Über diese E-Mail hat sich Maja Gratzfeld besonders gefreut: Eine Frau aus Kroatien schrieb ihr, wie berührt sie von der Idee ihres Kunstobjektes sei, das sie soeben aus dem Kunstautomaten des Jüdischen Museums Berlin gezogen hat. Denn Maja Gratzfeld hat ein ganz individuelles Puzzle entworfen, in dem sie verschiedene Orte der Diaspora – darunter Wien, Berlin und Lemberg – fotografiert und die Bilder aufeinandergelegt hat, sodass ein eher »abstraktes Bild« herauskam.
Gibt man den Zahlencode eines jeden Puzzleteils – insgesamt sind es 500 – auf ihrer Website ein, ergibt sich Stück für Stück am Ende das Gesamtbild. Die Kroatin hatte das Museum Anfang Juli besucht und den Vintage-Warenautomaten aus den 70er-Jahren entdeckt. Kurz entschlossen zog sie das Kunstwerk aus dem Automaten und spielt seitdem mit dem Puzzle.
»Buy me«, »Kauf mich« – diese Aufforderung steht auf den Fächern des Kunstautomaten und lädt dazu ein, ein Kunstobjekt im Miniformat zu erwerben. Aus den 60 Fächern können die Besucher für jeweils sechs Euro ein pink, schwarz oder weiß verpacktes Kunstwerk ziehen und mit nach Hause nehmen. Neben den Unikaten und handsignierten Originalen erhält man auch Informationen zu den Künstlerinnen und ihrer jeweiligen Arbeit. Bewegliche Bildtafeln neben dem Kunstautomaten vermitteln vorab einen visuellen Eindruck der Kunstwerke. Welches Unikat sie tatsächlich ziehen, entscheidet der Zufall, erklärt Gelia Eisert, Kuratorin des Kunstautomaten.
motto Passend zum 13. Kultursommer, der unter dem Motto »Sommer der starken Frauen« steht, sind auch die Kunstschaffenden dieser Runde ausschließlich Frauen. Sie leben alle in Berlin, sieben von ihnen kommen aus Israel. Für den Kunstautomaten haben sie insgesamt 3500 kleinformatige Objekte gestaltet.
Über Form und Material entscheiden die Künstlerinnen selbst. Das Spektrum reicht von Beton-Eis über Souvenirs und Leporellos bis zu Fotografien und Stoffbeuteln. »Ich hatte mich vor einiger Zeit beworben und mich natürlich gefreut, als ich genommen wurde«, sagt die 35-jährige Maja Gratzfeld. Die meisten Künstlerinnen würden sich untereinander kennen. Sie selbst kommt aus dem Saarland, hat in Dresden, Israel und Frankreich Kunst studiert und pendelt derzeit viel zwischen Deutschland und Israel.
Unter den handsignierten Originalen befinden sich dieses Mal die fünf Fotografien der israelischen Künstlerin Shimrit Kalish, deren Serie »Fremdes Land« durch ihre Träume inspiriert wurde, erläutert Gelia Eisert. Shai Keren hat einen Stoffbeutel für »Alte Sachen« gestaltet – eine Anspielung auf den jiddischen Ausdruck für Trödel. Bei der multidisziplinären Künstlerin Adi Liraz wiederum gehöre Transformation laut Eisert wesentlich zum künstlerischen Schaffen: In mehreren Schritten fügt sie ein selbstverfasstes Gedicht in ein besticktes Stück Stoff ein.
gesetzestafeln Shira Orion erzählt Geschichten in Form von Illustrationen im Postkartenformat. Yifah Raz’ Beton-Eis am Stiel wecke Erinnerungen an einen heißen Sommertag. Alonah Rodeh hat Gesetzestafeln geschaffen, auf denen jeder seine ganz persönlichen Gebote aufstellen kann, und Keren Shalev ein organisch geformtes Objekt, das als Andenken dienen soll.
Zum fünften Mal bietet das Jüdische Museum Berlin in seiner Dauerausstellung Kunst aus dem Automaten an. »Der Kunstautomat ist ein wunderbares Format, um zeitgenössische Kunst in unsere Dauerausstellung zu integrieren. Jedes Werk erzählt auf seine eigene Weise von jüdischem Leben«, sagt die Kuratorin.
Die 6000 Kunstwerke der bisherigen vier Runden verkauften sich innerhalb weniger Monate. In regelmäßigen Abständen wird der Kunstautomat mit neuen Kunstwerken wechselnder Künstlerinnen und Künstler bestückt. Sie erstellten jeweils ein oder zwei limitierte Kleinserien in einer Auflage von 200 bis 500 Stück.