München

Vorbild und Inspiration

Es war, als wollte der bayerische Himmel mitfeiern, so makellos und weiß-blau erstrahlte er am Wochenende über der Heimatstadt einer besonderen Jubilarin.

Anlässlich des 90. Geburtstags von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, hatte sich die IKG herausgeputzt, zum großen Festakt schritten Hunderte hochkarätige Gäste über den roten Teppich in die festlich geschmückte Hauptsynagoge »Ohel Jakob«.

Seit 1985 steht Charlotte Knobloch an der Spitze der Israelitischen Kultusgemeinde.

Um ihre langjährige Präsidentin zu feiern, hatte die Kultusgemeinde alle Register gezogen. Seit 1985 steht Charlotte Knobloch an der Spitze der IKG, dabei hatte sie zunächst gar nicht damit gerechnet, das Amt bekleiden zu können, wie sie in einer Pressekonferenz vorab im Gemeindezentrum berichtete. Eine Präsidentin in einer orthodoxen jüdischen Gemeinde? Nicht die erste oder gar größte Hürde, die sie in ihrem langen Leben überwunden hat.

familie Den Wirbel um ihren Geburtstag habe sie eigentlich vermeiden wollen. Der Vorstand sei es schließlich gewesen, der sie überredet habe, sagte sie – »es ist ja nur einmal«. Und so durfte die Gemeinde doch noch ein rauschendes Fest für Charlotte Knobloch ausrichten. Den eigentlichen Geburtstag hatte sie am Samstag im Kreis der Familie gefeiert, auch am Sonntag waren die Kinder und Enkel selbstverständlich mit von der Partie. Dazu kamen viele illustre Gäste aus Politik und allen Bereichen der Gesellschaft.

Ebenfalls gekommen waren die ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und Günther Beckstein sowie Altbundespräsident Horst Köhler, der wie Stoiber bereits 2006 zur Eröffnung der Hauptsynagoge gesprochen hatte. Auch mehrere Mitglieder der Staatsregierung und das Oberhaupt des Hauses Wittelsbach, Herzog Franz von Bayern, ließen sich diesen besonderen Abend nicht entgehen. Dazu kamen zahlreiche andere Wegbegleiter, darunter Hans-Joachim Heßler, Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, und IOC-Präsident Thomas Bach.

Den Wirbel um ihren Geburtstag habe sie eigentlich vermeiden wollen, sagte die Jubilarin.

Einen besonderen Akzent setzte die Anwesenheit von Jürgen Nägelein, dem Bürgermeister von Arberg – jenem Ort, in dem die junge Charlotte Neuland unter dem Schutz der Familie Hummel den Holocaust überlebt hatte.

Zahlreich vertreten war das konsularische Korps, repräsentiert unter anderem durch die Generalkonsuln der Vereinigten Staaten, Israels und der Ukraine. Mit Uli Hoeneß und Oliver Kahn machte auch die Spitze des FC Bayern dem langjährigen FCB-Fan Charlotte Knobloch die Aufwartung. Während die Schauspielerin Maria Furtwängler durch den Abend führte, brachte Starviolinistin Anne-Sophie Mutter der Jubilarin ein besonderes Geschenk dar, indem sie den Festakt mit Stücken von Mendelssohn Bartholdy, Previn und Bach virtuos begleitete.

dank In seiner Begrüßung bedankte IKG-Vizepräsident Yehoshua Chmiel sich ausdrücklich bei den in großer Zahl anwesenden Polizisten, insbesondere den Personenschützern, die über die Jahre für die Sicherheit von Charlotte Knob­loch gesorgt haben. »Wisse, vor wem du stehst«, heiße es zwar über dem Toraschrein in der Synagoge, aber: »Wir alle wissen, für wen wir heute da sind.« Anschließend gratulierte auch Gemeinderabbiner Shmuel Aharon Brodman.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte in seiner Festrede, wie sehr Charlotte Knoblochs Rede zum Holocaustgedenktag 2021 im Bundestag ihn beeindruckt habe, in der sie sich als »stolze Deutsche« bezeichnet hatte. Den Schutz der Juden in Deutschland wollte er deshalb als Auftrag ebendieser stolzen Deutschen an ihre Regierung verstanden wissen.

Danach überbrachte Ministerpräsident Markus Söder in launiger Art seine Grüße: Charlotte Knobloch sei zwar »keine Riesin«, aber eine Person mit einem großen, tapferen Herzen, »und das macht den Menschen Mut«. »Sie sind ein Fixstern an unserem bayerischen Firmament«, sagte er an die IKG-Präsidentin gerichtet.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, überbrachten in ihren Reden ebenfalls sehr persönliche Glückwünsche und würdigten das Lebenswerk der Jubilarin auch für die Stadt München und das Judentum in Deutschland insgesamt.

applaus Zum Abschluss ergriff die Geehrte unter stehendem Applaus selbst das Wort und ließ es sich nicht nehmen, allen Gratulanten zu danken. Das Fest, das ihr bereitet wurde, sei für sie nicht nur eine Ehre, sondern eine »unbandige Freude«: »Ich feiere gerne, und ich liebe es, das Leben zu spüren.«

Ein besonderes Glück bedeute für sie die Anwesenheit ihrer Familie, die im Mittelpunkt ihres Lebens stehe. »Diese Welt ist nicht sicher«, sagte Charlotte Knobloch, die auch Beauftragte des Jüdischen Weltkongresses für Holocaust-Gedenken ist. »Sie hat mich geprägt, aber sie hat mich nicht gebrochen.« Auf die 90 Jahre ihres Lebens blicke sie als Aneinanderreihung von Wundern und als Segen im Kreise ihrer Freunde und Familie zurück.

Den Bau des Jüdischen Zentrums sieht die IKG-Präsidentin als einen ihrer größten Erfolge.

Nach Ende des Festakts lud die Gemeinde noch zu einem Empfang im Gemeindezentrum, der mit weiteren Überraschungen für die IKG-Präsidentin einherging. Den Anfang machte Roman Grinberg, dessen Swingtett für die musikalische Untermalung sorgte, mit der Uraufführung eines eigens zu diesem Anlass komponierten Geburtstagsliedes.

videogruß Direkt im Anschluss schickte Altoberbürgermeister Christian Ude, der aufgrund einer lange vereinbarten Veranstaltung erst später zur Feier hinzustoßen konnte, der Jubilarin einen Videogruß aus dem voll besetzten Prinzregententheater. Seiner Gratulation schloss sich das dortige Publikum mit minutenlangen Standing Ovations an. Ude war als Münchner Oberbürgermeister gemeinsam mit Charlotte Knobloch treibende Kraft hinter dem Bau des Jüdischen Zentrums gewesen.

Dieses Zentrum, so hatte Charlotte Knob­loch eingangs in der Pressekonferenz betont, sehe sie bis heute als einen ihrer größten Erfolge: »Es war ein Traum, der wahr geworden ist.« Der Ort, die unzähligen Freunde und Weggefährten, denen die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in ihrem langen Leben Vorbild und Inspiration geworden ist, und nicht zuletzt die große Familie: Sie alle bilden gemeinsam das Lebenswerk einer großartigen Frau.

So war es ein anrührender, ein fröhlicher, ein beschwingter und auch nachdenklicher Abend, der zu Klezmer-Swing allmählich ausklang, während der nun sternenklare bayerische Himmel sich über das Dach der Münchner Synagoge spannte.

Architektur

Wundervolles Mosaik

In seinem neuen Buch porträtiert Alex Jacobowitz 100 Synagogen in Deutschland. Ein Auszug

von Alex Jacobowitz  17.10.2025

Nova Exhibition

Re’im, 6 Uhr 29

Am 7. Oktober 2023 feierten junge Menschen das Leben. Dann überfielen Hamas-Terroristen das Festival im Süden Israels. Eine Ausstellung in Berlin-Tempelhof zeigt den Horror

von Sören Kittel  17.10.2025

Meinung

Entfremdete Heimat

Die antisemitischen Zwischenfälle auf deutschen Straßen sind alarmierend. Das hat auch mit der oftmals dämonisierenden Berichterstattung über Israels Krieg gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas zu tun

von Philipp Peyman Engel  16.10.2025

Erinnerung

Gedenken an erste Deportationen aus Berlin am »Gleis 17«

Deborah Hartmann, Direktorin der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, warnte mit Blick auf das Erstarken der AfD und wachsenden Antisemitismus vor einer brüchigen Erinnerungskultur

 16.10.2025

Bonn

Hunderte Menschen besuchen Laubhüttenfest

Der Vorsitzende der Synagogen-Gemeinde in Bonn, Jakov Barasch, forderte mehr Solidarität. Seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hätten sich hierzulande immer mehr Jüdinnen und Juden aus Angst vor Übergriffen ins Private zurückgezogen

 13.10.2025

Hamburg

Stark und sichtbar

Der Siegerentwurf für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge steht fest

von Heike Linde-Lembke  09.10.2025

München

Mut in schwieriger Zeit

Der Schriftsteller und Historiker Rafael Seligmann stellte im Gespräch mit Christian Ude sein neues Buch im Jüdischen Gemeindezentrum vor

von Nora Niemann  09.10.2025

Halle

Erinnerung an Synagogen-Anschlag vor sechs Jahren

Am 9. Oktober 2019 hatte ein Rechtsterrorist versucht, in die Synagoge einzudringen, scheiterte aber an der Tür. Bei seiner anschließenden Flucht tötete er zwei Menschen

 09.10.2025

Daniel Donskoy

»Ich liebe das Feuer«

Der Schauspieler hat mit »Brennen« einen Roman über die Suche nach Freiheit und Freundschaft geschrieben. Ein Interview

von Katrin Richter  09.10.2025