Berlin

Wechselbad der Gefühle

Auf Einladung der WIZO las Alice Brauner aus ihrem Buch. Der Erlös des Abends kommt Frauen in Israel zugute

von Christine Schmitt  08.11.2021 15:24 Uhr

Alice Brauner Foto: Christine Schmitt

Auf Einladung der WIZO las Alice Brauner aus ihrem Buch. Der Erlös des Abends kommt Frauen in Israel zugute

von Christine Schmitt  08.11.2021 15:24 Uhr

Wer dachte, dass Alice Brauner bei der WIZO-Veranstaltung einfach nur ein paar Kapitel aus ihrem jüngsten Buch »Also dann in Berlin…« vorlesen würde, ein paar Fragen beantworten und man dann rasch nach Hause gehen würde, hatte sich getäuscht. Ja, die Autorin las einige Kapitel über ihre Eltern, Maria und Artur Brauner, vor. Nein, es gab keine Gelegenheit, sie zu befragen. Denn dieser Abend war ein Wechselbad der Gefühle – und somit ganz im Sinne der Familie Brauner.

Fotos aus dem Leben von und mit »Atze« und Maria Brauner flackern immer wieder über die Leinwand. Dann tritt Laura Rosen, die Nichte von Alice Brauner, zusammen mit Boris Rosenthal am Keyboard auf. »Was wäre ein Brauner-Abend ohne Gesang und ohne russische Lieder«, sagt sie. Sie sei aber keine professionelle Sängerin, wehrt sie ab. Und gibt ein paar Lieder aus dem Leben des Ehepaares zum Besten, sodass jeder einen guten Eindruck bekam, wie in der Familie gefeiert wird.

ÜBERLEBEN Schließlich tritt Alice Brauner ins Scheinwerferlicht und nimmt Platz im Sessel. »Ich bemühe mich, nicht so emotional zu werden«, sagt die Autorin, Filmproduzentin und Historikerin. Ihre Eltern seien für sie mit als die wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Sie bezeichnet sie als »Jahrhundertmenschen«, denen sie in dem Buch ein Denkmal gesetzt hat.

Das Buch erzählt die Geschichte von großem Kino und einer großen Liebe.

Die knapp 350 Seiten geben eine Geschichte vom Überleben wieder. Sie erzählen von großem Kino und halten eine große Liebe fest, nämlich das Leben des legendären Filmproduzenten Artur »Atze« Brauner und seiner Frau Maria, der ehemaligen Sozialdezernentin und Patientenfürsprecherin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Gleichzeitig ist es eine Geschichte vom Überleben im Krieg und dem Traum, Hollywood nach Berlin zu holen.

TAGEBUCH Als Grundlage der Biografien ihrer Eltern gibt Alice Brauner das Tagebuch ihres Großvaters an. Sie zitiert daraus einige Passagen, die vor allem die Situation nach der Machtübernahme im polnischen Lodz durch die Nazis schildern. Ebenso bezieht sie sich auf ein Interview, das sie mit ihrer Mutter geführt hat, die in Lemberg aufwuchs.

Während es sehr still ist unter den etwa 50 Zuhörern, als Alice Brauner die Flucht während der Schoa und das Kennenlernen ihrer Eltern in Szczecin beschreibt, das damals noch Stettin hieß, als sie sich versprechen, einander in Berlin wiederzutreffen, bringt die Autorin ihre Zuhörerinnen und Zuhörer an anderen Stellen zum Lachen.

Beispielsweise, wenn sie erzählt, dass ihrem Vater bei der Produktion eines Filmes der Etat nicht gereicht hat, um viele Pferde von der Kamera einfangen zu lassen und er deshalb die Tiere von einer Seite anmalen ließ, damit sie hin- und herlaufen und es so nach einer großen Herde aussehe.

Oder dass Atze Brauners Autos mindestens zehn Jahre alt sein mussten, damit sie ihm gefielen, oder er an einem Abend aus den Filmstudios in die Wohnung nach Hause kommen wollte und nur noch eine Hausangestellte beim Fegen der leeren Räume antraf: Er hatte vergessen, dass die Familie an diesem Tag umzog.

FILMPRODUZENT Ein Thema ist für sie auch das Verhältnis, das sie zu ihrem Vater auf professioneller Ebene hatte: von Filmproduzent zu Filmproduzentin. »Einmal sagt er über einen Streifen von mir: ›Leider gut‹ «, sagt sie schmunzelnd.

Doch dann schlägt die 55-Jährige wieder ernste Töne an und berichtet von der letzten Lebensphase ihrer Eltern. »Ihr Sterben hat mir den Boden unter meinen Füßen weggezogen«, sagt sie und verliert die Fassung. »Das passiert mir an dieser Stelle immer«, setzt sie gleich nach.

»WIZO Safety« soll Frauen mit Gewalterfahrung eine sichere Unterkunft bieten – und eine Perspektive.

Zu Beginn der Veranstaltung wurde noch das neue WIZO-Projekt vorgestellt, für das der Erlös des Abends geplant ist. In Zeiten des Lockdowns gab es immer mehr Frauen und Kinder, auch in Israel, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden. Deshalb hat die Wohltätigkeitsorganisation nun »WIZO Safety« ins Leben gerufen und möchte den Frauen damit eine sichere Unterkunft bieten – und schließlich auch eine Perspektive. Derzeit leistet WIZO in vier Zentren diese Hilfe und unterstützt etwa 80 Frauen und 200 Kindern.

Übrigens: Alice Brauner verzichtete auf ein Honorar für die Lesung. Sie spendet ihre gesamten Erlöse aus der Publikation an die israelische Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem sowie an das Deutsche Filminstitut & Filmmuseum in Frankfurt am Main, in dem sich das Artur-Brauner-Archiv befindet.

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024

Berlin

Pulled Ochsenbacke und Kokos-Malabi

Das kulturelle Miteinander stärken: Zu Besuch bei Deutschlands größtem koscheren Foodfestival

von Florentine Lippmann  17.04.2024

Essay

Steinchen für Steinchen

Wir müssen dem Tsunami des Hasses nach dem 7. Oktober ein Miteinander entgegensetzen

von Barbara Bišický-Ehrlich  16.04.2024

München

Die rappende Rebbetzin

Lea Kalisch gastierte mit ihrer Band »Šenster Gob« im Jüdischen Gemeindezentrum

von Nora Niemann  16.04.2024

Jewrovision

»Ein Quäntchen Glück ist nötig«

Igal Shamailov über den Sieg des Stuttgarter Jugendzentrums und Pläne für die Zukunft

von Christine Schmitt  16.04.2024

Porträt der Woche

Heimat in der Gemeinschaft

Rachel Bendavid-Korsten wuchs in Marokko auf und wurde in Berlin Religionslehrerin

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.04.2024