Sport

Spiele mit Geschichte

Sportler von Makkabi Polen beim Langlauf bei den zweiten Makkabi-Winterspielen in Banská Bystrica; im Februar 1936 trafen sich jüdische Athletinnen und Athleten, um gemeinsam Sport zu treiben. Foto: Jüdisches Museum Berlin

Es fällt auf den ersten Blick nicht leicht, zwischen der Makkabi-Bewegung und dem Wintersport einen Zusammenhang herzustellen. Die Makkabiah, die »jüdische Olympiade«, die seit 1932 in Israel stattfindet, verbindet man wohl eher mit Sonne, Hitze und Durst und kaum mit Wettkämpfen auf Schnee und Eis.

Aber bereits vor dem Ersten Weltkrieg betrieben jüdische Turn- und Sportvereine Wintersport, wie zahlreiche Berichte in den Vereins- und Verbandsorganen zeigen. Schon kurz nach der ersten Makkabiah 1932 beschloss die Makkabi-Weltunion, auch eine Winter-Makkabiah zu gründen. Dabei bezogen sich die Verantwortlichen ausdrücklich auf die seit 1924 ausgetragenen Olympischen Winterspiele als Vorbild.

Wagnis Die erste Winter-Makkabiah fand vom 2. bis 5. Februar 1933, wenige Tage nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten in Deutschland, im polnischen Zakopane am Fuße der Hohen Tatra statt. Das malerische Städtchen hatte bereits 1927 die 6. Ski-Weltmeisterschaften ausgerichtet. Für die Organisation verantwortlich war Makkabi Polen, der größte Teilverband in der Makkabi-Weltunion (MWU), der dazu in Krakau eigens ein Büro einrichtete. Die Spiele waren, ebenfalls wie die Makkabiah im Jahre zuvor, angesichts der anhaltenden weltweiten Wirtschaftskrise ein ökonomisches und sportpolitisches Wagnis.

Verbote Von den elf Ländern, die ihre Teilnahmebereitschaft zunächst bekundet hatten, blieben letztlich acht übrig. Die Italiener und Ungarn mussten wegen des Verbots ihrer Regierungen absagen, andere zogen sich aus finanziellen Gründen wieder zurück. Der Palästinensische Makkabi-Kreis hatte verständlicherweise keine Wintersportler, und die Einladungen an jüdische Vereine, die der sozialistischen Arbeitersportbewegung angehörten, blieben unbeantwortet.

Am Ende kämpften 250 Sportlerinnen und Sportler aus acht Ländern aus Mittel- und Osteuropa im Ski-Langlauf, Abfahrtslauf und Slalom sowie im Eiskunstlauf, Eishockey und Rodeln um Medaillen. Planung und Durchführung der Veranstaltung waren für die damaligen Verhältnisse von bemerkenswerter Professionalität: Die Wettkämpfe wurden streng nach den Regeln des Internationalen Skiverbandes ausgetragen, die Sportlerinnen und Sportler medizinisch betreut. Das Reisebüro Thomas Cook bot Gruppenreisen und ein touristisches Programm an. Mit Omega und Ovomaltine gewannen die Veranstalter zwei Sponsoren, die damals bereits die Olympischen Spiele und andere sportliche Großveranstaltungen förderten.

Die sportlichen Ziele wurden ebenso wenig erreicht wie die ideologischen.

Widersprüchliche Aussagen gibt es über die Haltung der polnischen Behörden. Während die MWU deren Unterstützung lobte, agitierten antisemitische Hetzblätter gegen die Spiele. Eine Zeitung der nationalen Jugendorganisation forderte zu Protesten auf, damit die Winterkurorte »nicht in jüdische Hände fielen«. Im nahe gelegenen Nowy Targ kam es sogar zu offenen Propaganda-Aktionen.

Regen Bis zuletzt waren die Voraussagen der Meteorologen vielversprechend, doch dann schlug das Wetter Kapriolen. 5000 Zuschauer standen bei Beginn der Wettkämpfe plötzlich im Regen. Eisschnell- und Eiskunstlaufen mussten abgesagt werden, das Skispringen konnte nicht stattfinden, weil eine Lawine die Schanze beschädigt hatte. Nur die Eishockeyspieler hielten tapfer durch. Mit dieser neuen Situation waren die Verantwortlichen offensichtlich überfordert. Jedenfalls wurde das Organisationskomitee in Krakau sowohl von der allgemeinen jüdischen Presse als auch in den Verbandsorganen von Makkabi und »Schild« scharf kritisiert.

Die Bilanz der Spiele war nicht mit der Aufbruchstimmung und Begeisterung zu vergleichen, die am Ende der Makkabiah in Tel Aviv herrschten. Die hochgesteckten sportlichen Ziele wurden ebenso wenig erreicht wie die ideologischen. Zum Leidwesen der Beteiligten weckte die Veranstaltung wenig Aufmerksamkeit bei den führenden Vertretern der Makkabi-Bewegung und sorgte nicht für die erhofften Impulse für ihre weitere Entwicklung. Sowohl Lord Melchett, der Schirmherr, als auch MWU-Präsident Hermann Lelewer waren nicht einmal anwesend und beschränkten sich auf Grußbotschaften.

Hinzu kam, dass die Spiele von der besorgniserregenden politischen Entwicklung in Deutschland überschattet wurden. Das Abschneiden der Sportlerinnen und Sportler des Deutschen Makkabi-Kreises war enttäuschend. Daher beschloss die Führung, den wettkampfmäßig betriebenen Wintersport in Zukunft stärker zu fördern. Besonders in das neue Jüdische Jugend- und Sportheim am Keilberg im tschechischen Erzgebirge, das kurz vor der Fertigstellung stand, setzte man große Hoffnungen.

Bei der Schlussfeier am 5. Februar in der Halle der Akademie, bei der einige herausragende Sportler und die polnische Mannschaft als erfolgreichstes Team geehrt wurden, rief die MWU die Zuschauer zu Spenden für den Wiederaufbau des niedergebrannten jüdischen Stadions in Lemberg auf.

austragungsort Banská Bystrica, auf der slowakischen Südseite der Hohen Tatra gelegen, wurde erst auf dem 8. Makkabi-Kongress im Herbst 1935 in Brünn zum Austragungsort der zweiten Winter-Makkabiah bestimmt. Unter großem Zeitdruck verschoben die Gastgeber den ursprünglichen Veranstaltungstermin auf den 18. bis 25. Februar 1936, sodass die Eröffnung einen Tag nach dem Ende der IV. Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen stattfand. Angesichts der organisatorischen Unzulänglichkeiten bei den Wettkämpfen in Zakopane wollten die Gastgeber alles besser machen und brachten dies auch durch provokative Äußerungen in der Öffentlichkeit zum Ausdruck.

Die Voraussetzungen waren günstiger als im Nachbarland Polen. Die Regierung der Tschechoslowakischen Republik (CSR) zeigte offene Sympathie für die zionistischen Bestrebungen und wies die Behörden und die Armee an, die Spiele zu unterstützen. Der nationale Sokol-Verband und der Makkabi-Kreis arbeiteten eng und vorbildlich zusammen. Schon die Vorberichterstattung sowohl der allgemeinen als auch der jüdischen Presse war positiv und stimmte die Bevölkerung auf das große Ereignis ein. Sie weckte so viel Interesse, dass die Hotels komplett ausgebucht waren und viele Besucher in Privatquartieren unterkommen mussten, die von den Einwohnern der Stadt und der umliegenden Dörfer bereitgestellt wurden.

Die Fortsetzung der Makkabiah im bayerischen Ruhpolding ist von historischer Bedeutung.

Aber es gab auch politische Schwierigkeiten. Die deutschen Behörden verweigerten den Makkabi-Sportlern zunächst die Ausreise. Daraufhin drohte die Regierung in Prag auf diplomatischem Wege mit einem Boykott der Olympischen Spiele in Garmisch-Partenkirchen und Berlin sowie mit Maßnahmen zur Einschränkung des Tourismus. Dies zeigte Wirkung: Die Visa wurden »schnell und höflich« erteilt. Am Abend des 17. Februar zogen 2000 Teilnehmer in einem Fackelzug zum Narodny Dom, der Staatsoper, zur feierlichen Eröffnung.

Ein tschechoslowakischer Athlet leistete den Makkabi-Eid in Hebräisch, und eine Militärkapelle intonierte die Nationalhymne und die Hatikva. Die gesamte Veranstaltung wurde im staatlichen Rundfunk übertragen. Frischer Schneefall schuf eine erwartungsvolle Stimmung. Am folgenden Tag begannen die Wettkämpfe mit einer Panne. Die ersten vier Mannschaften der 4 x 10 km-Staffel wurden disqualifiziert, weil ihre Zeit nicht glaubhaft erschien. Es stellte sich heraus, dass sie unabsichtlich einen ganzen Streckenabschnitt ausgelassen hatten. So siegte Österreich vor Deutschland. Da inzwischen Regen eingesetzt hatte, kam es in den Skiwettbewerben zu zahlreichen Stürzen. Dennoch konnte der Österreicher Schapira Abfahrt und Slalom gewinnen und seine Erfolge von 1933 wiederholen. Seine Landsmännin Raubitschek tat es ihm bei den Frauen gleich. Das Eishockey-Turnier wurde nach nur einem Spiel, das Deutschland gegen die CSR mit 0:2 verlor, abgebrochen. Auch das Eisschnelllaufen wurde abgesagt.

Medaille Besonders enttäuscht waren die Besucher darüber, dass die mit Spannung erwarteten Weltmeister im Eiskunstlaufen, Emilia Rotter und Laszlo Szollas, die wenige Tage zuvor bei den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen die Bronzemedaille errungen hatten, nicht erschienen, weil die ungarische Regierung ihnen offenbar keine Starterlaubnis erteilt hatte. Begeisterung weckte dagegen der außerwettbewerbliche Auftritt des ungarischen Meisterturners Istvan Sarkany, der später die Olympiasiegerin Agnes Keleti heiraten sollte.
Obwohl der deutsche Makkabi-Kreis die zweitgrößte Mannschaft stellte, waren die sportlichen Ergebnisse unbefriedigend.

Der Chronist Kurt Lewin schrieb: »Unsere Makkabim ernteten nicht viele Lorbeeren.« Nur der Frankfurter Blum, eigentlich ein Leichtathlet, konnte im Rodeln einen Sieg verzeichnen. Mit einer großen Gala-Party endete die zweite Winter-Makkabiah am 25. Februar. Eine dritte im Jahre 1939 gab es nicht mehr. Die Fortsetzung der Makkabiah auf Schnee und Eis in diesen Tagen im bayerischen Ruhpolding ist daher von historischer Bedeutung und wegweisend.

Der Autor ist Sporthistoriker und emeritierter Professor der Deutschen Sporthochschule Köln.

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