Köln und Frankfurt

Sommer, Kuchen, Krav Maga

Im Sommer ist man draußen, und nach zwei Jahren, in denen viele Begegnungen abgesagt oder verschoben werden mussten, geben Feste und Veranstaltungen in Gemeinschaft vielen Menschen wieder ein Stück schmerzlich vermisster Lebensqualität zurück.

Wie in Köln beispielsweise. Dort schallte am Donnerstag ein lautes »Baruch Haba« – »Willkommen« – über den Heumarkt. Denn nach zweimaliger Absage konnte endlich der traditionelle Israeltag wieder im Herzen der Rheinmetropole gefeiert werden: zum 13. Mal. »Lechaim. Auf das Leben« – unter diesem Motto kamen mehrere Hundert Menschen zusammen, um, etwas nachträglich, aber nicht weniger freudig, den Geburtstag Israels zu begehen. Die Synagogen-Gemeinde Köln (SGK) hatte den Tag in Kooperation mit der Stadt Köln ausgerichtet. Ausdrücklich galt die Einladung auch »denen, die unser Land und unsere Kultur nicht kennen und die wir mit dem Israeltag erlebbar machen wollen«.

Kuchen Und erlebbar wurde dies an nahezu 30 Ständen von Vereinen und Organisationen. Zahlreiche Ehrenamtliche brachten sich hier ein. Geduldig warteten die Gäste in der langen Schlange vor dem Stand von SGK-Kantinenchef Dmitri Zaretski, um israelische Spezialitäten kennenzulernen. Die Kölner WIZO-Frauen servierten eine Auswahl selbst gebackener Kuchen. Jugendliche pressten unaufhörlich frischen Orangensaft, Kinder nutzten freudig das Schminkangebot.

»Israel ist weltweit unser Rettungsanker, Rettungshafen.«

Abraham Lehrer, Zentralratsvizepräsident

Die Kölschen Kippa Köpp informierten, dass Juden im Kölner Karneval schon immer mittendrin waren. Die Künstler Sharon Brauner, Igor Epstein, Vladimir Burkhardt und Karsten Troyke gestalteten ein stimmungsvolles Musikprogramm. Dazwischen begeisterte Oliver Möller mit seinen Späßen als Clown für alle Fälle – wechselweise als Stelzenläufer, Pantomime oder Zauberer. »Wow, Israeltag in Deutschland«, stellte der SGK-Gemeinderabbiner Yechiel Brukner beim Blick auf das bunte Treiben begeistert fest. »Ich applaudiere Deutschland, Köln.« Bettina Levy vom SGK-Vorstand resümierte: »Die Stadtgesellschaft freut sich auf dieses Fest, da der Israeltag ein fester Bestandteil im Kölner Kalender ist.«

Debatten Bei aller Unbeschwertheit, welche die fröhliche Atmosphäre dieses Geburtstagsfestes prägte, wurde in den Ansprachen der Redner deutlich, wie notwendig es ist, gegen Israelfeindlichkeit und Antisemitismus einzutreten. So betonte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker: »Wer antisemitisch handelt, greift unsere eigene deutsche Identität an.« Daran knüpfte auch der Vizepräsident des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln, Carsten Wettich, an. Der Kampf gegen Antisemitismus sei Teil der gesellschaftlichen Verantwortung des Clubs mit seinen rund 120.000 Mitgliedern. »Alle Demokraten müssen dem Antisemitismus widersprechen«, betonte auch Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, zählte neben dem »Trauerspiel« auf der documenta in Kassel das Attentat auf die israelischen Sportler 1972 in München als Beispiel auf: »Auch nach 50 Jahren hat man es nicht geschafft, eine Einigung mit den Hinterbliebenen zu finden?« Zudem erinnerte er daran, dass dieser Tage ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma gegenüber israelischen Sportlern in München den Hitlergruß gezeigt habe.

Zu den Holocaust-Aussagen von Mahmoud Abbas in Berlin hakte Lehrer nach: »Ist der Bundeskanzler nicht in der Lage, dem zu widersprechen?« Es sei die Häufung an Vorfällen. »Diese Liste gibt uns zu denken.« Mit Blick auf das kürzlich beendete Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« fragte Lehrer: »Ist alles mit einem Strich weg?« Nach einer Sprechpause sagte der Vizepräsident unmissverständlich, dass man sich trotzdem und gerade vor diesen Hintergründen nicht entmutigen lasse. Der diesjährige Israeltag sei daher ein wichtiges Zeichen, denn: »Israel ist weltweit unser Rettungsanker, Rettungshafen; deshalb sind wir mit den Juden in Israel so sehr verbunden.«

Herzlich grüßte er alle an den Ständen beteiligten Personen, dankte für deren Engagement und betonte unter großem Applaus der Besucher: »Wir sind so froh, den Geburtstag Israels zu feiern, und wir als jüdische Gemeinschaft möchten Sie alle an dieser Freude teilhaben lassen.«

Kontakt 200 Kilometer weiter südöstlich hieß es auch »Willkommen«, und zwar »Willkommen bei unserem kleinen, knackigen Schnupperkurs«. So begrüßte Trainerin Julia von Makkabi Frankfurt am vergangenen Sonntagmittag rund zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer des zweiten von drei Krav-Maga-Events im Jüdischen Museum Frankfurt.
Es sei nicht das erste Mal, dass Makkabi mit dem Jüdischen Museum kooperiere: »Wir hatten als Makkabi Frankfurt schon andere Kooperationen mit dem Museum, zum Beispiel Yoga«, berichtet David Neumann, der Krav-Maga-Abteilungsleiter des jüdischen Sportvereins.
Aber an diesem Tag sollte es um die Nahkampftechnik gehen, die der gebürtige Ungar Imrich Lichtenfeld in den 1930er-Jahren entwickelt und in den 1940er-Jahren nach Palästina gebracht hatte.

Die 23 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten ganz unterschiedliche Gründe, an diesem Schnupperkurs mitzumachen: Zwei Teenager, die bereits kampfsporterfahren sind, wollen neue Erfahrungen sammeln, eine Teilnehmerin möchte sich abends, wenn sie in der Stadt unterwegs ist, sicherer fühlen.

Awareness Zu Beginn führt Julia, eine der Trainerinnen, die Teilnehmer in die Grundlagen von Krav Maga ein. »Der beste Kampf ist der Kampf, den man vermeiden kann«, berichtet sie. Das ist auch der erste der drei Grundsätze von Krav Maga, der drei »As«: »Avoidance« – übersetzt: Vermeidung. Beispielsweise sei es besser, einer Gruppe von potenziellen Angreifern aus dem Weg zu gehen und die Straße zu wechseln, um so eine Gefahrensituation zu vermeiden. Wenn sich das erste »A« nicht umsetzen lasse, gelte in jedem Fall das zweite »A«: »Awareness«. »Ich bin achtsam gegenüber mir selbst, und ich bin achtsam gegenüber meiner Umwelt«, erläutert Julia. Wichtig sei es, das Umfeld zu beobachten. Beispielsweise sei der Untergrund wichtig, auf dem man sich bewege.

Wesentlich sei auch das dritte »A« – »Assertiveness«. Julia übersetzt den Begriff mit »Durchhaltevermögen«. Das sei nötig, wenn man in die Situation komme, dass man kämpfen müsse. Das Ziel des Kampfes ist klar definiert: »Im besten Fall setzt man den Gegner außer Gefecht.« Dazu müsse man den Gegner an bestimmten Stellen treffen: den »Weak Points« und den »K.O. Points«.

Die wichtigste Waffe, die man habe, sei das Gehirn, sagt Julia. »Die reale Selbstverteidigung beginnt im Kopf.« Ob man die rechte oder linke Hand oder das linke oder rechte Bein oder Knie verwende, sei je nach Situation unterschiedlich. »Ist die rechte Hand frei, mit der rechten Hand angreifen«, empfiehlt Julia.

Praxis So viel zur Theorie. Aber dann beginnt der praktische Teil. Die Teilnehmer stellen sich im Kreis auf. »Hüftbreit stehen«, sagt die Trainerin. Alle machen es nach. »Das starke Bein hinten. Rechtshänder nehmen das rechte Bein nach hinten, Linkshänder das linke.« Dann hält sie beide Hände offen auf Kinnhöhe. »Das wirkt deeskalierend«, so Julia. Die Arme sollen dicht am Körper sein, um die Organe zu schützen. Außerdem: Immer Kontakt zum Boden halten. Deswegen sei es wichtig, auf dem kompletten Fuß zu stehen.

Anders als beim Boxen müssen die Bewegungen ein Gleiten sein.
Ein weiterer Grundsatz: Bei jedem Schlag einmal ausatmen, um Kraft zu generieren. Die Anspannung sei auch wichtig, um die Organe zu schützen. »Alles kommt aus der Hüfte«, betont Julia. Zuerst müsse man mit der schwächeren Hand zuschlagen, denn die stärkere Hand generiere die Kraft. Generell gilt: Anders als beim Boxen müsse die Bewegung immer ein Gleiten sein.

Aber auch beim Krav Maga gilt: ohne Übung kein Meister. Bei tausendfacher Wiederholung funktioniere es im Sportstudio. »Bei zehntausendfacher Wiederholung funktioniert es automatisiert im Stresstest«, sagt David.

Sein Motto daher: »Üben!«. 178 Erwachsene und 93 Kinder machen das derzeit bei Makkabi Frankfurt. Vielleicht kommen ja in der nächsten Zeit noch ein paar Krav-Maga-Fans dazu. Wer an diesem Sonntag jedenfalls genug trainiert hatte, der konnte anschließend noch durchs Museum gehen.

In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass der Israeltag am Sonntag stattgefunden hatte. Wir bitten, dieses Versehen zu entschuldigen.

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