Interview

»Sehr, sehr bedrückt«

Rabbiner Avraham Yitzhak Radbil Foto: Uwe Steinert

Rabbiner Radbil, Sie stammen aus der Ukraine, leben mit Ihrer Familie in Konstanz. Welche Nachrichten erhalten Sie aus der alten Heimat?
Meine Familie stammt aus einer Kleinstadt direkt an der Grenze zu Moldawien. Die Frauen und Kinder meiner Cousins sind nach Moldawien geflohen, aber meine Cousins müssen in der Ukraine bleiben. Sie sind in Winnyzja, und meine Tante und mein Onkel sind bei ihnen, weil sie ihre Söhne nicht alleinlassen wollten. Sie sind ständig im Bunker, es fallen Bomben, die Sirenen heulen.

Haben Sie neben den Verwandten auch noch ukrainische Freunde von damals?
Ja, es gibt dort viele alte Freunde und Klassenkameraden. Mit einer Bekannten war ich kürzlich in Kontakt: Wir waren früher in derselben Klasse, haben in derselben Straße gewohnt, und auch ihr Vater und meine Mutter waren mal in derselben Klasse gewesen – wir hatten so vieles gemeinsam. Und nun sind wir in so komplett unterschiedlicher Lage, und das alles nur, weil meine Eltern nach Deutschland gezogen sind und ihre nicht. Daran zu denken, ist verstörend.

Was erfahren Sie konkret?
Alles, was ich von Freunden höre, ist beunruhigend. Zwei Freunde haben in Kiew gelebt, sie sind nun in unsere Heimatstadt zurückgekehrt, um etwas sicherer zu sein. Auch eine andere Klassenkameradin ist jetzt dort. Sie war kurz vor dem Krieg noch in Spanien im Urlaub. Als der Krieg begann, ist sie zurückgegangen nach Kiew. Sie sagte: Hier ist meine Familie und meine Heimat. In Kiew saß sie ständig im Bunker. Es war gefährlich, dort herauszukommen. Inzwischen hat sie es geschafft. In unserer Heimatstadt gab es bisher keine Bombardierungen, aber die Sirenen waren schon zu hören. Die meisten Menschen bleiben erst einmal dort. Falls doch noch Bomben kommen, hoffen sie, dass sie von dort schnell flüchten können: Der Fluchtweg über die Grenze nach Moldawien ist kurz, nur über eine Brücke.

Auch viele Mitglieder Ihrer Gemeinde in Konstanz stammen aus der Ukraine. Wie ist dort die Stimmung?
Sehr, sehr bedrückt. Es ist alles so bedrohlich und ungewiss, alle machen sich Sorgen, und niemand weiß, was noch alles geschehen wird. Von unseren knapp 300 Mitgliedern kommen die meisten aus der Ukraine, alle haben Angst um Angehörige. Alle wollen helfen. Es wird viel gespendet. Leider ist die Wohnsituation in Konstanz sehr angespannt. Die meisten unserer Mitglieder sind älter und leben in kleinen Wohnungen, sie können niemanden privat bei sich aufnehmen. Aber wir werden alles tun, was möglich ist, und die Menschen beim Einleben unterstützen. Ich bin überwältigt vom Mut und der Selbstlosigkeit so vieler. Die Menschen in der Ukraine nehmen das wahr und sind sehr dankbar dafür. Wir sind uns alle einig, dass dieser Krieg sofort enden muss.

Mit dem Rabbiner der Synagogengemeinde Konstanz sprach Anja Bochtler.

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