Jewrovision

Probentraum

Aufgeregte Kinderstimmen dringen durch das Treppenhaus des Jugendzentrums »Olam« in der Joachimsthaler Straße. Voller Energie und Vorfreude laufen die Jugendlichen die Stufen hoch. Am vergangenen Sonntagnachmittag begannen die Proben für die Jewrovision.

Im Foyer schwört Shelly Schlafstein, die Leiterin des Jugendzentrums, die Kids ein: »Unser aller Ziel ist es, der größte Jewrovision-Act aller Zeiten zu werden.« Dafür brauche es bei einer so großen Gruppe viel Disziplin und Respekt voreinander, betont sie. »Wir alle wollen den Pokal zurück nach Berlin holen!«

70 Kinder und Jugendliche hören der Leiterin aufmerksam zu. Doch bevor es losgehen kann, müssen noch einmal alle Platz nehmen. Es gibt eine Vorstellungsrunde, damit die Kids sich kennenlernen. Zwischen neun und 18 Jahre sind sie alt und starten nach der Corona-Zeit noch motivierter, sagt Shelly Schlafstein. Dann geht es zur Tat. Jeder Quadratmeter des großen, sanierten Saals wird genutzt.

Choreografie 70 Kinder können sich nicht irren – die »Jewro« ist ein Magnet für die Jugendlichen. »Diese hohe Nachfrage ist ein Rekord«, sagt Shelly. Sie und ihr Team versuchen, allen Kindern die Möglichkeit zum Mitmachen zu geben. »Dazu brauchen wir dann natürlich eine große Bühne«, sagt sie lachend. Elf Trainer werden im Einsatz sein, die sowohl die Choreografie als auch den Songtext entworfen haben.

Der Probenplan ist straff, denn viel Zeit bleibt nicht mehr zum Üben.

Dann geht es los. Die Nachwuchssänger und -tänzer werden in mehrere Gruppen eingeteilt. »Vergangenes Jahr durften aufgrund der Impfregelungen nur Kinder ab zwölf Jahren teilnehmen«, erinnert sich Milana aus dem Leitungsteam. Die 19-Jährige stand selbst schon mehrfach bei der Jewrovision auf der Bühne und freut sich, dass die Jüngsten dieses Jahr wieder mit dabei sind.

Die Altersgruppe der Zehn- bis Zwölfjährigen bringe noch einmal eine ganz andere Dynamik in den Wettbewerb. Milana ist das erste Mal als Trainerin mit im Team und möchte den Kids mit ihrem Engagement das zurückgeben, was die Jewro ihr vermittelt hat: das überwältigende Gemeinschaftsgefühl und den Spaß an der Sache. Für sie sei es eine große Bereicherung, die Vorfreude der Kinder miterleben zu können.

Neben ihrer sportlich-musikalischen Komponente trägt die Jewrovision auch wesentlich dazu bei, junge Jüdinnen und Juden in ihrer Identität zu stärken. 2023 sei ein besonderes Jahr, weil die Show in Frankfurt am 18. Mai, einem Freitag, stattfinden wird. »Dadurch, dass die Kinder den Wettbewerb am Freitagnachmittag bereits hinter sich haben werden, können sie sich nochmal viel stärker auf den Schabbat besinnen«, erläutert Shelly Schlafstein.

motto Das Motto für die Jewro, das vom Veranstalter, dem Zentralrat der Juden, ausgewählt wurde, lautet dieses Mal »Don’t Stop Believing«. Leitmotiv der Performances soll der Glaube an das Wahrwerden von Träumen sein – so, wie es etwa für die Gründung Israels gelte.

Details zu den geplanten Choreografien und Songs der teilnehmenden Gruppen sind jedoch streng geheim, denn man will nichts vorwegnehmen. Neben den maximal vierminütigen Tanz- und Gesangseinlagen stellt sich außerdem jedes Team in einem kurzen Video vor. Einige studieren nun die ersten Schritte ein, andere lernen Texte auswendig. Es herrscht eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre. Und nach knapp anderthalb Stunden tanzen sie den ersten Abschnitt der Choreografie schon fast synchron.

»Ich will auf der Bühne stehen und das geben, was ich kann!«, bekräftigt die neunjährige Liel. Dennoch ist die Jewrovision für die Jugendlichen nicht etwa mit Leistungsdruck, sondern mit Spaß am Tanzen und Singen verbunden. »Ich möchte zusammen mit meinen Freunden Menschen erreichen und bewegen«, erläutert ein 13-jähriger Junge, der bereits zum dritten Mal mitmacht, seine Motivation. Es gehe darum, sich gemeinsam aufzustellen, die Community zu stärken und zu zeigen, dass das Judentum vielfältig ist.

auftritt Das Team von Olam wird von nun an mindestens zweimal pro Woche für seinen großen Auftritt üben. Für viele der Jugendlichen wird es der größte Bühnenmoment ihres Lebens werden. »Alle Kinder sollen die Möglichkeit bekommen, diese Erfahrung zu machen«, sagt Shelly Schlafstein, die schon bei der allerersten Jewrovision im Jahr 2002 mitgewirkt hat – damals bei der Show in Bad Sobernheim.
Der Probenplan ist straff, denn viel Zeit bleibt nicht mehr.

Beim Probenauftakt von Olam Berlin wird allerdings klar, dass alle Beteiligten mit Motivation, Spaß und Vorfreude anpacken. »Wir werden hier gemeinsam lachen und gemeinsam weinen«, bringt es eine der Trainerinnen auf den Punkt. Auch Shelly Schlafstein ist sehr zufrieden mit dem ersten Probennachmittag: »Es war toll.« Obwohl es für viele ein langer Tag war, denn etliche kamen schon zum »normalen« Juze-Programm um 13 Uhr. Gegen 19 Uhr gingen die letzten Jugendlichen – leicht erschöpft, aber zufrieden – nach Hause.

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