Gedenkort

Viehtröge und Biografien

Auf dem neuen Campus der Hochschule Düsseldorf eröffnet in diesen Tagen ein Erinnerungsort. Foto: dpa

An welcher der mehr als 250 staatlichen Hochschulen Deutschlands gibt es einen Ort, an dem das staatlich verordnete Grauen der Schoa ein Dreivierteljahrhundert später anschaulich gemacht wird – also nicht nur erforscht, sondern auf emotional packende Weise vergegenwärtigt? Und an welchen der unzähligen Stellen in Deutschland, wo Juden in den frühen 40er-Jahren in die Todeszüge nach Osten verfrachtet wurden, findet man nicht nur Gedenktafeln, sondern eine Erinnerung, die diesen Namen auch verdient?

Auf diese Fragen gibt es jetzt eine Antwort: Auf dem neuen Campus der Hochschule Düsseldorf eröffnet in diesen Tagen ein Erinnerungsort. Gedacht wird des Schicksals der insgesamt fast 6000 niederrheinischen Juden, die in den Jahren von 1941 bis 1944 genau von diesem Ort aus in die Züge getrieben und dann in die Ghettos von Lodz und Minsk, Riga und Theresienstadt gebracht wurden.

eisenbahnzüge Sie alle waren aus Düsseldorf und Orten der Region an diesen Ort verschleppt worden, wurden einen Tag und eine Nacht lang unter entwürdigenden Bedingungen festgehalten, oft ausgeraubt und dann in die Eisenbahnzüge ins Verderben gesetzt. Überlebt hatten 1945 nur wenige von ihnen. Heute findet man keinen mehr, der vom eigenen Leid berichten kann.

Das Grauen begann genau an diesem Ort, an dem jetzt das neue Hochschulgebäude steht, das Bibliothek und IT-Einrichtungen beherbergt. Vor seinem Umbau war hier der Vieh- und Schlachthof der Stadt Düsseldorf.

In einem Interview erinnerte sich Werner Rübsteck, 1941 ein 14-jähriger Junge aus dem Dorf Hochneukirch bei Grevenbroich: »Eigentlich hat es auf dem Schlachthof bei mir klick gemacht, ich hatte gefühlt, wo es hingeht« – und zwar in ein unbeschreibliches Martyrium, aus dem Rübsteck als einziger aus seiner Familie lebend zurückkehrte.

Von der Schoa wollte lange keiner etwas hören, auch die Überlebenden oft nicht. Erst 1997 wurde Rübsteck interviewt, und seine Worte sind jetzt am Erinnerungsort dokumentiert, zusammen mit zahlreichen, oft anrührenden Zeugnissen über das Leben und das Leid der niederrheinischen Juden.

exponate Der Sozialwissenschaftler Joachim Schröder hat zusammen mit seinem Team die Ausstellung aufgebaut. Die Schau präsentiert Schriftstücke, Fotos und Kurzbiografien von etwa 100 der hier Gequälten. Einige Exponate sprechen eine besonders deutliche Sprache: Es handelt sich um Steintröge, im Schlachthof einst als Viehtränken aufgestellt. In den schrecklichen Nächten vor der Abfahrt der Deportationszüge dienten sie als improvisierte Schlafplätze für jüdische Kleinkinder und Babys, denen die Mütter den kalten Steinboden des Schlachthofs ersparen wollten.

Mitarbeiter der Hochschule hatten sich kürzlich wegen der zu großen »seelischen Belastung« gegen die Installation der alten Viehtröge im Foyer der Bibliothek ausgesprochen – doch nun werden sie wie geplant gezeigt

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Neuer Staatsvertrag für jüdische Gemeinden in Sachsen-Anhalt

Das jüdische Leben in Sachsen-Anhalt soll bewahrt und gefördert werden. Dazu haben das Land und die jüdischen Gemeinden den Staatsvertrag von 2006 neu gefasst

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns wollen?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Berlin

Chanukka-Licht am Brandenburger Tor entzündet

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin das erste Licht am Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet. Der Bundespräsident war dabei

 15.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Berlin

Straße nach erster Rabbinerin der Welt benannt

Kreuzberg ehrt Regina Jonas

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Chanukkia

Kleine Leuchter, große Wirkung

Von der Skizze bis zur Versteigerung – die Gemeinde Kahal Adass Jisroel und die Kunstschule Berlin stellen eine gemeinnützige Aktion auf die Beine. Ein Werkstattbesuch

von Christine Schmitt  12.12.2025