München

Politische Debatte

Diskussionsrunde im Hubert-Burda-Saal Foto: Andreas Gregor

Gemeindemitglieder kennen es bereits von früheren Urnengängen: Auch zur bevorstehenden Landtagswahl lud die Israelitische Kultusgemeinde zu einer Informationsveranstaltung mit führenden Vertretern der demokratischen Parteien ein. Nach einem Wahlkampf, der in den Worten von IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch nicht nur ihr »die Sprache verschlagen hat«, entspann sich im Hubert-Burda-Saal eine Diskussion, die in ihrer thematischen Vielfalt über das Tagesaktuelle hinausreichte.

Ein wiedererstarkender Antisemitismus in Politik und Gesellschaft, die Frage, wie jüdisches Leben endlich Normalität werden kann, aber auch die künftige bayerische Wirtschaftspolitik in Zeiten der Krise und der Status der Kinderbetreuung: Das waren einige der Dreh- und Angelpunkte, zu denen die Wortbeiträge auf dem Podium wie im Publikum immer wieder zurückkehrten.

spitzenkandidaten Alle fünf anwesenden Politiker, vom Antisemitismusbeauftragten der Staatsregierung Ludwig Spaenle (CSU) über Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler), die Spitzenkandidaten von SPD und FDP, Florian von Brunn und Martin Hagen, bis hin zum Grünen-Landesvorsitzenden Thomas von Sarnowski, bekannten sich klar dazu, jüdisches Leben fördern zu wollen.

Spaenle, der vor Judenhass als einem Phänomen warnte, »das schon immer unser Land mitprägt«, forderte klare Gegenwehr und einen entsprechenden Passus gegen Antisemitismus in der Landesverfassung. Von Sarnowski sprach in Zusammenhang mit Judenfeindlichkeit von einer »offenen Wunde«. Und als Moderator Richard Volkmann aus der IKG-Presseabteilung um ein Zeichen bat, wer sich dafür einsetzen wolle, der jüdischen Gemeinde fehlende Gelder für notwendig gewordene zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen zukommen zu lassen, hoben alle Anwesenden die Hand. Eine solche Zusage hatte sich IKG-Geschäftsführer Steven Guttmann zuvor mit dem nur halb im Scherz geäußerten Satz »Es ist Zeit für Wahlversprechen« gewünscht.

Nachdem Charlotte Knobloch mit der ersten Frage des Abends den Fokus zunächst auf die Wirtschaftspolitik in Bayern gelegt hatte, kam das Publikum in seinen am Mikrofon und per WhatsApp eingereichten Fragen schnell auf die Ereignisse der vergangenen Wochen zurück. Der Feststellung eines Gemeindemitglieds, Hubert Aiwanger habe es an Reue fehlen lassen, pflichtete das gesamte Podium bei.

antisemitismus Gemäß Florian von Brunn haben »wir weiterhin ein Problem«, Martin Hagen warnte davor, dass die von Aiwanger betriebene »Täter-Opfer-Umkehr etwas mit der demokratischen Kultur« mache, und Ludwig Spaenle vermisste ausdrücklich »politischen Anstand«. Kultusminister Piazolo verwies darauf, man werde vor und auch nach der Wahl mit dem Parteivorsitzenden Aiwanger sprechen, und versicherte persönlich: »Wenn es bei den Freien Wählern antisemitische Tendenzen gäbe, würde ich die Partei morgen verlassen.«

Schließlich kamen auch andere Themen wie wirksame Maßnahmen gegen Antisemitismus zur Sprache. Auf die Frage eines Gemeindemitglieds, wie Polizeischutz für jüdische Gemeinden irgendwann überflüssig gemacht werden könnte, plädierte von Brunn unter anderem für Bildungsmaßnahmen und mehr Austausch zwischen deutschen und israelischen Schulen, während Hagen klare Signale der Politik und einen wehrhaften Rechtsstaat forderte.

War man sich in dieser Frage weitgehend einig, wurden auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik doch Unterschiede erkennbar. Der Grünen-Vorsitzende von Sarnowski bemängelte, dass Bayern bei der Nutzung der Windenergie weit zurückliege, während Ludwig Spaenle den Ausstieg aus der Atomenergie für übereilt hielt. Alle Diskutanten befürworteten die Anwerbung von Fachkräften, den Ausbau der Kinderbetreuung und den Abbau von Bürokratie.

Nach Abschluss der politischen Debatte standen die Kandidaten noch für persönliche Gespräche zur Verfügung, ein Angebot, das viele Gemeindemitglieder gerne nutzten. Wer weiß: Manche Wahlentscheidung wurde womöglich auch hier, im direkten Austausch bei Snacks und einem Glas Rotwein, getroffen.

Halle

9. Oktober, 12.03 Uhr

Vor fünf Jahren verübte ein Rechtsextremist den Anschlag auf die Synagoge und einen Döner-Imbiss. Wie geht die Gemeinde heute damit um? Ein Besuch vor Ort

von Thyra Veyder-Malberg  06.10.2024

Solidarität

Gedenken in München

Auf dem Odeonsplatz findet eine Kundgebung in Solidarität zu Israel statt. Vor allem aber lautet die Forderung an die Hamas: Lasst die Geiseln endlich frei

von Barbara Just  07.10.2024 Aktualisiert

Studie

»Andere sehen diesen Schmerz nicht« 

Für Jüdinnen und Juden ist der Anschlag der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober eine tiefe Zäsur

 05.10.2024

Feiertage

Chatima towa, oder was?

Was von Rosch Haschana über Jom Kippur bis Sukkot die korrekte Grußformel ist

von Rabbiner Yaacov Zinvirt  02.10.2024 Aktualisiert

"Heritage Bites"

Apfel-Honig-Donuts: Süßer Twist für Rosch Haschana

Das perfekte Fingerfood für Neujahr? Honig-Apfel-Donuts

von Hannah Brojtmann  02.10.2024

Rosch Haschana

Geballte Frauenpower zum neuen Jahr!

Wer sind die feministischen Größen im Judentum?

von Chiara Lipp  02.10.2024

Jüdischkeit

Alle Jahre wieder: Bin ich jüdisch genug?

»Da ich fern von jüdischer Religion aufwuchs, gab es viele Dinge, die ich nicht verstand«

von Lien Droste  02.10.2024

Bilanz

Jüdische Sozialarbeit nach 7. Oktober massiv beeinträchtigt

Der Wohlfahrtsverband forderte, soziale Räume des Alltags in Deutschland für Juden sicher zu machen

 02.10.2024

Israel / München

Trauer um Holocaust-Überlebenden Daniel Chanoch

Daniel Chanoch durchlitt als Junge eine Odyssee durch sechs Konzentrationslager - und überlebte. Bis ins hohe Alter engagierte er sich in der Erinnerungsarbeit. Nun starb der Zeitzeuge mit 92 Jahren in Israel

 02.10.2024