Wintermachane

»Wir bleiben trotzdem zusammen«

Nachumi Rosenblatt hofft darauf, 2021 wieder Sommermachanot ermöglichen zu können. Foto: Gregor Zielke

Herr Rosenblatt, die Wintermachanot dürfen in diesem Jahr nicht stattfinden. Schweren Herzens, sagen Sie, mussten sie abgesagt werden. Was werden Sie stattdessen anbieten?
Die Machanot der Zentralwohlfahrtsstelle (ZWST) sind die wichtigste Plattform, um Kinder und Jugendliche aus den jüdischen Gemeinden Deutschlands miteinander zu vernetzen und den Nachwuchs zu fördern. Das identitätsstiftende und generationsübergreifende Zugehörigkeitsgefühl zeichnet die ZWST-Machanot seit Jahrzehnten aus. Umso mehr bedauern wir die Absage. Wir werden aber ein spannendes Online-Programm anbieten, bei dem die Kinder und Jugendlichen zu Hause aktiv teilhaben können.

Also nicht nur zuhören?
Ja, wir wollen die Kinder und Jugendliche aktiv einbinden. So bereiten wir beispielsweise einen »Escape Room« vor. Dafür senden wir den Kindern Kits mit Hinweisen, die dann zuhause gelöst werden können. Jede Familie erhält ein Paket mit Materialien für verschiedene Spiele oder Projekte sowie einen Zeitplan und Dank der Kooperation mit Makkabi Deutschland Jugend ist Sport ein Teil unseres Angebots.

Zu welcher Zeit findet das statt?
Das Online-Angebot wird während des ursprünglich geplanten Machane-Zeitraums vom 23. Dezember bis 3. Januar 2021 stattfinden. Die Kinder und Jugendlichen werden sich je nach Altersgruppe beliebig Programme aussuchen können, die sie interessieren.

Sie möchten gern ein Machane-Feeling nach Hause bringen. Wie geht das? Das Miteinander bleibt doch zu Hause vor dem Computer außen vor?
Das digitale Programm wird unsere analogen Programme niemals ersetzen. Wir wollen jedoch versuchen, die auf mehr als 100 jüdische Gemeinden verteilte junge Generation zumindest für ein paar Stunden zusammenzubringen, zu vernetzen und ihnen einen geschützten Raum zu bieten. Trotz der Distanz erleben sie die Situationen gemeinsam.

Bei Machanot sind schon viele Freundschaften fürs Leben entstanden. Haben Sie Befürchtungen, dass aufgrund der mangelnden Präsenz Zusammenhalt verloren gehen könnte?
Die Einschränkungen sind gerade für Kinder und Jugendliche eine große Herausforderung. Die dezentral organisierte jüdische Gemeinschaft in Deutschland trifft dies umso mehr. Die Pandemie hat uns sehr deutlich vor Augen geführt, wie wichtig die Jugendarbeit der Gemeinden und der ZWST für unser Miteinander und die Zukunft jüdischen Lebens in Deutschland ist. Diesen Winter wird es darum gehen, jedem Kind, jedem Jugendlichen das Gefühl zu geben, dass wir alle im gleichen Boot sitzen, trotzdem zusammenbleiben und das Beste aus dieser herausfordernden Situation machen.

Dazu braucht es ja auch viele Helfer …
Ja, es sind wirklich viele involviert. Die Madrichim waren bereits intensiv mit den Vorbereitungen für die regulären Wintermachanot beschäftigt. Jetzt mussten wir ihnen sagen, dass wir die Präsenz-Machanot leider nicht durchführen dürfen und dass wir die Idee haben, ein Online-Angebot zu organisieren. Erfreulicherweise waren alle einverstanden und haben sofort gesagt: »Selbstverständlich sind wir dabei!« Dafür bin ich sehr dankbar. Ohne sie hätten wir das nicht leisten können. Bereits nächste Woche wollen wir mehr als 1500 Pakete verschicken, für die wir noch viel einkaufen und verpacken müssen.

Im Sommer konnten Sie noch Machanot durchführen. Wie war das?
Mit gigantischem Einsatz des gesamten Teams des Kinder-, Jugend- und Familienreferats gelang es uns innerhalb kürzester Zeit, die Sommermachanot mit einem aufwendigen Hygienekonzept in Bad Sobernheim und im Schwarzwald auf die Beine zu stellen. Wir sind stolz, dass wir trotz dieser schwierigen Umstände mehreren Hundert Kindern und Jugendlichen eine unvergessliche Zeit bieten konnten. Insbesondere nach den Schulschließungen während des ersten Lockdowns war diese Auszeit für die Teilnehmenden extrem wichtig. Wir haben von den Eltern so viele positive Rückmeldungen erhalten wie in keinem Jahr zuvor. Als jüdischer Wohlfahrtsverband sind wir gerade in Krisenzeiten ganz besonders gefragt.

Einige angehende Madrichim sind noch in der Ausbildung, und Sie benötigen sie dringend. Wie geht es damit weiter?
Wir bilden Jahr für Jahr Madrichim in den sogenannten MiDor-LeDor-Praktikantenseminaren aus. Von den sechs für 2020 geplanten Modulen fanden drei vor Ort in Bad Sobernheim und drei online statt. Während der Winterferien findet normalerweise das Madrichim-Seminar statt. Das letzte Ausbildungsmodul – bevor die angehenden Madrichim auf den ZWST-Machanot tätig werden – kann aufgrund der kleineren Gruppengröße gemäß der aktuellen Corona-Verordnung des Landes Rheinland-Pfalz in Bad Sobernheim stattfinden. Es handelt sich hierbei um eine außerschulische Fortbildung im Rahmen der Jugendarbeit für eine sehr begrenzte Zielgruppe. Wir und die Jugendzentren der Gemeinden werden mit Abklingen der Corona-Pandemie wieder verstärkt ehrenamtliche Jugendleiter benötigen. Wir haben uns daher sehr bewusst dafür entschieden, an der Ausbildung von Nachwuchskräften festzuhalten, selbstverständlich auf Basis eines detaillierten Hygienekonzepts.

Planen Sie für 2021 – trotz Pandemie?
Die Jugend- und Familienarbeit der ZWST ist Inkubator für jüdisches Leben in Deutschland und daher unverzichtbar. Wir wollen die Sommermachanot 2021 daher unbedingt ermöglichen. Die genauen Orte stehen derzeit nicht fest. Hinzu kommen die zahlreichen Seminare, Weiterbildungen und Treffen. Die Planungen hierfür sind in vollem Gange. Natürlich in kleineren Gruppen, um die allgemein gültigen Abstandsregelungen einhalten zu können. Wir hoffen, dass sich die Situation im Frühjahr wieder entschärft. Wir sind in der Lage, kurzfristig zu reagieren oder zu planen, und können dankenswerterweise auf zahlreiche ehrenamtliche Kräfte zurückgreifen.

Chanukka steht vor der Tür – ein Fest besonders auch für Kinder …
Das soll auch dieses Jahr so bleiben. Die zurückliegenden Monate waren gerade für Kinder und Jugendliche mit einer Vielzahl von Einschränkungen im Alltag verbunden. Freizeiteinrichtungen wurden geschlossen, vielerorts wurde die Maskenpflicht in Schulen eingeführt, und Freunde konnten nicht zusammenkommen. Es war für die junge Generation kein leichtes Jahr. Chanukka bietet uns die Chance, unseren Kindern Abwechslung und Freude zu bereiten. Die angehenden Madrichim der ZWST haben sich ebenfalls etwas einfallen lassen und werden jeden Abend die Chanukkia online anzünden und dazu Geschichten für die Kinder und Jugendlichen erzählen. Das verbindet uns: Auch wenn wir zu Hause sind, sind wir zusammen. Wir hoffen nun auf das »Impfwunder«, damit es schon bald wieder heißt: »One Machane can change everything!«

Mit dem Leiter des Kinder-, Jugend- und Familienreferats der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) sprach Heide Sobotka.

Sachsen

Landesbeauftragter: Jüdisches Leben auch in Sachsen gefährdet

Die Hemmschwelle, in eine Synagoge zu gehen, sei größer geworden, sagt Thomas Feist (CDU)

 25.04.2024

Pessach

Vertrauen bewahren

Das Fest des Auszugs aus Ägypten erinnert uns daran, ein Leben in Freiheit zu führen. Dies muss auch politisch unverhandelbare Realität sein

von Charlotte Knobloch  22.04.2024

Pessach

Das ist Juden in Deutschland dieses Jahr am wichtigsten

Wir haben uns in den Gemeinden umgehört

von Christine Schmitt, Katrin Richter  22.04.2024

Bayern

Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Flossenbürg vor 79 Jahren

Vier Schoa-Überlebende nahmen teil – zum ersten Mal war auch der Steinbruch für die Öffentlichkeit begehbar

 21.04.2024

DIG

Interesse an Israel

Lasse Schauder über gesellschaftliches Engagement, neue Mitglieder und die documenta 15

von Ralf Balke  21.04.2024

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024