Punkt 12.15 Uhr senkte sich am Mittwoch die Laderampe eines Kleinlasters auf den Kiesboden der KZ-Gedenkstätte Dachau. Die beiden Mitarbeiter des Logistikunternehmens, das sich selbst auf seiner Homepage als »Spediteur für sensible Transporte« bezeichnet, lösten die Halterungen ihrer erinnerungsschweren Fracht.
Unter den Blicken des bayerischen Kultusministers Ludwig Spaenle (CSU) und des Stiftungsdirektors der Bayerischen Gedenkstätten, Karl Freller, hievten sie ein flaches Paket auf zwei Zimmermannsböcke und entfernten Wellpappe und Luftpolster, bis es endlich zu sehen war: das historische Tor des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau mit dem berüchtigten Schriftzug »Arbeit macht frei«.
Eine lange Reise ging damit zu Ende. Im November 2014 von immer noch unbekannten Tätern gestohlen, im Dezember 2016 nach einem anonymen Anruf nahe der norwegischen Stadt Bergen entdeckt, kehrte das Dachauer Lagertor jetzt zu seinem Ursprungsort zurück. Starke Rostspuren an Griff und Metallstreben zeugen davon, dass es lange in Wind und Regen gelegen haben muss. Nun soll es mit Unterstützung des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege konserviert werden – mitsamt der Schäden, die es im unfreiwilligen norwegischen Exil davongetragen hat. »Die Geschichte des Diebstahls gehört jetzt zur Geschichte des Tores dazu«, sagte Karl Freller.
Bedeutung Über die Bedeutung des Lagertors herrschte bei seiner Rückkunft Einigkeit. »Das Tor stand und steht für die Erniedrigung der Menschen in der Diktatur des Nationalsozialismus«, sagte Kultusminister Spaenle. Der »infame Raub« vor zwei Jahren sei »eine Attacke auf die Integrität der Gedenkstätte als Ort des Erinnerns« gewesen, die durch die Rückkehr »ein Stück weit geheilt« sei. Stiftungsdirektor Freller nannte das Tor ein »Beweismittel für das Denken der Nazis«, die mit der Inschrift »Arbeit macht frei« die Wirklichkeit im Konzentrationslager auf zynische Weise verdrehten. »Denn das Gegenteil war der Fall: Tod durch Arbeit«, sagte Freller.
Da es weiterhin keine Hinweise auf die Täter gebe, könne man über die Hintergründe des Diebstahls nur spekulieren, sagte KZ-Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann. Allerdings gebe es Parallelen zum Auftragsdiebstahl des Lagertors des KZ Auschwitz im Jahr 2009. »Deshalb kann man vermuten, dass das Tor nicht nur als Trophäe gestohlen wurde, sondern mit dem Ziel, die Erinnerungsarbeit der KZ-Gedenkstätte zu treffen.«
Symbol Jean-Michel Thomas, Präsident des Internationalen Dachau-Komitees, überbrachte den Wunsch der Angehörigen, dass die Ermittlungsarbeiten fortgesetzt werden. Die Diebe hätten zweifelsohne beabsichtigt, »ein Symbol verschwinden zu lassen«.
Wenn dem so war, ist es gründlich schiefgegangen. Durch sein Verschwinden und Wiederauftauchen ist das Lagertor mehr im Gespräch, denn je – und mit ihm die verbrecherische Geschichte des Konzentrationslagers Dachau. Kultusminister Spaenle nannte es konsequent, dass das Tor nun nicht mehr am Originalplatz im Jourhaus, dem Eingangsgebäude des ehemaligen Konzentrationslagers, montiert werde. Stattdessen soll es ab 30. April in einer gesicherten Glasvitrine als Teil der Dauerausstellung an die NS-Zeit erinnern. epd