Mainz

Synagoge in 3D

Panorama der rekonstruierten Synagoge von 1853 Foto: monokl

Wer sich heute in Mainz im Bereich der Vorderen Synagogenstraße umschaut, findet nur wenige Spuren des einstigen jüdischen Viertels: eine Darstellung des ehemaligen Portals der 1853 erbauten Synagoge, maßstabsgetreu auf eine Glasplatte geätzt, und eine Gedenkplatte an den Bruchsteinen der Umfassungsmauer.

Doch nun kann man den Bereich zumindest virtuell erkunden – dank der neuen Mainz-App der mainzplus Citymarketing GmbH. Der von der Firma Monokl entwickelte Touristenführer arbeitet mit 3D-Rekonstruktionen. Gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde und dem Verein »Geographie für alle« wurden Synagoge, Judenwache, Judengasse und die dazugehörigen Wohnhäuser in 360-Grad-Panorama-Ansichten rekonstruiert.

Rekonstruktion Beeindruckend sind insbesondere die Rekonstruktionen der Außen- und der Innenansicht der nach Plänen des Mainzer Architekten Ignaz Opfermann entworfenen Hauptsynagoge. Sie ersetzte den Mitte des 17. Jahrhunderts errichteten Vorgängerbau, der baufällig und zu klein geworden war. Die Synagoge bot nun Platz für mehr als 750 Gläubige. App-Nutzer können die reiche orientalische Ausstattung, die seitlichen Rundbögen und die verzierte Decke bewundern und virtuell bis an den Toraschrein herantreten.

Der ganz in Weiß gehaltene Gebetsraum vermittelt einen Eindruck von der imposanten Gestaltung.

Die Rekonstruktion orientierte sich an Zeichnungen und Plänen im Stadtarchiv, die zum Teil bislang nicht digitalisiert waren. Die Synagoge diente der liberalen Gemeinde bis zur Einweihung der neuen Hauptsynagoge in der damaligen Bonifaziusstraße im Jahr 1912 als Gebets- und Versammlungsraum.

Danach wurde die Opfermann-Synagoge verkauft und bis 1937 als städtische Lagerhalle genutzt. In der Pogromnacht im November 1938 wurde das Gebäude geschändet, 1945 bei einem Bombenangriff weitgehend zerstört. Nach dem Krieg wurde die Ruine abgerissen.

Virtual Reality Nach Gutenberg und dem Römischen Mainz ist das alte Jüdische Viertel nun das dritte große stadthistorische Themenfeld, das die Nutzer der Mainz-App in 3D betrachten können. Die damaligen Straßenzüge sind in ihrem Umfang überschaubar. Von den einführenden Texten führt jeweils ein Button in den Bereich der Virtual Reality (VR). Zudem haben die Entwickler der App Geräusche hinzugefügt, wie man sie damals vielleicht gehört haben mag: Vogelgezwitscher und leise Schritte von Passanten sind zu hören. Eine versunkene Welt taucht so wieder auf.

Wegen der räumlichen Beschränkungen waren die Häuser häufig stark ineinander verschachtelt.

Die damaligen Straßenzüge waren 1662 auf Anordnung des Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn entstanden. Er wollte, dass die jüdische Bevölkerung nicht mehr in der Stadt verteilt, sondern »in einer Gasse beisammen wohnen« sollte.

»Judengasse« So entstand die »geschlossene« Judengasse, in der zunächst 20 Familien lebten. Die Wohnsituation war von großer Enge geprägt. Einige Wohnhäuser waren lediglich 3,60 Meter breit, dafür aber 15 Meter tief. Wegen der räumlichen Beschränkungen waren die Häuser häufig stark ineinander verschachtelt.

Im Laufe der Jahre stieg die Zahl der Familien, die hier wohnten, an, sodass eine zweite parallele Gasse, die »offene Judengasse«, eingerichtet wurde. Beide Straßenzüge bildeten ein Ghetto. Es wurde von der »Judenwache« begrenzt. Hier kontrollierten kurfürstliche Soldaten, wer die Gassen betrat oder verließ. Das Ghetto wurde 1797 unter der französischen Besatzung und mit der einsetzenden Emanzipation der jüdischen Bevölkerung offiziell aufgelöst. Viele Juden zogen in andere Teile der Stadt. Beide Straßenzüge bestanden aber noch bis zum Wiederaufbau von Mainz nach dem Zweiten Weltkrieg.

Tradition Anna Kischner, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mainz, zeigte sich bei der Präsentation der App erfreut »über die moderne Möglichkeit, auf die große jüdische Tradition der Stadt hinzuweisen«. Für die Jüdische Gemeinde sei es »ein weiterer Baustein unseres Auftrags, das jüdische Erbe zu konservieren, indem wir es für eine breite Öffentlichkeit zugänglich machen«.

Der Download und die Nutzung der Mainz-App auf Smartphone oder Tablet inklusive aller Module sind kostenlos. Wer möchte, kann das Virtual-Reality-Erlebnis durch eine VR-Brille verstärken.

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Berlin

Bebelplatz wird wieder zum »Platz der Hamas-Geiseln«

Das Gedenkprojekt »Platz der Hamas-Geiseln« soll laut DIG die Erinnerung an die 40 in Geiselhaft getöteten Israelis und an die 59 noch verschleppten Geiseln wachhalten

 28.04.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Zum Abschluss der Namenslesung vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße ist für den Abend ein Gedenken mit Totengebet und Kranzniederlegung geplant

 28.04.2025

Düsseldorf

Erinnerungen auf der Theaterbühne

»Blindekuh mit dem Tod« am Schauspielhaus stellt auch das Schicksal des Zeitzeugen Herbert Rubinstein vor

von Annette Kanis  27.04.2025

Hanau

Jüdische Gemeinde feiert Jubiläum

»Im Grunde genommen ist es mit das Größte und Schönste, was eine Gemeinde machen kann: eine neue Torarolle nach Hause zu bringen«, sagt Gemeinde-Geschäftsführer Oliver Dainow

 25.04.2025

Begegnung

Raum für das Unvergessene

Jede Woche treffen sich Schoa-Überlebende im Münchner »Café Zelig«, um Gemeinschaft zu finden im Schatten der Geschichte. Ein Ortsbesuch

von Katrin Diehl  23.04.2025

Interview

»Das Gedenken für Jugendliche greifbar machen«

Kurator Pascal Johanssen zur neuen Ausstellung im ehemaligen Jüdischen Waisenhaus in Pankow

von Gerhard Haase-Hindenberg  21.04.2025

Porträt der Woche

Austausch mit Gleichen

Maria Schubert ist Gemeindesekretärin in Magdeburg und tanzt gern

von Alicia Rust  18.04.2025