Verantwortung übernehmen. Was ge­nau heißt das?
Zum einen sind damit unsere Aktivitäten im Bereich der Bildungsarbeit gegen Antisemitismus gemeint. Wir wollen nicht nur mit erhobenem Zeigefinger auf Prob­leme aufmerksam machen, sondern Teil der Lösung sein. Mit unserem Kompetenzzentrum entwickeln wir Lösungsstrategien und setzen diese selbst um. Zum anderen verstehen wir uns als soziale Stimme der jüdischen Gemeinden in Deutschland. Wir sind in erster Linie für all diejenigen da, die einer besonderen Unterstützung bedürfen. Sozialpolitische Entwicklungen wollen wir aktiv begleiten und gestalten. Dies gilt vor allem dann, wenn soziale Benachteiligungen auftreten.

Woran denken Sie?
Zum Beispiel an die Zuwanderer, die kein ausreichendes Versorgungsniveau erreichen, um ohne Grundsicherung im Alter auszukommen. Hier wollen wir uns mehr einbringen.

Wie wollen Sie die Jüngeren erreichen?
Wir müssen am Puls der Zeit bleiben, denn alternative Angebote für junge Menschen, sich anderweitig zu organisieren, sind viel-
fältig. Seit einigen Jahren gibt es unter jungen Erwachsenen eine große Dynamik. Es bilden sich – gerade auf regionaler Ebene – zahlreiche Initiativen, die leider oft außerhalb der Gemeindestrukturen entstehen. Wir müssen die Gemeinden daher stärker dafür sensibilisieren, ihre Türen zu öffnen, um von dem jungen Engagement zu profitieren. Positiv stimmt mich dabei, dass trotz sinkender Mitgliederzahlen in der Altersgruppe der unter 30-Jährigen unsere Angebote im Jugendreferat wachsende Teilnehmerzahlen verzeichnen.

Was planen Sie bei den Machanot?

Unsere Angebote sind beliebt und nachgefragt. Mit neuen Ausflugszielen oder professionell betreuten Sportaktivitäten entwickeln wir unsere Ferienfreizeiten weiter. So führen wir in diesem Jahr erstmals auch zwei Programme in den USA durch. Die Stärkung der jüdischen Identität unserer jungen Generation bleibt dabei immer übergeordnetes Ziel.

Was wünschen Sie sich persönlich?

Motivation. Die ZWST lebt schlussendlich von ihren rund 100 Mitarbeitern, die die Beratungs- und Fortbildungsangebote durchführen. Nur mit ihrem engagierten Einsatz schaffen wir es, den großartigen Output aufrechtzuerhalten. Ich wünsche mir zudem, dass es uns gelingt, die finanzielle Ausstattung unseres Verbandes dauerhaft zu verbessern. Wir sind nach wie vor begrenzt in unseren finanziellen Möglichkeiten. Fast alles ist projektfinanziert. Wir müssen immer wieder bei Stiftungen anklopfen und in Ministerien um Projekte ringen. Zu guter Letzt wünsche ich mir ein wachsendes ehrenamtliches Engagement zum Wohle der jüdischen Gemeinschaft.

Das Gespräch führte Katrin Richter.

Porträt

Glücklich über die Befreiung

Yael Front ist Dirigentin, Sängerin, Komponistin und engagierte sich für die Geiseln

von Alicia Rust  22.11.2025

Berufung

Schau mal, wer da hämmert

Sie reparieren, organisieren, helfen – und hören zu: Hausmeister von Gemeinden erzählen, warum ihre Arbeit als »gute Seelen« weit mehr ist als ein Job

von Christine Schmitt  21.11.2025

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025