Integration

Willkommen in der Deutschklasse

15 bis 22 Kinder können durchschnittlich in den Willkommensklassen der jüdischen Schulen aufgenommen werden. Foto: Getty Images

Die Nachrichten gaben den Anstoß. »Was können wir tun, um zumindest den Kindern, die aus der Ukraine vor dem Krieg geflohen und hier angekommen sind, zu helfen?«, fragten sich die Pädagogen von der I. E. Lichtigfeld-Schule in Frankfurt. »Und es war klar, dass wir aktiv werden«, sagt Schulleiterin Noga Hartmann. Schon Anfang Mai wurden zwei Betreuungsklassen in der Grundschule eingerichtet, zwei weitere im Gymnasium.

15 Kinder pro Klasse können somit unterstützt werden.
»Aber es ist kein Unterricht, sondern der Schwerpunkt liegt auf der Betreuung«, betont Hartmann. Einige Kinder haben mittlerweile so gut Deutsch gelernt, dass sie als Schüler in einer »Intensivklasse« aufgenommen werden können. In Berlin heißen sie »Willkommensklasse«, in Nordrhein-Westfalen »Deutschklasse«.

In Hessen umfasst die Deutsch-Förderung 16 bis 22 Stunden in der Woche.

In Hessen soll laut dem Kultusministerium eine Förderung in Deutsch von 16 bis 22 Stunden in der Woche angeboten werden. »Nun haben wir vor, an jedem Standort eine Intensivklasse ab dem nächsten Schuljahr anzubieten. Ich freue mich so sehr«, sagt Noga Hartmann. Das sei allerdings ein Kraftakt, denn es werden Räume benötigt – und natürlich Personal. Pensionierte Lehrer werden wieder in die Schulen kommen, um ehrenamtlich zu unterrichten, darunter die ehemalige Direktorin Alexa Brum sowie die pensionierte Kollegin Halinka Treperman. Gemeindemitglieder und Eltern werden ebenfalls mithelfen.

Subventionen Schon jetzt sind die Kinder aus der Ukraine bei den Feiern dabei. »Wir schauen dabei in glückliche Gesichter«, sagt Noga Hartmann. Etliche Ausflüge wurden zudem unternommen. Die Mahlzeiten für die Kinder aus der Ukraine, die unabhängig von ihrer Religion aufgenommen werden, werden von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt subventioniert. Das Betreuungsangebot ist kostenlos. »Es sind alle willkommen, wir sind mit allen solidarisch«, betont Noga Hartmann.

»Bleistift« steht handgeschrieben auf dem Blatt, das an einem Behälter für Stifte klebt. Ebenfalls ist ein Zettel mit der Aufschrift »Mülleimer« auf ebendiesem befestigt, und neben der Uhr klebt ein Streifen Papier mit dem Titel »die Uhr«. Das alles geschieht im Düsseldorfer Albert-Einstein-Gymnasium in der sogenannten Deutschklasse für geflüchtete Kinder aus der Ukraine. 20 Mädchen und Jungen zwischen zehn und 15 Jahren versuchen hier, so schnell wie möglich Deutsch zu lernen, erklärt Schulleiter Michael Anger.

Schulleiter Michael Anger vermutet, dass die Kinder ein halbes bis zu einem Jahr benötigen, um die Regelklassen besuchen zu können.

Fünf bis sechs Lehrer unterrichten die Kinder regelmäßig, auch Anger übernimmt einige Unterrichtsstunden. Ab dem kommenden Schuljahr soll aber extra eine neue Kollegin eingestellt werden. »Ich habe bei den Mädchen und Jungen ein gutes Gefühl, denn sie wirken doch relativ fröhlich«, sagt Michael Anger.

Der Schulleiter vermutet, dass sie ein halbes bis ein Jahr brauchen werden, bis sie so gut Deutsch beherrschen, dass sie in eine reguläre Klasse aufgenommen werden können. Drei bis vier haben es schon geschafft, sodass die nächsten in die Deutschklasse nachrücken konnten. »Mit 20 sind wir voll, und wir schaffen einfach nicht mehr.«

Buchspenden Etwa 30 Prozent der knapp 280 regulären Schülerinnen und Schüler sind nicht jüdisch, denn »es ist uns jeder herzlich willkommen«. Aber bei den ukrainischen Flüchtlingen hat die Schule beschlossen, ihrem Profil gerecht zu werden und nur jüdische Kinder aufzunehmen. Das Essen wird von der Stadt bezahlt, und die Bücher hat Klaus Gravemann vom Bücherhaus in Neuss gespendet. Außerdem wurden zehn Tablets angeschafft. »Alles, was sie brauchen, bekommen sie auch«, sagt Michael Anger.

Auch in der Yitzhak-Rabin-Schule in Düsseldorf wurde eine Deutschklasse eingerichtet, berichtet Daphna Schächter, die die Grundschule seit vielen Jahren leitet. 20 ukrainische Flüchtlingskinder werden vormittags intensiv mit einem Deutschkurs beschult, aber es gibt auch andere Angebote wie Basteln und Musik. »Aber eben hauptsächlich Deutsch«, betont die Schulleiterin.

Nach dem Mittagessen gehen die Kinder nach Hause. Im kommenden Schuljahr sollen die Deutschklassen aufgelöst und die Mädchen und Jungen in die bestehenden Klassen integriert werden. Die intensive individuelle Deutschförderung soll ihnen aber erhalten bleiben.

stundenplan Deutsch, Englisch, Mathe, Hebräisch, jüdische Religion, Sport, Musik und Ukrainisch stehen auf dem Stundenplan der Schüler, die gerade in der Willkommensklasse der Masorti Grundschule in Berlin unterrichtet werden. 22 Kinder, die aus der Ukraine geflüchtet sind, gehen hier seit März zur Schule. 25 Stunden werden sie wöchentlich unterrichtet. »Wir haben zwei Klassen aufgemacht«, sagt Schulleiterin Gesa Biffio.

Familien aus Russland, die vor dem Putin-Regime flüchteten, melden sich zum Deutschunterricht.

In Berlin besteht die Grundschule aus sechs Jahrgängen, sodass das älteste Kind bereits 13 Jahre alt ist. Fünf Stunden am Tag erhalten sie Unterricht, davon nimmt Deutsch den größten Teil ein. Hinzu kommt weiterhin regelmäßiger Ukrainisch-Unterricht. Mittlerweile melden sich auch Familien aus Russland, die vor dem Putin-Regime geflohen sind, in der Hoffnung auf einen Schulplatz für ihr Kind. »Das kann dann durchaus zu Konflikten zwischen russischen und ukrainischen Kindern führen«, hat Biffio beobachtet.

Da derzeit die Schule nicht über allzu viele Räume verfügt, seien die Willkommensklassen vorübergehend im Lehrerzimmer untergebracht. Aber in diesen Wochen werden weitere Zimmer ausgebaut, damit im kommenden Schuljahr alle Klassen über einen eigenen Raum verfügen.

Die Schulleiterin hofft, dass möglichst viele Schüler so weit kommen, dass sie bald in einer regulären Klasse ausgebildet werden können. Drei Schüler nehmen bereits am Unterricht der Regelklassen teil, andere beteiligen sich über das sogenannte Drehtür-Modell am Unterricht ausgewählter Fächer in den Regelklassen der Grundschule.

Psychologen Ebenso werden Müttern Deutschkurse angeboten. »Es ist uns wichtig, auch zu ihnen einen guten Kontakt zu bekommen«, sagt die Schulleiterin. Eine Psychologin steht den Familien beratend zur Seite, während eine Kunsttherapeutin wöchentliche Kurse für die Kinder anbietet. Finanziert werden die Willkommensklassen über den Berliner Senat.

Zwei Mütter, die aus der Ukraine geflohen sind, sind in ihrer Heimat Lehrerinnen für Ukrainisch und Englisch. Für sie hat die Masorti Grundschule eine Unterrichtsgenehmigung beantragt und auch erhalten, sodass sie bereits anfangen konnten, in der Willkommensklasse zu unterrichten. Überhaupt konnten viele ehemalige Lehrer wieder aktiviert werden – wie beispielsweise eine pensionierte Mathematiklehrerin vom Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssohn.

»Besonders hervorzuheben ist auch die Unterstützung durch ehrenamtliche Studentinnen, Eltern und Pädagoginnen aus osteuropäischen Ländern«, sagt Gesa Biffio. Zusätzlich zu den Willkommensklassen hatten die Kinder Online-Unterricht an ihrer früheren Schule. »Doch da sind nun Ferien«, weiß Biffio.

Je jünger die Kinder sind, desto einfacher sei die Integration: »Sie leben mehr in der Gegenwart, das macht es leichter.« Einige von ihnen seien verhaltensauffällig, dazu kommen noch die Sprachprobleme, wie Gesa Biffio erläutert: »Sie kommen nicht aus einer heilen Welt und wissen teilweise nicht, ob ihr Haus noch steht oder wo ihr Vater ist.«

Sachsen

Landesbeauftragter: Jüdisches Leben auch in Sachsen gefährdet

Die Hemmschwelle, in eine Synagoge zu gehen, sei größer geworden, sagt Thomas Feist (CDU)

 25.04.2024

Pessach

Vertrauen bewahren

Das Fest des Auszugs aus Ägypten erinnert uns daran, ein Leben in Freiheit zu führen. Dies muss auch politisch unverhandelbare Realität sein

von Charlotte Knobloch  22.04.2024

Pessach

Das ist Juden in Deutschland dieses Jahr am wichtigsten

Wir haben uns in den Gemeinden umgehört

von Christine Schmitt, Katrin Richter  22.04.2024

Bayern

Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Flossenbürg vor 79 Jahren

Vier Schoa-Überlebende nahmen teil – zum ersten Mal war auch der Steinbruch für die Öffentlichkeit begehbar

 21.04.2024

DIG

Interesse an Israel

Lasse Schauder über gesellschaftliches Engagement, neue Mitglieder und die documenta 15

von Ralf Balke  21.04.2024

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024