Alexander Bederov hatte einen Traum: Viele Jahre machte der Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion unermüdlich Werbung für den Bau einer Synagoge in seiner neuen Heimat Neuss, einer der ältesten Städte Deutschlands. Diverse Standorte wurden ins Auge gefasst und verworfen. Gut acht Jahre nach Bederovs Tod geht der Traum jetzt in Erfüllung.
Die Baustelle an der Neusser Leostraße ist auch durch die Corona-Pandemie nicht zum Erliegen gekommen. Bis zum Januar oder Februar 2021 soll die 154.000-Einwohner-Stadt wieder eine eigene Synagoge mit einem Gemeindezentrum bekommen. Das vorherige Bethaus aus dem Jahr 1867 war in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 von den Nazis in Brand gesteckt worden.
RHEIN-KREIS-NEUSS Genau genommen ist es kein Neu-, sondern ein Umbau. Den bislang dort stehenden Flachbau, einen ehemaligen Kita-Bungalow, hatte die Jüdische Gemeinde Düsseldorf 2007 mit finanzieller Unterstützung der Stadt Neuss gekauft. Genutzt wurde er von den rund 600 Juden, die in Neuss und den umliegenden Orten des Rhein-Kreises Neuss leben. Sie haben dem Bungalow den Namen »Alexander-Bederov-Zentrum« gegeben. Die Neusser sind als Filialgemeinde Teil der Düsseldorfer Gemeinde.
Aktuell wird der eingeschossige Bau, der zwischen Schulen und Kleingärten liegt, in etwa einjähriger Bauzeit zunächst komplett entkernt, dann mit neuen Zwischenwänden versehen und erweitert. Er bleibt dabei einstöckig. Ins Zentrum des L-förmigen Komplexes kommt ein runder Raum als Herzstück: der Gebetssaal für bis zu 80 Personen. Die Form ist eine Hommage an die runde Architektur der 1958 eröffneten Synagoge in Düsseldorf, verrät Bert Römgens, der das Projekt aufseiten der Düsseldorfer Gemeinde koordiniert.
GEMEINDESAAL Wenn auch der Gemeindesaal fertig ist, soll der Komplex bis zu 130 Menschen Platz bieten. An der Fassade soll ein Davidstern angebracht werden. Das neue Gemeindezentrum wird darüber hinaus auch Schulungsräume erhalten. Für die Kinder- und Jugendarbeit gibt es ebenfalls Platz. »Wir liegen mit den Bauarbeiten gut in der Zeit. Hier entsteht ein sichtbares Zeichen jüdischen Lebens«, sagt Römgens.
Die Stadt Neuss ermöglicht den Bau mit 1,5 Millionen Euro.
Ende März hatte er zusammen mit dem Bauunternehmer den Grundstein gelegt. Dieser enthält neben einer Urkunde unter anderem zehn Schekel, ein kleines Israel-Bild und ein Glückssymbol aus einem Kibbuz.
Die Stadt Neuss ermöglicht den Bau mit 1,5 Millionen Euro. Stadt und Jüdische Gemeinde hatten 2018 einen Kooperationsvertrag unterzeichnet. »Der Bürgermeister und der Erste Beigeordnete haben großes Interesse, dass jüdisches Leben wieder in der Breite entstehen kann. In der Neusser Stadtgesellschaft ist man megastolz auf das Projekt«, freut sich Römgens, selbst gebürtiger Neusser.
Das geplante Treffen in der Partnerstadt Herzlija musste wegen der Corona-Pandemie ausfallen.
In Neuss ist gerade einiges in Bewegung – auch in Sachen deutsch-israelische Beziehungen. Im Dezember 2019 hatte der Rat der Einrichtung einer Städtepartnerschaft mit der israelischen Stadt Herzlija (95.000 Einwohner) zugestimmt. Sie soll den Austausch sowohl auf kultureller als auch auf sportlicher und schulischer Ebene unterstützen. Zuvor hatte im November der Neusser Bürgermeister Reiner Breuer seinen Amtskollegen Moshe Fadlon im Rathaus von Herzlija besucht.
Aufgrund der Corona-Pandemie wird aus weiteren persönlichen Treffen nun erst einmal nichts. Auch der inzwischen dritte Israeltag, der vor drei Wochen in Neuss geplant war, musste deswegen abgesagt werden. So bleibt zumindest die Vorfreude auf die geplante Fertigstellung der Synagoge im kommenden Frühjahr und die Erfüllung des Traums von Alexander Bederov und seinen Mitstreitern.