Berlin

Schlagende Argumente

In der wochenlangen Auseinandersetzung um nicht gezahlte Gehälter von Angestellten der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ist es am Donnerstagabend bei der Repräsentantenversammlung zu einer handfesten Prügelei gekommen. Tische wurden gerückt, Teilnehmer gewürgt und geschlagen. Repräsentanten bedrohten andere Gemeindepolitiker, Zuschauer gingen auf einzelne Vertreter los, Vorstandsmitglieder wurden handgreiflich. Erst die herbeigerufene Polizei konnte die Kontrahenten trennen. Insgesamt wurden 15 Anzeigen gestellt.

Zu dem Tumult war es gekommen, als der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Gideon Joffe, zur Finanzierung der Gehälter ein Grundstück der Jüdischen Gemeinde bei einer Bank beleihen wollte und einen entsprechenden Antrag gestellt hatte, der angenommen worden war. Er habe jedoch weder die Lage des Grundstücks genannt noch die Höhe der Summe, kritisierte die Opposition der Gemeinde.

Debattenstopp Außerdem hatte Joffe ein Debattenstopp verhängt, sodass die Opposition keine weiteren Details erfragen konnte. In einer ersten Stellungnahme am Freitag versichert Joffe, den Kredit nur dann wirklich in Anspruch zu nehmen, wenn der Senat seiner Zahlungsverpflichtung aus dem Staatsvertrag nicht doch noch kurzfristig nachkomme.

»Der Vorstand wird auch künftig seiner Linie treu bleiben, keine Immobilien zu veräußern, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken«, erklärte Joffe. »Wir haben die Verpflichtung gegenüber nachfolgenden Generationen, die Vermögenswerte der Gemeinde zu bewahren.« Er bedauere die Tumulte, das Benehmen einzelner Oppositionsvertreter sei nicht mehr zu entschuldigen. »Es ist schade, dass die Opposition ihre eigenen politischen Ambitionen über das Wohlergehen der Mitarbeiter stellt«, meinte der Gemeindevorsitzende.

Stellenplan Carola Melchert-Arlt, die noch bis vor Kurzem im Gemeindeparlament auf Joffes Seite stand und bei den Verhandlungen mit dem Senat beteiligt war, widersprach Joffe und meinte, dass es vor allem um den mangelhaften Wirtschaftsplan der Gemeinde für 2013 ginge. Joffe habe ihn ohne korrekten Stellenplan eingereicht, was der aber bestreitet. Er solle ihn einfach nachreichen, und alles wäre gut. »Er hat die Lage nicht mehr im Griff und sollte nun endlich zurücktreten. Das Ansehen der Jüdischen Gemeinde ist so schlecht wie noch nie.«

Micha Guttmann, ebenfalls aus den Reihen der Opposition, kündigte an, gegen das Prozedere juristisch vorzugehen. »Aufgrund so geringer Informationen kann man nicht abstimmen.« Der Senat hatte die Landeszuschüsse für das zweite Quartal gestoppt, um offene Fragen zu klären, daraufhin konnten die fälligen Gehälter nicht mehr ausgezahlt werden.

Der Antrag zur Grundstücksbeleihung wurde schließlich mit einer notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit der Regierungspartei angenommen. Da die Stimmen offen abgegeben worden waren, sahen auch die Zuschauer, welche Repräsentanten dafür und dagegen gestimmt hatten.

Frage Gemeindemitglied Gregor Wettberg war in der Pause zu einer Repräsentantin gegangen und hatte sie gefragt: »Weißt du eigentlich, um welchen Betrag es sich überhaupt handelt?« Daraufhin sollen sich Vorstandsmitglieder und andere Zuhörer auf ihn gestürzt und ihn übelst beschimpft haben.

Ein Vorstandsmitglied soll seinen Kollegen Jewgeni Gamal gewürgt haben, auch er erstattete Anzeige. Einige bis dahin unbeteiligte Zuschauer und Repräsentanten zückten ihre Handys und filmten die Szenen, was die Stimmung zusätzlich anheizte, da wiederum andere Anwesende die Handys an sich nahmen, um die Bilder zu löschen.

Berlin

»Berlin verneigt sich«

Zwei Monate nach ihrem Tod wird die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer in Berlin gewürdigt. Der Bundespräsident mahnt vor Politikern und Weggefährten, das Erbe der Jahrhundertfrau weiterzutragen

von Alexander Riedel  09.07.2025 Aktualisiert

Engagement

Verantwortung übernehmen

Erstmals wurde der Fritz-Neuland-Gedächtnispreis verliehen. Die Auszeichnung erhielten der Jurist Andreas Franck und die AG PRIOX der bayerischen Polizei

von Luis Gruhler  09.07.2025

Deutsch-Israelischer Freiwilligendienst

»Wir müssen gewachsene Strukturen erhalten«

ZWST-Projektleiter Erik Erenbourg über ein besonderes Jubiläum, fehlende Freiwillige aus Deutschland und einen neuen Jahrgang

von Christine Schmitt  09.07.2025

Essen

Vier Tage durch die Stadt

Der Verein Kibbuz Zentrum für Kunst, Kultur und Bildung führte 20 Jugendliche einer Gesamtschule an jüdische Orte. Die Reaktionen überraschten den Projektleiter

von Stefan Laurin  09.07.2025

Berlin

Millionenförderung für jüdisches Leben

Die sogenannten Staatsleistungen machten dabei fast 8,9 Millionen Euro in dieser Summe aus. Als Zuwendung für personelle Sicherheitsleistungen flossen den Angaben zufolge 6,1 Millionen Euro

 09.07.2025

Magdeburg

Staatsvertrag zur Sicherheit jüdischer Gemeinden geändert

Die Änderung sei durch den Neubau der Synagogen in Magdeburg und Dessau-Roßlau vor rund zwei Jahren sowie durch zu erwartende Kostensteigerungen notwendig geworden

 09.07.2025

Berliner Philharmonie

Gedenkfeier für Margot Friedländer am Mittwoch

Erwartet werden zu dem Gedenken langjährige Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter, Freundinnen und Freunde Friedländers sowie Preisträgerinnen und Preisträger des nach ihr benannten Preises

 08.07.2025

Mittelfranken

Archäologen entdecken erste Synagoge Rothenburgs wieder

Erst zerstört, dann vergessen, jetzt zurück im Stadtbild: Die erste Synagoge von Rothenburg ob der Tauber ist durch einen Zufall wiederentdeckt worden. Ihre Überreste liegen aber an anderer Stelle als vermutet

von Hannah Krewer  08.07.2025

Biografie

»Traut euch, Fragen zu stellen«

Auch mit 93 Jahren spricht die Schoa-Überlebende Eva Szepesi vor Schülern. Nun hat sie ein Bilderbuch über ihre Geschichte veröffentlicht

von Alicia Rust  06.07.2025