Knapp die Hälfte der Lehrer an den Schulen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin haben am Donnerstag ganztätig die Arbeit niedergelegt. Ziel des Warnstreiks war eine bessere Entlohnung der Lehrkräfte, wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin am Donnerstag mitteilte. Aufgrund der schlechten Bedingungen würden Lehrer den jüdischen Schulen vermehrt den Rücken kehren, während die Schülerzahl deutlich ansteige.
Den Angaben zufolge fiel der Unterricht an der Heinz-Galinski-Schule (HGS) komplett aus, während das Jüdische Gymnasium Moses Mendelssohn versuchte, einen Notdienst zu organisieren, berichtete Udo Mertens von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bei einer Pressekonferenz am Vormittag.
Die Gesamtelternvertreter der HGS hatten zuvor dazu aufgerufen, die Kinder zu Hause zu lassen, falls es möglich ist. Außerdem teilten sie mit, dass die Eltern die Forderungen der Lehrer zu 100 Prozent unterstützen. Etliche Eltern hatten zudem angekündigt, am Donnerstagabend zur Repräsentantenversammlung zu kommen, um die Situation an der HGS als Thema in die Tagesordnung aufnehmen zu lassen.
Tarif Mit dem Warnstreik wollten die Lehrer die Aufnahme neuer Tarifverhandlungen mit der Jüdischen Gemeinde erreichen, hieß es. Konkret würden eine höhere Eingruppierung bei der Bezahlung sowie bessere Einkommens- und Arbeitsbedingungen der Pädagogen an jüdischen Schulen gefordert. Es gebe an beiden Schulen keine verbindlichen Regelungen der Arbeits- und Entgeltbedingungen. Zusagen seien nicht eingehalten worden, und es gebe keinerlei demokratische Beteiligung der Beschäftigten.
GEW-Vertreter Udo Mertens gab an, im Mai Gideon Joffe, den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, wiederholt zur Aufnahme von Tarifverhandlungen aufgefordert zu haben. »Aber bisher hat er weder auf die Bitte nach Rückruf noch auf unsere Schreiben reagiert«, sagte Mertens am Donnerstag auf der GEW-Pressekonferenz. Er werde ihn nun erneut anschreiben. Wenn es zu keinem Gespräch in der nächsten Zeit kommen sollte, werde es längere Streiks geben, kündigte Mertens an.
»Die Kollegen leisten täglich engagierte, kompetente und wichtige Arbeit. Wir fordern eine Bezahlung analog den für Tarifbeschäftigte des Landes Berlin geltenden Regelungen«, forderte auch Heike Zeisig von der GEW Berlin.
gehälter Bereits 2014 und 2015 hatte die GEW Berlin zu Streiks an den beiden Schulen aufgerufen. 2014 seien die Gehälter erhöht worden, aber nicht alle hätten gleich viel bekommen. Einige, zum Beispiel die Lehrer mit dem Zweiten Staatsexamen, hätten eine Zusage auf eine Erhöhung von zehn Prozent bekommen, die anderen von drei Prozent. Von 2002 bis 2014 hätte es überhaupt keine Erhöhung gegeben. Dazu komme noch, dass es seit 2008 keine Betriebsrente mehr gebe. So verdiene ein Lehrer an der jüdischen Schule weniger und müsse im Alter eine niedrigere Rente in Kauf nehmen.
Auch der demokratische Umgang wurde bemängelt, beispielsweise gebe es zwar einen Vertrauensrat, der aber bei den letzten Entscheidungen – wie beispielsweise bei der fristlosen Kündigung der beiden Schulleiterinnen – nicht informiert wurde und auch kein Votum abgeben konnte. Das Arbeitsgericht hat den Fall der Schulleiterinnen nun entschieden: Es wurde ein Vergleich geschlossen, die Gemeinde muss eine Abfindung von jeweils 60.000 Euro zahlen und alle Abmahnungen in den Personalakten zurücknehmen. Allerdings kann die Gemeinde noch Revision einlegen.
»Die Eltern haben uns bei unserem Warnstreik sehr unterstützt«, sagt Mertens. Einige hätten sogar Brezeln und Bagels zu den Streikenden an der HGS gebracht.
dilemma Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, hatte zuvor eingeräumt, dass die Lehrer und Erzieher an jüdischen Einrichtungen über zwölf Jahre keine Gehaltserhöhungen erhalten hätten. In der Juni-Ausgabe »Jüdisches Berlin« verwies er darauf, dass fast alle Lehrkräfte an Privatschulen weniger verdienen als ihre Kollegen an öffentlichen Schulen, weil der Staat nur 93 Prozent des Lehrergehalts an Schulen in freier Trägerschaft übernehme. Die übrigen Ausgaben würden in der Regel durch Schulgebühren finanziert.
Weiter verwies Joffe darauf, dass die jüdischen Schulen mit einem Mindestschulgeld von 33 Euro monatlich zu den günstigsten Privatschulen Berlins gehörten. Diese Einnahmen reichten nicht aus, um die Lehrergehälter zu ergänzen und alle weiteren Schulkosten aus eigener Tasche zu finanzieren.
»Der Vorstand steht vor einem Dilemma: Sollen wir die Gehaltserhöhungen der Lehrer durch Schulgelderhöhungen finanzieren? Damit würden wir viele sozial schwächere Kinder von der Schule ausschließen. Belassen wir es bei den kleinen Schulgeldbeiträgen, können wir mit den Gehältern an öffentlichen Schulen nicht mithalten«, so Joffe.
Trotz der Gehaltslücke sei die Attraktivität der jüdischen Schulen für Schüler und Lehrer ungebrochen, betonte der Gemeindevorsitzende. Zu den Vorteilen zähle unter anderem das gute Schulklima, kleine Klassengrößen und mehr Ferientage als an öffentlichen Schulen. (mit epd)