Auf Initiative von Michael Fischbaum und in Zusammenarbeit mit den Bayerischen Staatsministerien der Justiz und des Innern ist im Münchner Justizpalast erstmals der Fritz-Neuland-Gedächtnispreis verliehen worden. Im Rahmen eines hochkarätigen Festakts wurden Andreas Franck, Zentraler Antisemitismusbeauftragter der Bayerischen Justiz, und die Arbeitsgruppe PRIOX des Polizeipräsidiums Unterfranken ausgezeichnet.
Der Preis erinnert an Fritz Neuland, einen jüdischen Rechtsanwalt aus München und den ersten Vizepräsidenten der im Juli 1945 wiedergegründeten Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG). An dieser Neukonstituierung war Neuland wesentlich beteiligt und amtierte später mehrfach als Präsident der Gemeinde.
In der Zeit des Nationalsozialismus hatte er die Großmutter des Preisstifters Michael Fischbaum vor der Verhaftung und Deportation ins Konzentrationslager gerettet. »In dunkler Zeit zeigte er das, was man heute Zivilcourage nennt«, so Fischbaum. »Er hat gerade dann Verantwortung übernommen, als es unangenehm wurde.« Auch Neulands Tochter, die heutige IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, erinnerte ausführlich an das Wirken ihres Vaters und würdigte die beiden Preisträger.
Andreas Francks kontinuierliche Arbeit als erster Antisemitismusbeauftragter der Bayerischen Justiz
Für Oberstaatsanwalt und Preisträger Andreas Franck, so Knobloch, sei »Antisemitismus nicht nur ein Problem unter vielen, um das sich gefälligst die jüdischen Menschen selbst kümmern sollen«. Francks kontinuierliche Arbeit als erster Antisemitismusbeauftragter der Bayerischen Justiz sei Ausweis seiner Überzeugung, »dass es eben nicht ausreicht, Gesetze gegen Hass und Hetze zu haben, solange diese nicht oder nur halbherzig angewendet werden«.
Auch Neulands Tochter, IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, erinnerte ausführlich an das Wirken ihres Vaters und würdigte die beiden Preisträger.
Dies war im vergangenen Jahr auch die Intention der Preisstiftung gewesen. Denn selbst wenn Judenhass primär die jüdischen Gemeinden treffe und ihre Mitglieder an Leib und Leben gefährde, müsse er doch als Problem der Mehrheitsgesellschaft verstanden werden, das den Zusammenhalt eines friedlichen Gemeinwesens unmöglich mache. Die Bekämpfung von Antisemitismus sei darum ein steter Auftrag an die Zivilgesellschaft ebenso wie zentrale Aufgabe für Polizei und Justiz.
Vor allem die tragende Rolle der Justiz im Rechtsstaat sei ihrem Vater zeitlebens ein Anliegen gewesen, erklärte Knobloch stolz: »Mein Vater war nicht nur ein deutsch-jüdischer Patriot und Demokrat im besten Sinne. Er war auch mit Herz und Seele Jurist. Er glaubte an das Recht und an die Menschen. Er glaubte auch daran, dass jüdisches Leben zu diesem Land gehört.«
»Es ist unsere Verantwortung, dass sich Jüdinnen und Juden in Bayern sicher fühlen können«
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich ging in seiner Laudatio auch auf die veränderte Situation seit dem 7. Oktober 2023 ein. Deutschland und die Welt erlebten seither die schlimmste Welle von Antisemitismus seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. »Es ist unsere Verantwortung, dass sich Jüdinnen und Juden in Bayern sicher fühlen können.«
Eisenreich hob die besonderen Leistungen von Andreas Franck hervor: Im Verbund mit den Antisemitismusbeauftragten der bayerischen Generalstaatsanwaltschaften sowie den Ansprechpartnern für antisemitisch motivierte Straftaten bei den 22 bayerischen Staatsanwaltschaften habe dieser zahlreiche Täter erfolgreich zur Rechenschaft ziehen und auch bundesweit Maßstäbe bei der Verfolgung antisemitisch motivierter Straftaten setzen können. Franck selbst antwortete auf seine Ehrungen bescheiden: »Die Auszeichnung macht mich nicht nur stolz, sondern vor allem demütig.«
Die Bekämpfung von Antisemitismus ist zentrale Aufgabe für Polizei und Justiz.
Die Arbeitsgruppe »Prävention in der Organisation gegen Extremismus« (AG PRIOX) des Polizeipräsidiums Unterfranken als zweiter Preisträger wurde in einer Laudatio vom bayerischen Innenminister Joachim Herrmann gewürdigt. Die Arbeitsgruppe besteht seit vier Jahren und hat es sich zum Ziel gesetzt, durch Workshops und Fortbildungen für die 480 Führungskräfte in der unterfränkischen Polizei präventiv gegen die Entstehung von Extremismus, Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung vorzugehen.
»Herausragendes Engagement« der Polizistinnen und Polizisten
Mit der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland arbeitete die AG PRIOX ebenfalls zusammen und etablierte bereits in kurzer Zeit eine bundesweite Gremien- und Netzwerkarbeit. Hermann lobte das »herausragende Engagement« der Polizistinnen und Polizisten, die sich zum Teil selbst für ihre Aufgaben fortgebildet hatten, und unterstrich die unbedingte Notwendigkeit, dem Antisemitismus weiter entschieden entgegenzutreten.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle, erinnerte zum Abschluss des Abends daran, dass die Nationalsozialisten ihre Verbrechen auch und besonders über das Recht hatten organisieren können: »Das Recht wurde zur Entrechtung benutzt.« Der von den Nationalsozialisten propagierte Erlösungsantisemitismus machte vor keiner Institution halt: »Alle haben von den Taten gewusst, das muss uns deutlich und klar sein.«
Auch nach Kriegsende konnten Hunderttausende Täter weiterleben, ohne eine Strafverfolgung fürchten zu müssen. Spaenle begrüßte, dass dieses Kapitel der bayerischen Nachkriegsgeschichte nun auch durch Aufklärungsarbeit beleuchtet werde. Der Auftrag für die Gegenwart bleibe dabei klar.