Berlin

Wegweisende Entscheidung

Wird bald anders heißen: die Treitschkestraße Foto: picture alliance/dpa

Was haben der Historiker und Politiker Heinrich von Treitschke (1834–1896) und Betty Katz (1872–1944), die ehemalige Direktorin des Jüdischen Blindenheims in der Wrangelstraße, miteinander gemein? Vermutlich wenig – bis auf einen seit über zweieinhalb Jahren währenden Streit über den Austausch eines Namens auf dem Schild einer kleinen Querstraße in Steglitz.

Von Treitschke stammt der Satz »Die Juden sind unser Unglück«, der zur Parole des Hetzblatts »Der Stürmer« wurde. Gleichwohl verstand sich der 1834 in Dresden geborene Treitschke zeitlebens selbst nicht als Antisemit und verwies auf seine freundschaftlichen Beziehungen etwa zu dem jüdischen Kaufmann und Bankier Alphons Oppenheim, dessen Grabrede er hielt.

Im Streit um die Umbenennung einer Straße geht es aber um weit mehr als um die Erinnerung an verdiente Berliner. Es geht um ein Bewusstsein. Auf der einen Seite steht einer, der im Verdacht steht, den Antisemitismus befeuert zu haben, auf der anderen Seite eine sozial engagierte Heimleiterin, die Opfer der Schoa wurde.

Betty Katz, am 21. August 1872 als Betty Falk im damals preußischen Posen geboren, war sechs Jahre alt, als Treitschke seinen Satz formulierte. Sie wurde Lehrerin und heiratete Leopold Katz, mit dem sie zwei Söhne bekam. Einer kam 1918 als Soldat im Ersten Weltkrieg ums Leben, dem zweiten Sohn, Lothar, gelang später – mithilfe der Mutter – die Emigration in die USA, wo er Arzt wurde und auf Long Island lebte.

Für die Nachfahren von Betty Katz gibt es keinen Ort und kein Grab, an dem sie ihrer gedenken können

Nachdem die 1926 verwitwete Katz nach Berlin gezogen war, übte sie bis zu ihrer Deportation 1942 mit großem Engagement ihr Amt als Leiterin eines Jüdischen Blindenheims aus. Am 14. September wurde sie mit 15 Bewohnern des Heims nach Theresienstadt deportiert. Keiner überlebte.

Für die Nachfahren von Betty Katz gibt es keinen Ort und kein Grab, an dem sie ihrer gedenken können. Zwar befindet sich ihr Name auf einem Berliner Stolperstein, doch ein Straßenschild in jener Nachbarschaft, in der sie zuletzt lebte und wirkte, hätte eine wegweisende Wirkung.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Warum das Ringen um den Austausch der Straßenschilder derart lange gedauert hat, ist unklar. Im September 2022 war von der Bezirksverordnetenversammlung die Umbenennung beschlossen worden. Erst Ende November stimmten Grüne, SPD wie FDP im Kulturausschuss gemeinsam für eine Umbenennung der Treitschkestraße, die künftig den Namen Betty-Katz-Straße tragen wird. Allein die CDU hatte sich der Mitarbeit verweigert.

Mit dem Namen Betty Katz habe man an eine Frau aus der Steglitzer Nachbarschaft erinnern wollen

Dem vorausgegangen war im Juli eine Aufforderung an Anwohner, Vorschläge für einen neuen Namen einzureichen. 55 Vorschläge gingen ein, darunter Namen wie die der Schauspielerin Dora Diamant, der Historikerin und Philosophin Elisabeth Schmitz oder der Sozialdemokratin Emma Klara Döltz. Mit dem Namen Betty Katz habe man an eine Frau aus der Steglitzer Nachbarschaft erinnern wollen, die sich mit viel Engagement für die Bildung bedürftiger und behinderter Menschen eingesetzt habe, sagt die Kulturausschussvorsitzende Katharina Concu (FDP).

Ellinor Trenczek, Sprecherin für Bildung und Kultur der SPD, meint, es sei eine Erleichterung, der Straße nach langen Debatten nun endlich den neuen Namen geben zu können. Laut Carsten Berger, dem kulturpolitischen Sprecher der Grünen, sei die Umbenennung auch ein Symbol für die Werte unserer Gesellschaft, wie Res­pekt und Toleranz und die Vermeidung von Antisemitismus.

Dating

Auf Partnersuche

Matchmaking mit Olami Germany – ein Ortsbesuch

von Jan Feldmann  23.12.2025

München

Ein kraftvolles Statement

Beim Gemeindewochenende nahmen zahlreiche Mitglieder an Diskussionen, Workshops und Chanukka-Feierlichkeiten teil

von Esther Martel  23.12.2025

Immobilie

Das jüdische Monbijou

Deutschlands derzeit teuerste Villa auf dem Markt steht auf Schwanenwerder und soll 80 Millionen Euro kosten. Hinter dem Anwesen verbirgt sich eine wechselvolle Geschichte

von Ralf Balke  22.12.2025

Erfurt

Die Menschen halfen einander

Pepi Ritzmann über ihre Kindheit in der Gemeinde, ihre Familie und Antisemitismus. Ein Besuch vor Ort

von Blanka Weber  22.12.2025

Geburtstag

Holocaust-Überlebender Leon Weintraub wird 100 Jahre alt

Dem NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau entkam Leon Weintraub durch eine Augenblicks-Entscheidung. Heute warnt er als Zeitzeuge in Schulklassen vor Rechtsextremismus. Am 1. Januar feiert er seinen 100. Geburtstag

von Norbert Demuth  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025