Rheinland-Pfalz

Viele Köche verbessern den Brei

Es duftet himmlisch, von Minute zu Minute ein bisschen mehr. In der Profiküche von Frank Buchholz in Mainz-Gonsenheim ist eine ganz spezielle »Kochbrigade« am Werk. Denn ein mediterranes Buffet im »kosher style« steht auf dem Plan, konzipiert und persönlich angeleitet vom deutsch-israelischen Starkoch Tom Franz.

Anlass ist eine Würdigung der Staatsgründung Israels vor 75 Jahren durch den rheinland-pfälzischen Landtag. Das kann man mit einer offiziellen Feierstunde tun – oder eben mit einer unkonventionellen Kochaktion wie dieser.

Die Vorgeschichte: Israels Generalkonsulin Carmela Shamir in München hatte sich an die süddeutschen Bundesländer gewandt und nachgefragt, ob man dieses Jubiläum nicht auf irgendeine Art feiern sollte. Aus Rheinland-Pfalz kam dann die Idee zum gemeinsamen Kochen – schließlich geht es auch um alltägliche Kontakte und das menschliche Miteinander. Eine Feierstunde im Landtag sollte das Ganze abrunden.

GRUPPE Ins Kochstudio hatte man junge Deutsche und Israelis eingeladen, die hierzulande studieren – eine handverlesene Gruppe, weil das Studio nur wenige Menschen »in Aktion« beherbergen kann. Auch wollten Carmela Shamir und weitere Konsulatsangehörige sowie der rheinland-pfälzische Landtagspräsident Hendrik Hering persönlich mitkochen.

Acht Köche und Köchinnen, stilecht mit schwarzer Schürze und Handtuch über der Schulter, versammelten sich also bei Tom Franz, um Gerichte wie Fisch-Kebab, Rote-Bete-Tahini, Lachs-Challa – ein aus Fisch geflochtener Zopf –, Hummus oder karamellisierte Sommerfrüchte mit Streuseln zuzubereiten.

Kochen sei neben Sport und Kultur etwas, was Menschen auf unkomplizierte Weise verbindet, darüber waren sich alle Beteiligten einig. Und obwohl die meisten sich eher als Hobbyköche und -köchinnen oder gar blutige Laien bezeichneten, kamen in kurzer Zeit äußerst schmackhafte Gerichte zustande. Ganz schnell war man zudem ins Gespräch gekommen – ob nun wirklich über die deutsch-israelischen Beziehungen, wie in der Pressemitteilung angekündigt, oder über ganz alltägliche Dinge.

ORGANISATION Die vier Studierenden waren in Kooperation mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Mainz ausgewählt worden. Marija aus Israel, mit aus München angereist, bereitete mit David aus der Pfalz einen leckeren bunten Salat zu. Er berichtete dabei von der Organisation für jüdische Studierende, die er mit anderen gerade für die Bundesländer Rheinland-Pfalz und das Saarland gründen will.

Carmela Shamir kochte mit Hendrik Hering, beim Knoblauchpressen wurde eine kleine Rückschau auf die Amtszeit der Konsulin gehalten. Und beim abschließenden Verzehr des Buffets herrschte eine sehr lockere und gelöste Stimmung, bevor man schließlich in den Landtag zur offiziellen Feier aufbrach.

Neben Sport und Kultur verbindet Kochen Menschen auf unkomplizierte Weise.

Eine besondere Lebensgeschichte hat der »Chefkoch« des Tages, Tom Franz. Der 50-jährige gebürtige Kölner fühlte sich von frühester Jugend an zum Judentum hingezogen, fuhr immer wieder zum Schüleraustausch nach Israel, leistete dort seinen Zivildienst ab und wanderte 2004 ganz dorthin aus. Er heiratete eine Israelin und konvertierte zum Judentum.

Der ausgebildete Jurist und begeisterte Hobbykoch gewann 2013 die Kochsendung MasterChef im israelischen Fernsehen, erreichte exorbitante Einschaltquoten und nutzte seine so errungene Popularität dazu, mittels Kochen und Essen völkerverbindend zu wirken. Mittlerweile Vater von vier Kindern, besitzt er in Israel bereits Promi-Status, hat mehrere Kochbücher und eine Autobiografie mit dem Titel Sehnsucht Israel. Mein Leben zwischen Kippa, Küche und Koriander veröffentlicht. Auch im deutschen Fernsehen zeigte Franz Präsenz, unter anderem in So isst Israel.

REZEPT Franz ist also durchaus ein Experte und konnte in Mainz viele Fragen beantworten. Er erklärte, warum das Kochstudio natürlich nicht als »koschere« Küche bezeichnet werden kann, aber man hier durchaus im koscheren Stil kochen könne, und wieso seine Küche so unterschiedliche Einflüsse vereine – schließlich hätten Einwanderer aus allen Ecken der Welt ihre Gerichte mitgebracht und das Essen so beeinflusst.

Landtagspräsident Hendrik Hering war begeistert von dem Konzept und freute sich über die ungewöhnliche und schmackhafte Abwechslung im politischen Alltag.

Mit Blick auf die vielen jungen Menschen aus beiden Ländern, die immer wieder über den Tellerrand blicken würden, betonte der Landtagspräsident: »Israel lehrt uns, was Freundschaft im Kern ausmacht. Denn das ist es, was auch Rheinland-Pfalz und Israel verbindet: nicht nur historische Verantwortung, sondern echte, gelebte Freundschaft.« Davon würden auch die vielen Austauschprogramme zeugen: Allein sieben Städte- sowie zehn Schulpartnerschaften zwischen israelischen und rheinland-pfälzischen Schulen gibt es.

VERBINDUNG Hinzu kommt ein florierender akademischer Austausch zwischen den Universitäten beider Länder, von dem sowohl Lehrende als auch Studierende profitieren – all das bildet weitere Facetten der Zusammenarbeit. Das Land Rheinland-Pfalz zeichnet zudem verantwortlich für die Einrichtung einer Israel-Professur an der Universität Mainz. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund Rheinland-Pfalz/Saarland steht in regelmäßigem Austausch mit der israelischen Gewerkschaft Histadrut.

Kontakte bestehen also auf vielen Ebenen. Zweifellos am Wichtigsten ist jedoch der zwischenmenschliche Austausch – wie an einem solchen Nachmittag an den Töpfen und Pfannen. Dass die Erinnerungskultur einen zentralen Platz in der Beziehung beider Länder einnimmt, ist offensichtlich.

Aber es gebe auch noch den Alltag, den »ganz normalen«, sagen die Teilnehmer. Und wie entspannt der aussehen kann, beweisen an diesem gelungenen Sommertag in Mainz alle, die rund um den Herd stehen.

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Neuer Staatsvertrag für jüdische Gemeinden in Sachsen-Anhalt

Das jüdische Leben in Sachsen-Anhalt soll bewahrt und gefördert werden. Dazu haben das Land und die jüdischen Gemeinden den Staatsvertrag von 2006 neu gefasst

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns wollen?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Berlin

Chanukka-Licht am Brandenburger Tor entzündet

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin das erste Licht am Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet. Der Bundespräsident war dabei

 15.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Berlin

Straße nach erster Rabbinerin der Welt benannt

Kreuzberg ehrt Regina Jonas

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Chanukkia

Kleine Leuchter, große Wirkung

Von der Skizze bis zur Versteigerung – die Gemeinde Kahal Adass Jisroel und die Kunstschule Berlin stellen eine gemeinnützige Aktion auf die Beine. Ein Werkstattbesuch

von Christine Schmitt  12.12.2025