Interview

»Persien sucht die Super-Königin«

Shlomit Tulgan, Sie haben das Puppentheater »bubales« in Berlin gegründet – und treten in vielen Städten mit dem Stück »Esther, Königin und Retterin« auf. Darin heißt es: »Persien sucht die Super-Königin«. Wie sind Sie darauf gekommen?
Das ist natürlich eine Anspielung auf die Bibel: Esther wird Königin, nachdem der persische König seine erste Frau Vashti verstoßen hat. Als Siegerin in einem Schönheitswettbewerb wird Esther dann seine zweite Frau und Königin von Persien. Aber es ist auch eine Anspielung auf die Fernsehsendung »Deutschland sucht den Superstar«, die so ziemlich jeder kennt. Und es zeigt, dass wir uns eigentlich nicht sehr verändert haben: Schon im Persischen Reich, so wie es in der Esther-Rolle in der Bibel erzählt wird, wurde die schönste Frau die Ehefrau des Königs. Also, Oberflächlichkeit und Eitelkeit gibt es bis heute. Und darüber mache ich mich lustig.

Die beiden Frauen im Theaterstück sind sehr stark und selbstständig. Vashti, die erste Frau des Königs Achaschwerosch, will nicht für ihren Mann tanzen. Aber auch Esther, seine zweite Frau, verhält sich nicht so, wie der persische Herrscher es erwartet. Sie geht zum König, um die Juden vor Haman zu retten, obwohl der König sie nicht gerufen hat. Sind diese Frauen Vorbilder?
Mir wurde als Kind gesagt, dass Esther in dieser Geschichte das Vorbild ist: Sie hat sich dem König angepasst und war die »weiche« Frau, die so ist, wie ein Mann sie sich wünscht. Und Vashti hat sich so verhalten, wie ein Mann es sich nicht wünscht: rebellisch, aufmüpfig, hart und direkt. Aber später habe ich gemerkt, dass Esther nicht viel anders als Vashti war – nur dass sie eben etwas geschickter und »weicher« an die Sache rangegangen ist, aber am Ende ihren Willen durchgesetzt hat. Esthers Erfolgsrezept bestand darin, dass sie ihrem Mann das Gefühl gab, dass er der Chef ist –obwohl er es nicht wirklich war.

Esther hat in Ihrem Stück zwei andere Frauen im Schönheitswettbewerb besiegt: die »Party-Königin« und das »Heimchen am Herd«. Der König entscheidet sich schließlich für Esther, weil sie beides will: Kinder und einen Beruf. So steht das aber nicht in der Bibel – warum haben Sie die Geschichte geändert?
Das ist unsere Erfindung, und wir sagen auch sehr deutlich, dass wir uns nicht hundertprozentig an die Esther-Rolle halten. Wir Frauen haben doch heute alle dieses Dilemma: Die meisten von uns wollen Kinder, aber auch Erfolg im Beruf. Und Esther ist eben die, die einen Mittelweg findet.

Auch in einem anderen Punkt ist das Theaterstück anders als die Bibel. Haman wird nicht aufgehängt, sondern er wird in eine Hamantasche verwandelt. Warum?

Die Purim-Geschichte ist eigentlich nicht »jugendfrei«. Wenn man sich strikt an die Esther-Rolle hält, dann ist das eine sehr brutale Geschichte. Und wir haben uns überlegt: Wie bringen wir das rüber, ohne Kinder zu schockieren, und zeigen gleichzeitig, dass da ein wirklich böser Mensch war, der bestraft werden muss?

Über seine Verwandlung in Gebäck regt Haman sich sehr auf.
Ja, er will sich bei der Ethik-Kommission beschweren. Aber das nützt ihm nichts!

Was ist für Sie das Wichtigste an der Purim-Geschichte?

In unserem Stück gibt es ein Lied, das geht so: »Wenn du keine Hoffnung hast, und jemand will dich für deinen Glauben verhauen, dann darfst du nicht aufgeben und solltest in dich und auch in andere vertrauen.« Dadurch, dass Mordechai und Esther zusammen einen guten Plan geschmiedet haben, wurden die Juden vor Haman gerettet. Selbst in der hoffnungslosesten Situation ist man nie alleine. Es gibt immer jemanden, der einem helfen kann. Aber man muss sich auch wehren. Und wenn jemand einen verhauen will, muss man manchmal auch zurückhauen.

Das Gespräch führte Ayala Goldmann.
Mehr Informationen unter: www.bubales.de

Zusammenhalt

Kraft der Gemeinschaft

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern feierte das Fest der Freiheit im Geiste von Tradition und Herzlichkeit

von Rabbiner Shmuel Aharon Brodman  03.05.2025

Porträt der Woche

Die Zeitzeugin

Assia Gorban überlebte die Schoa und berichtet heute an Schulen von ihrem Schicksal

von Christine Schmitt  03.05.2025

Sehen!

Die gescheiterte Rache

Als Holocaust-Überlebende das Trinkwasser in mehreren deutschen Großstädten vergiften wollten

von Ayala Goldmann  03.05.2025 Aktualisiert

München

Anschlag auf jüdisches Zentrum 1970: Rechtsextremer unter Verdacht

Laut »Der Spiegel« führt die Spur zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens

 02.05.2025

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025

Berlin

Tage im Mai

Am Wochenende beginnt mit »Youth4Peace« ein Treffen von 80 jungen Erwachsenen aus 26 Ländern. Sie wollen über Frieden und Demokratie sprechen. Auch Gali und Yuval aus Israel sind dabei

von Katrin Richter  01.05.2025

Frankfurt

Zwischen den Generationen

2020 führten Jugendliche gemeinsam mit Überlebenden der Schoa ein »Zeitzeugentheater« auf. Nathaniel Knops Dokumentarfilm »Jetzt?« zeigt dessen Entstehung und feierte nun Premiere

von Eugen El  01.05.2025

Berlin

Für mehr Sichtbarkeit

Wenzel Michalski wird Geschäftsführer des Freundeskreises Yad Vashem. Eine Begegnung

von Christine Schmitt  30.04.2025

Hanau

Das zarte Bäumchen, fest verwurzelt

Vor 20 Jahren gründete sich die jüdische Gemeinde – zum Jubiläum wurde eine neue Torarolle eingebracht

von Emil Kermann  30.04.2025