Jüdische Gemeinde zu Berlin

»Wer sehen wollte, konnte sehen«

Bei der Gedenkveranstaltung am 9. November 2021 vor dem Gemeindehaus in der Fasanenstraße Foto: Rolf Walter

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat die Novemberpogrome von 1938 bei einer Gedenkveranstaltung in der Berliner jüdischen Gemeinde am Dienstag als »Orgie barbarischer Gewalt« bezeichnet. Sie zählten zu den schrecklichsten und beschämendsten Momenten deutscher Geschichte, sagte sie bei der Veranstaltung in Erinnerung an den 9. November 1938 im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Unzählige jüdische Frauen, Männer und Kinder seien damals gedemütigt, misshandelt, vergewaltigt oder ermordet worden.

Die Vernichtung regen jüdischen Lebens sei vor den Augen aller geschehen. »Wer sehen wollte, konnte sehen«, sagte Lambrecht. Doch die meisten hätten weggesehen oder gar applaudiert. Vor diesem Hintergrund äußerte sie sich zutiefst besorgt über zunehmenden Antisemitismus in Deutschland. Es sei unerträglich, dass es auch in Berlin Gegenden gebe, die Jüdinnen und Juden lieber meiden.

GELBE STERNE Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) beklagte bei der Gedenkveranstaltung wachsenden Antisemitismus. Auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen würden gelbe Sterne getragen und der Holocaust relativiert. Müller betonte vor diesem Hintergrund die »herausragende Bedeutung dieses Gedenkens für Freiheit und Demokratie«. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, äußerte Sorge, dass das Gedenken am 9. November zunehmend dem Fall der Berliner Mauer gewidmet würde.

1938 mahne die Deutschen, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten und Antisemitismus, Hass und Hetze entgegenzutreten, hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zuvor bei einer Gedenkveranstaltung im Schloss Bellevue gesagt. »Unsere Verantwortung kennt keinen Schlussstrich«, sagte er beim Gedenken an den Mauerfall von 1989, die Pogromnacht 1938 und die Ausrufung der Republik 1918.

GEDENKTAG Steinmeier befürwortete dabei ein wiederkehrendes umfassendes Gedenken an den 9. November: »Ich wünsche mir, dass wir ihn als solchen begehen, als Tag zum Nachdenken über unser Land.« Demgegenüber forderte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, »einen nationalen Gedenktag für die Opfer der Schoa«. Das Wissen über die Pogrome von 1938 gehe zurück.

Auf die Fassade des Berliner Gemeindehauses wurde eine Simulation der Synagoge projiziert, die am 9. November 1938 in Brand gesteckt wurde. Zudem wurden die Namen der 55.696 ermordeten Berliner Juden aus dem Gedenkbuch des Landes Berlin verlesen. epd

München

Gelebte Verbundenheit

Jugendliche engagieren sich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in den Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde

von Esther Martel  09.11.2025

Sport

»Die Welt spielt gerade verrückt«

Alon Meyer über seine Wiederwahl zum Makkabi-Präsidenten in ganz besonderen Zeiten, den enormen Mitgliederzuwachs und die Zukunft des jüdischen Sportvereins

von Helmut Kuhn  09.11.2025

Erlangen

Bald ein eigenes Zuhause

Nach jahrzehntelanger Suche erhält die Jüdische Kultusgemeinde ein Grundstück für den Bau einer Synagoge

von Christine Schmitt  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025

Hanau

Greifbare Geschichte

Ein neues 3D-Denkmal zeigt die alte Judengasse der hessischen Stadt

von Eugen El  09.11.2025

Potsdam

Mehr Geld für jüdische Gemeinden in Brandenburg

Brandenburg erhöht seine Förderung für jüdische Gemeinden auf 1,2 Millionen Euro

 09.11.2025

Namensgebung

Jüdische Pionierinnen

In Berlin erinnern künftig zwei Orte an Clara Israel, die erste Leiterin eines Jugendamts, und an Regina Jonas, die erste Rabbinerin der Welt

von Christine Schmitt  09.11.2025

Porträt der Woche

Ein Überlebenswerk

Nicolaus Blättermann fand nach der Schoa die Kraft zum Neubeginn

von Lorenz Hartwig  09.11.2025

Gedenken

Neues Denkmal für jüdische Häftlinge in Gedenkstätte Ravensbrück

Etwa 20.000 Jüdinnen und Juden sind im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg inhaftiert gewesen. Die heutige Gedenkstätte hat nun ein neues Denkmal enthüllt - im Beisein von Überlebenden

von Daniel Zander  06.11.2025