Derzeit werden neue Formate zur Aufklärung über Antisemitismus entwickelt. Eine Organisation, die sich diesem Thema intensiv widmet, ist der Verein Ha-Kesher. Nach Hamburg und Kiel lud er nun in Stuttgart zum dritten bundesweiten »Hackathon gegen Antisemitismus« ein. In Kooperation mit Förderern und Sponsoren entschied eine Jury im Innenministerium Baden-Württembergs über die Preise in den Kategorien Software und technologische Lösungen, digitale Bildungskonzepte sowie Kunst und Kultur. Erstmals wurde ein Schulpreis vergeben.
Als »offenes Klima für die wichtigen Themen der Zeit« beschreibt Studienrat Nikolai Klotzbücher die Situation an seiner Schule. Mit dem Projekt »Woche des Jüdischen Lebens und Kultur« gewannen Schülerinnen und Schüler der Kaufmännischen Schule Geislingen den Sonderpreis der Jury. Wie die anderen zwölf Finalisten des Hackathons mussten auch sie in einem fünfminütigen Pitch überzeugen.
Multiethnische Schülerschaft
Konkret befasst sich die multiethnische Schülerschaft im Alter zwischen 16 und 20 Jahren an fünf Schultagen unter anderem mit der Fragestellung, was Antisemitismus überhaupt ist, illustriert in einer Ausstellung jüdisches Leben gestern und heute, lädt zum Backen und Kochen von Challe und Latkes ein, beschäftigt sich mit dem Themenkomplex Erinnern und Mahnen und fordert im Poetry-Slam zum Widerstand auf.
»Ein Hackathon ist auch Netzwerk-bildend«, sagt Jenny Havemann vom Vorstand Ha-Kesher.
»Ein Hackathon ist auch Netzwerk-bildend«, sagt Jenny Havemann vom Vorstand Ha-Kesher. Aktuelles Beispiel: »Weinhebers Koffer«, eine Theaterinszenierung von Rimon Productions, gewann in Stuttgart den Preis in der Kategorie »Kunst und Kultur«. Diese Produktion wird im Geislinger Schulprojekt zu erleben sein. »Durch die Präsentation in Stuttgart werden uns Gastspiele in der Region ermöglicht«, sagt Theaterfrau Shulamit Jakobi vom Ensemble Rimon. »Solidarität im Menschsein« hat sich die freie Theatergruppe auf die Fahnen geschrieben.
»Durch das sinnliche Erleben von Theater werden Fakten zum Schlüssel für ein verantwortungsvolles Miteinander«, sagt Jakobi. Mit dem neuen TikTok-Profil »Mosaik« gewannen Julia Sklarenko, Gregor Peskin und Benjamin Zagoruiko den ersten Preis in der Kategorie Software/Technologie. »Mosaik bietet jüdischen Menschen eine Plattform, auf der sie über jüdisches Leben in aller Komplexität sprechen können«, sagt Peskin. TikTok erreicht auch nichtjüdische Nutzer, die dann auf Mosaik stoßen. Die Resonanz nach vier Wochen: über 1000 Kommentare – durchaus auch negative.
»Wir finden uns nicht damit ab, sie einfach zu löschen«
»Wir finden uns nicht damit ab, sie einfach zu löschen«, sagt Peskin. Entwickelt wird aktuell ein System mithilfe von KI. Es sammelt Kommentare, bewertet sie nach wissenschaftlichen Kriterien auf antisemitische oder rassistische Inhalte und leitet sie an die Meldestelle »REspect!« weiter, die von der baden-württembergischen Landesregierung betrieben wird. »Wir möchten eine Community schaffen, die jüdischen Menschen die Gewissheit bringt, nicht allein zu sein«, so Peskin.
Die 15 Bewerbungen zum dritten Hackathon bewerten Jenny Havemann und Wencke Stegemann von Ha-Kesher als »ziemlich viele für dieses Thema«. Von der Idee bis zur Präsentation standen den Teilnehmenden Mentoren in Online-Sessions zur Seite. Sponsoren ermöglichen die gesamte Aktion. Schirmherr Thomas Strobl (CDU) benannte »die klare Haltung« der Landesregierung, »jüdisches Leben stark zu machen«. Der Ansatz des Hackathons begeistere ihn, so der Innenminister in einem Videogruß. Und Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung, sagte mit Blick auf die Themen: »Wir müssen dahin zielen, wo es wehtut.«