Likrat

»Warum haben Juden keinen Papst?«

Schüler des St. Benno-Gymnasiums beim Treffen mit zwei Likratinos Foto: Wolfram Nagel

Sie sind zu acht, haben den Leistungskurs Religion belegt und sich für eine Unterrichtsstunde der besonderen Art angemeldet. Auf dem Stundenplan der Klasse des katholischen St. Benno-Gymnasiums in Dresden stand am vergangenen Freitag: Kennenlernen. Und zwar Benny aus Hamburg und Sofie aus Berlin. Beide sind jüdisch.

Die Schüler sitzen im Kreis und gehen ganz im Sinne des hebräischen Wortes »Likrat« aufeinander zu. Gefragt werden darf und soll alles. Und genau das machen die Schüler auch. Wart ihr schon in Israel? Wie oft erlebt ihr Antisemitismus? Wie religiös seid ihr? Wo kommen eure Eltern und Großeltern her? Oder: Warum haben Juden keinen Papst?

Mazze Die Antwort sei ganz einfach, erklärt Benny. »Juden entscheiden selbst.« Niemand stehe zwischen ihnen und Gott. Es gebe zwar Rabbiner, die religiöse Entscheidungen treffen, und es gibt ein Oberrabbinat in Israel. Aber letztendlich sei jeder für sein Tun selbst verantwortlich, bestätigt Sofie, reicht koschere Gummibärchen und ein Paket Mazze herum. Die Jungs dürfen sich eine Kippa aufsetzen. Und so sieht die Runde plötzlich ziemlich jüdisch aus.

Das katholische St. Benno-Gymnasium in Dresden ist beinahe schon eine ideale Schule für das »Likrat«-Projekt des Zentralrats der Juden. Die christliche Religion gehört ohnehin zum Curriculum, ebenso wie Latein. Aber auch Judentum und Islam haben nicht nur einen Platz auf dem Gang, wo Modelle von Moscheen – Schülerarbeiten aus Papier – in einer Vitrine ausgestellt sind.

Am schwarzen Brett hängt ein Plakat der evangelischen Friedensbibliothek Berlin-Brandenburg über Opfer der Schoa mit dem Titel »Der gelbe Stern«. Und seit Jahren unterrichtet an der Schule auch die jüdische Künstlerin Marion Kahnemann. Trotz anstehender Winterferien hat sie den Weg für das Seminar geebnet.

Doppelstunde Susanna Backes leitet den Leistungskurs. Sie findet es spannend, wie Jugendliche sich ganz persönlich für die eine oder andere Religion interessieren. Das sei bei christlichen Jugendlichen offenbar nicht anders als bei jüdischen, sagt sie nach der Doppelstunde.

Viele Schüler des Gymnasiums leben in konfessionell unterschiedlich geprägten Familien. Evangelisch-katholisch oder christlich-atheistisch. Benny und Sofie berichten von ganz ähnlichen Erfahrungen. Sie nennen das Patchwork. Ihrer beider Eltern und Großeltern hätten in der Sowjetunion gelebt. Sie als Enkel würden sich nun selbstbewusst als Juden verstehen.

Zum Jüdischsein gehöre natürlich auch die Sprache, sagt Sofie, die in Berlin eine jüdische Schule besucht. Mit Kreide hat sie schon zu Beginn die Namen Benjamin und Sofie auf Hebräisch an die Tafel geschrieben. Die beiden jüdischen Gäste erzählen, wie schwer es ist, immer alle Gebote und Verbote einzuhalten. Aber sie versuchen es zumindest. Wirklich immer koscher zu essen, gehöre mit dazu.

Tefilin Ein Schüler möchte wissen, wie ein jüdischer Alltag aussieht. Er als Christ gehe zwar manchmal in die Kirche, aber das war’s schon. »Das beginnt mit einfachen Dingen«, sagt Benny und reicht seine Gebetsriemen in die Runde. Mit den Tefillin für Kopf und Arm fange bei ihm jeder Tag an. Sofie erklärt an der Tafel, warum eine Menora sieben und eine Chanukkia acht Lichter plus einen Schamasch besitzt.

Ein Thema beschäftigt die Schüler besonders: Israel. Noch in diesem Schuljahr reist der Leistungskurs ins Heilige Land. Da Sofie und Benny schon mehrfach ihre Verwandten dort besucht haben, können sie auch da viele Tipps geben.
Etwa, wie schön es in der Altstadt von Jerusalem ist: Denn dort kann man Israel – vielleicht – am besten kennenlernen.

www.likrat.de

Berlin

Gedenkort für früheres jüdisches Altenheim gefordert

Die Einrichtung stand dort, wo sich heute das Haus der Statistik befindet

 11.02.2025

Aufruf

Bündnis »Zusammen für Demokratie« startet bundesweite Aktion

Ein breites Bündnis setzt auf Banner mit klaren Botschaften - auch der Zentralrat der Juden in Deutschland macht mit

 11.02.2025

Düsseldorf

Jüdische Zukunft: Panel-Diskussion mit Charlotte Knobloch

Auf dem Podium sitzen auch Hetty Berg, Armin Nassehi und Philipp Peyman Engel

 11.02.2025

Pädagogik

»Synergien schaffen«

Shila Erlbaum über die nächste Fachtagung der Religionslehrer, didaktische Fragen und Feedback

von Katrin Richter  10.02.2025

Düsseldorf

Verlegerin der ersten Stunde

Gemeinsam mit ihrem Mann gab Lilli Marx das »Jüdische Gemeindeblatt für die Britische Zone« heraus. Nun zeigt eine Ausstellung die Lebensgeschichte der Publizistin

von Jan Popp-Sewing  09.02.2025

Porträt der Woche

Die Rohstoff-Rebellin

Viktoria Kanar hat eine Firma gegründet, um Textilabfall zu recyceln

von Gerhard Haase-Hindenberg  09.02.2025

Ortstermin

Warum ein syrischer Kurde in Freiburg ein israelisches Restaurant eröffnet hat - trotz allem

Eine Geschichte von Mut und Haltung

von Anja Bochtler  09.02.2025

Frankfurt

Sein Leben, ihre Bühne

Die WIZO lud zu einer Aufführung von Georg Kreislers Stück »Heute Abend: Lola Blau«

von Laura Vollmers  09.02.2025

Engagement

Süße Toleranz

»move2respect« heißt ein neues Projekt, das jüdische und muslimische Jugendliche zusammenbringt. Eine erste Begegnung gab es beim Pralinenherstellen in Berlin

von Frank Toebs  06.02.2025