Makkabi

»Wir hatten einen guten Start«

Freut sich auf 2500 Sportler bei den European Maccabi Games 2015: Alon Meyer Foto: Rafael Herlich

Herr Meyer, Sie haben einen Fulltime-Job als Immobilienkaufmann, haben Famillie und engagieren sich im Gemeinderat der Jüdischen Gemeinde Frankfurt sowie weiteren sozialen Projekten, sind Vorsitzender der TuS Makkabi Frankfurt und seit einigen Monaten Präsident von Makkabi Deutschland. Hat Ihr Tag mehr als 24 Stunden?
(Lacht) Das wäre manchmal sehr hilfreich. Das Geheimnis liegt in gutem Zeitmanagement. Und ich kann meine Tätigkeiten kombinieren: Bei Wohnungsübergaben nehme ich meine Kinder manchmal einfach mit, viele Telefonate erledige ich beim Autofahren. Und mein Büro liegt direkt neben unserem Wohnhaus, sodass ich nachts weiterarbeiten kann. Ich brauche zum Glück nur vier bis fünf Stunden Schlaf.

Hatten Sie keine Bedenken, sich die Verantwortung für den Dachverband von Makkabi auch noch aufzuladen?
Doch, und ich habe mit meiner Frau lange darüber gesprochen. Ich wusste schon, dass dieses Amt mit sehr viel Arbeit und Aufmerksamkeit verbunden sein würde. Aber ich hatte von Anfang an das Gefühl, etwas bewegen zu können, und wurde von vielen Menschen ermutigt. Ich freue mich auf die Arbeit. Es ist der Höhepunkt meiner sportlich-jüdischen Funktionärstätigkeit.

Wie waren die ersten Monate als Deutschland-Chef von Makkabi?
Wir hatten einen guten Start. Unter anderem haben wir eine Kooperation mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Zentralwohlfahrtsstelle (ZWST) vereinbart. Künftig werden alle ZWST-Machanot in Kooperation mit Makkabi stattfinden – wir werden den gesamten Sportteil abdecken. Im Mai veranstalten wir gemeinsam die »Jewish Sport Challenge« in den Disziplinen Schach, Fußball und Tischtennis. Makkabi und die ZWST werden künftig auch deutschlandweite Feriencamps in den Oster- und Herbstferien organisieren. Die European Maccabi Games 2015 (EMG) in Berlin sind ein guter Motor für unsere Vorhaben. Der Präsident des Zentralrats, Dieter Graumann, der Chef des Deutschen Fußball-Bundes, Wolfgang Niersbach, und Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, haben uns bereits ihre Unterstützung zugesagt.

Wie laufen die Vorbereitungen für die Maccabi Games?

Wir haben eine GmbH gegründet und mit Oren Osterer einen jungen ambitionierten Chef »aus der eigenen Jugend« für das Organisationskomitee ernannt. Auch die Sportstätten stehen quasi fest, das meiste wird auf dem Olympiagelände und in einem 15-Kilometer-Umkreis davon stattfinden. Wir sind kurz davor, die Unterkunft für die 2500 zu erwartenden Sportler festzulegen. Derzeit sind wir auf der Suche nach bekannten Werbeträgern, führen viele Gespräche. Dass wir mit unseren Anfragen offene Türen einrennen, zeigt, dass Deutschland reif ist für solch eine Großveranstaltung.

Gibt es bei den Spielen sportlich eine neue Ausrichtung?

Bei den European Maccabi Games werden wir erstmals Eishockey, Reiten und einen Halbmarathon anbieten.

Welchen Stellenwert haben die Spiele aus historischer Sicht?
Dass wir in der Stadt, in der Hitler 1936 die Olympischen Spiele für seine abscheuliche Propaganda missbrauchte, 2015 mit 2500 jüdischen Sportlern aus ganz Europa die Maccabi Games veranstalten werden, jagt mir eine Gänsehaut über den Rücken. Es geht darum, zu zeigen, dass man es vor 70 Jahren nicht geschafft hat, uns auszulöschen. Am liebsten würde ich deshalb für die Eröffnungsveranstaltung wie 1936 das Olympiastadion wählen. Es ist aber wahrscheinlich zu groß dafür. Geprüft wird, ob das Brandenburger Tor infrage kommt.

Wie verwurzelt ist Makkabi im jüdischen Leben Deutschlands?

Makkabi Deutschland wird 2015 nach der Wiedergründung 50 Jahre alt. Es ist schwierig, in dieser kurzen Zeit von Wurzeln zu sprechen, auch wenn Juden im deutschen Sport viel Pionierarbeit geleistet haben. Um Wurzeln in der deutschen Gesellschaft zu schlagen, müssen wir die Ortsvereine unterstützen und voranbringen.

Wie steht es um die Kontakte von Makkabi zu anderen Sportverbänden?
Austausch ist sehr wichtig! In Frankfurt gibt es bereits Kooperationen, unter anderem mit zwei Schulen – einem Gymnasium und einer Förderschule für Hörgeschädigte. Für Letztere bieten wir verschiedene Sportunterrichtseinheiten an. Die Kooperationen mit den Sportverbänden in den verschiedenen deutschen Städten muss noch weiter intensiviert werden. Nur dadurch kann Normalität im Umgang mit Makkabi und damit auch dem Judentum entstehen.

Wie ist es mit der Normalität innerhalb von Makkabi? Welche Bedeutung hat die Integration der russischsprachigen Zuwanderer?
Sport ist ein wunderbares Mittel der Integration. Die ist bei uns längst geschehen, sie fühlen sich als deutsche Juden. Wenn ich heute von Integration spreche, geht es darum, wie wir Teil der deutschen Normalität werden. Und es geht mir auch um Inklusion. Deshalb werden bei den EMG auch parallel paralympische Wettbewerbe stattfinden.

In Frankfurt geht Makkabi neue Wege, im jüdischen Kindergarten Bereschit wird »Kung Fu Fun« angeboten. Geschieht das nach dem Motto »Wenn die Kinder nicht zu uns kommen, kommen wir zu den Kindern«?
Probleme mit den Mitgliedszahlen haben wir nicht – Makkabi hat in Frankfurt knapp 1300 Mitglieder. Das sind so viele wie nie zuvor. Aber wir müssen den Anforderungen der heutigen Gesellschaft gerecht werden. Viele Eltern haben keine Zeit mehr, ihre Kinder abzuholen und zum Sport zu bringen. Aber Sport ist für die geistige, soziale und körperliche Entwicklung so wichtig, dass wir diesen Weg gerne gehen.

Welches Selbstverständnis haben Sie: Ist Makkabi jüdischer Sport in Deutschland oder Sport jüdischer Deutscher?
Wir sind ein jüdischer Verein, aber offen für alle. Etwa die Hälfte unserer Mitglieder in Frankfurt ist nicht jüdisch. Hier haben wir Fußballspiele, bei denen in der Makkabi-Mannschaft kein einziger Jude auf dem Platz steht. Wenn dann von den Rängen antisemitische Sprüche kommen, setzen sich diese Spieler für die jüdischen Teamkollegen ein.

Antisemitische Beschimpfungen auf dem Fußballplatz sind offenbar an der Tagesordnung. Wie gehen Sie damit um?

Fußball zieht nun mal die Massen an. Manche der Zuschauer sind frei von jeglichem Intelligenzquotienten. Die wissen gar nicht, was sie da reden. Aber wir finden Lösungen. So hatten wir beispielsweise früher große Probleme bei bestimmten Spielorten. Bis wir irgendwann zum Training der dortigen Mannschaft gefahren sind und sie eingeladen haben, anschließend mit uns einen trinken zu gehen. Seither haben alle verstanden, dass auch wir einfach nur Sportler sind – und es läuft dort viel besser.

Sie sind ja auch ein gefragter Interviewpartner in Sachen Antisemitismus geworden. Fürchten Sie, dass Makkabi allzu sehr auf jüdische Identität statt auf sportliche Leistungen reduziert wird?
Nein, das gehört dazu. Ignatz Bubis sel. A. hat gesagt, er wisse nicht, ob er etwas erreicht habe. Ich bin sicher, er hat. Daher ist es wichtig, dass wir weitermachen. Es muss normal werden, Jude zu sein. Ich gehe in Schulen, halte Vorträge, nehme an Podiumsdiskussionen teil. Viele Ressentiments können dadurch beseitigt werden.

Spielen Sie denn selbst noch Fußball?
Ja, in der zweiten Mannschaft. Und zwar leidenschaftlich!

Und wenn Sie entspannen wollen: Wo machen Sie Urlaub?
Am besten entspannen kann ich im Winterurlaub, weil Frankfurt da ruht – und zwar auch arbeitstechnisch. An Pessach fliegen wir nach Israel, das kann ich dann auch gut mit der Arbeit verbinden. Beispielsweise, um Kooperationen für die European Maccabi Games zu vereinbaren. Und als das erste Makkabi-Trainingslager in Marbella stattfand, haben wir unseren Urlaub eben dorthin verlegt. Mittlerweile läuft das natürlich auch ohne mich.

Ihr Vater ist Gründungsmitglied von Makkabi. Sollen Ihre Kinder auch einmal in Ihre Fußstapfen treten?

Ja, natürlich. Soziales Engagement ist wichtig, es macht die Güte und Qualität einer Gesellschaft aus!

Wenn wir schon bei den Wünschen sind: Sie werden in einigen Monaten 40. Was wünschen Sie sich fürs neue Lebensjahrzehnt?
Ich weiß jeden Tag, an dem ich gesund aufstehe, zu schätzen. Ich bin dankbar, dass ich von einer so großartigen Familie und tollen Freunden umgeben bin. Wenn ich überhaupt einen Wunsch habe, dann den, dass alles annähernd so weitergeht wie bisher.

Mit dem Präsidenten von Makkabi Deutschland sprach Rivka Kibel.

Zur Person
Alon Meyer wurde am 6. Juni 1974 in Frankfurt am Main geboren. Der Diplomkaufmann ist im Immobilienbereich tätig. Meyers Makkabi-Karriere ist lang: Bevor er 1995 in den Makkabi-Vorstand gewählt wurde, war er bereits zehn Jahre als Jugendleiter Fußball sowie sieben Jahre als lizenzierter Fußballtrainer tätig. Seit 2007 ist der 39-Jährige Präsident von Makkabi Frankfurt. Im November vergangenen Jahres wurde er zudem zum Präsidenten des Dachverbandes Makkabi Deutschland gewählt. Meyer ist außerdem Gemeinderatsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main und dort Schriftführer und Vorsitzender der Liegenschaftskommission. Zudem ist er stellvertretender Delegierter zur Ratstagung des Zentralrats der Juden in Deutschland, Delegierter zur Mitgliederversammlung der ZWST und Mitglied mehrerer Stiftungen. Der Frankfurter ist verheiratet, hat zwei Töchter und einen Sohn.

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