Porträt der Woche

Schon mit zwölf Jahren sozial engagiert

Aviva Lapke organisiert gern, spielt Tennis und möchte Menschen zusammenbringen

von Christine Schmitt  17.01.2024 14:09 Uhr

»Schon recht bald wurde mir bewusst, dass eine jüdische Gemeinschaft für mich unverzichtbar ist«: Aviva Lapke (22) aus München Foto: TR

Aviva Lapke organisiert gern, spielt Tennis und möchte Menschen zusammenbringen

von Christine Schmitt  17.01.2024 14:09 Uhr

Meine größte Leidenschaft besteht darin, Dinge in Bewegung zu setzen, insbesondere innerhalb jüdischer Organisationen. Die Planung und Umsetzung von Events, das Kennenlernen von Menschen und das Zusammenbringen von Gemeinschaften faszinieren mich. Derzeit sind die Tage sehr ausgefüllt – mit meinem Praktikum, dem Studium und mit der Verwaltung des Social-Media-Kanals des Verbands jüdischer Studenten in Bayern sowie auch des Projektes »Nevatim@insta.jews« und meines privaten Accounts. Natürlich nehme ich mir Zeit, um mit Freunden zu sein, und hin und wieder reise ich durch die Republik, um jene zu besuchen, die nicht in München leben.

Meine Begeisterung für soziales Engagement begann bereits in meiner Jugend und wurde besonders stark, als ich zwölf Jahre alt war. Damals betrat ich zum ersten Mal das Jugendzentrum »Neschama« (Seele) in München. Zuvor war mir nicht bewusst, dass es eines gibt, da ich erst vor ein paar Jahren in die Stadt gezogen war. Ein Madrich holte mich am Eingang ab, und es folgte ein herzlicher Empfang, der den Auftakt für eine »neue« Familie bildete. Mit 16 Jahren ließ ich mich zur Madricha ausbilden.

Abitur und berufliche Optionen

Nach meinem Abi­tur wollte ich bewusst einige Zeit lang meine beruflichen Optionen erkunden. In dieser Phase freute ich mich darauf, vorübergehend als Bundesfreiwillige im Juze zu arbeiten. Ich konnte an den Seminaren teilnehmen, die von der Zentralwohlfahrtsstelle organisiert wurden, und lernte viele andere Ehrenamtliche kennen. Die Zeit als Bufdi verging viel zu schnell, also entschied ich mich, sie zu verlängern. So konnte ich mich bis April vergangenen Jahres als Projektleiterin, aber auch Assistenz des Jugenddezernenten engagieren.

Einige Monate fielen auch in die Corona-Pandemie, in der wir flexibel reagieren mussten. Auf unserem Neschama-Instagram-Account, den ich betreute, hielten wir alle Chanichim regelmäßig auf dem Laufenden. Zusätzlich organisierten wir über Zoom Live-Programme und Peuloth im Hybrid-Format mit Herausforderungen und Spielen.

Außerdem entwickelten wir ein neues Format namens »Neschammunity«, eine Art Online-TV. Nach den ersten Ausstrahlungen auf der Plattform IKG-LIVE! entschieden wir uns, eine Eigenproduktion zu starten. Mit vorhandener technischer Ausstattung und dem entsprechenden Know-how entwickelten wir ein einzigartiges Projekt.

In dieser Zeit habe ich mehr für meinen zukünftigen beruflichen Lebensweg gelernt als in einem 13. Schuljahr. Vor drei Jahren erfolgte ein Wechsel in der Leitung, der dem Juze bereits zuvor eine beeindruckende Atmosphäre verliehen hatte, aber unter der neuen Leitung wurde es noch dynamischer und inspirierender. Diese Zeit würde ich als wegweisend bezeichnen. Der neue Leiter brachte frische Impulse mit und verwandelte das Juze in die beste Schule meines Lebens, eine Zeit, die mir stets in positiver Erinnerung bleiben wird.

Nach der Bufdi-Zeit im Juze kam der richtige Moment, meine Zukunft zu planen.

Unter seiner Leitung wurde deutlich signalisiert, dass jeder willkommen ist, unabhängig von seiner halachischen jüdischen Zugehörigkeit oder Nationalität. Von ihm habe ich viel gelernt. Er hat meine Talente nicht nur erkannt, sondern auch gezielt gefördert.

Das Hauptaugenmerk lag auf der Möglichkeit, Freunde zu finden und an verschiedenen Events teilzunehmen. Es entstanden zudem neue Kooperationen mit der Stadt München und externen Organisationen sowohl in Berlin als auch in Frankfurt. Durch diese Entwicklungen konnten wir stets zeigen, dass wir präsent sind. Besonders inspirierend war die Realisierung der Fotoausstellung Schmone18Esre. Hierbei wurden 18 Jüdinnen und Juden unterschiedlicher Generationen, Strömungen und unterschiedlicher Herkunft porträtiert.

Jüdische Perspektiven und Identitäten

Diese Biografien repräsentieren vielfältige jüdische Perspektiven und Identitäten, und sie widerlegen dabei gängige Klischeevorstellungen. Die Geschichten zeugen von den Schätzen jüdischer Kultur und Geschichte, teilen kleine und große Weisheiten sowie schöne wie traurige Erinnerungen. Schmone18Esre steht für die Vielfalt jüdischer Gegenwart in Deutschland. Die Zahl 18 steht in der Numerologie der Gematria für das hebräische Wort »Chai«, also Leben, und unterstreicht die Bedeutung dieser Ausstellung.

Nach der Bufdi-Zeit brauchte ich erst einmal eine Auszeit von der jüdischen Bubble. Es war nun der richtige Moment, mir zu überlegen, was ich machen möchte. Schließlich fielen die Würfel für ein duales Studium im Bereich Personalmanagement mit Schwerpunkt Arbeitsrecht. Zuerst hatte ich noch mit Jura geliebäugelt. Aber dies erschien mir, da ich mich auf das deutsche Recht beschränken müsste, zu begrenzt.

Das europäische Arbeitsrecht hingegen ist ziemlich gleich. So könnte ich überall in Europa arbeiten. Da ich den Wunsch habe, andere Länder sowie Kulturen zu erkunden und viel zu reisen, bin ich unsicher, ob meine berufliche Zukunft immer in Deutschland liegen wird. Im Rahmen meines Studiums arbeite ich bei einem Start-up-Unternehmen. Diese Firma, die sich auf die Regulierung von Schäden an Gebäuden spezialisiert hat, ist ein Kooperationspartner meiner Universität.

Das Unternehmen hat eine eigens entwickelte webbasierte Software, die darauf ausgerichtet ist, den Anforderungen der Immobilienwirtschaft und der Versicherungsbranche gerecht zu werden. Sie ermöglicht eine umfassende Dokumentation von Gebäudeschäden, was sowohl für Immobilieneigentümer als auch für Versicherer von großem Nutzen ist. Es ist eine bereichernde und zugleich faszinierende Aufgabe, im Personalmanagement die alleinige Verantwortung zu tragen.

Einstellungsgespräche, Workshops und Personal

Innerhalb eines Teams von insgesamt 20 Personen, zu dem ich gehöre, führe ich Einstellungsgespräche, leite Workshops und trage die Verantwortung für das gesamte Personal. Diese Rolle erlaubt es mir, mein Fachwissen aktiv einzubringen und kreativ gestaltend tätig zu sein, was ich als äußerst erfüllend empfinde. Die Bewerbungsgespräche erinnern mich immer wieder an die Zeit im Juze, und ich entdecke dabei gewisse Ähnlichkeiten. Durch diese Erfahrungen bringe ich jedoch wertvolle persönliche Einsichten in meine Arbeit ein. Montags bis mittwochs verbringe ich meine Zeit im Unternehmen, während ich mich donnerstags und freitags meinen Vorlesungen widme.

Schon recht schnell wurde mir bewusst, dass eine jüdische Gemeinschaft für mich unverzichtbar ist. Egal, wohin ich gehe, begleitet mich diese besondere Verbundenheit, und ich empfinde dies als äußerst positiv. Irgendwann wurde ich von dem Leiter des jüdischen Studentenverbandes in Bayern angesprochen, ob ich nicht Interesse hätte, mitzumachen. Warum nicht, dachte ich mir, und probierte es einfach aus.

Mittlerweile bin ich für unseren Ins­tagram-Account und unseren Social-Media-Auftritt verantwortlich.

Mittlerweile bin ich für unseren Ins­tagram-Account und unseren Social-Media-Auftritt verantwortlich. Das sehe ich jedoch nicht als Arbeit an, sondern vielmehr als meine Leidenschaft. Besonders aufregend war die Anfrage im Februar 2023 vor einer Konferenz von Nevatim, einem Projekt der Jewish Agency. Damals wurde ich gefragt, ob ich die Rolle der Social-Media-Managerin übernehmen möchte, und ich sagte zu.

Mit sieben Jahren sind meine Mutter und ich aus Lettland nach München gekommen. An Riga erinnere ich mich gern, dort haben wir im Sommer viel Zeit am Strand verbracht. Damals konnte ich kein Wort Deutsch, lernte es aber ziemlich schnell in den paar Monaten, in denen ich noch in der Kita war. In München bin ich schließlich groß geworden und fand rasch viele neue Freunde. Und meine Mutter lernte ihren jetzigen Mann kennen, mit dem sie noch zwei Kinder bekommen hat, sodass wir nun eine große Familie sind.

Früher habe ich Tennis im Verein gespielt, damit hatte ich übrigens schon in Lettland angefangen. Die Familie meines leiblichen Vaters war im Tennis sehr aktiv. An Wettkämpfen habe ich auch teilgenommen, aber mittlerweile spiele ich nur noch aus Spaß.

Klassen- und Schulsprecherin

In der Schule wurde ich zur Klassensprecherin und später zur Schulsprecherin gewählt. Das war auch die Zeit, in der ich gemeinsam mit anderen Schülern Events auf die Beine stellen wollte. Das erste schien zu scheitern. Wir wollten auf Fair-Trade-Produkte aufmerksam machen und eine Kooperation mit den Händlern starten. Da wir bei der Organisation an vieles nicht gedacht haben, drohte das Projekt zu scheitern. Letztlich kamen jedoch mehr Spenden als erhofft zusammen – und das Team ist enger zusammengewachsen.

Biografien lese ich sehr gern, Romane eher nicht. Höchstens, wenn sie einen realen geschichtlichen Kontext haben. Obwohl ich keineswegs untätig bin, strebe ich danach, noch aktiver zu werden. Insbesondere in Deutschland möchte ich dazu beitragen, jüdisches Leben noch deutlicher sichtbar zu machen. Häufig überlege ich, wie ich für meine kleine und große Familie da sein kann. Die Antwort auf diese Frage sehe ich wiederum in meiner eigenen Rolle.

Aufgezeichnet von Christine Schmitt

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