Einblicke

Pausen? Kaum möglich

Rebbetzin Rachel Wagner und Rabbiner Yitzchak Mendel Wagner mit ihren Kindern Foto: privat

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Pausen? Kaum möglich

Rebbetzins haben während der Feiertage viel zu tun – in der Familie und in der Gemeinde

von Christine Schmitt  23.09.2023 22:04 Uhr

Vor und während der Hohen Feiertage ist eine gute Planung wichtig. »Ich mache mir schon Wochen vorher Gedanken und erstelle To-do-Listen«, sagt Rachel Wagner, Rebbetzin in Krefeld. »Für mich dreht sich in diesen Tagen alles um die Gemeinde«, berichtet die 44-Jährige, die vor 30 Jahren aus der Ukraine nach Krefeld kam. Zu Hause müssten in dieser Zeit notgedrungen einige Dinge liegen bleiben.

Zuletzt stand die Vorbereitung für Jom Kippur an – ein Fastentag, doch nach Fastenende gibt es eine wichtige Mahlzeit, für die gut vorgeplant werden muss. In der vergangenen Woche hatte Rachel Wegner mit anderen Frauen aus der jüdischen Gemeinde für Rosch Haschana Challot gebacken, die an Gemeindemitglieder verschenkt wurden.

Tova Flomenmann ist in Lörrach nicht nur Rebbetzin, sondern auch Maschgicha.

Erst kürzlich unternahm Rachel Wagner mit anderen Gemeindemitgliedern einen Tagesausflug nach Antwerpen, um koschere Lebensmittel einzukaufen. »Die Stadt ist mit dem Auto nur anderthalb Stunden entfernt, da liegt es natürlich in doppelter Hinsicht nahe.« Diesmal hat sie sicherheitshalber aber auch Challot in großen Mengen gekauft. »Normalerweise backen wir selbst, aber da es nun so viele Kidduschim gibt, möchte ich lieber einen Vorrat für die nächsten Wochen haben. Glücklicherweise gibt es auch in Düsseldorf einen großen Koscher-Laden, in dem wir Stammkunden sind.«

Die mittleren ihrer vier Kinder sind in diesen Tagen in der Schule, während die knapp Dreijährige von der großen Tochter betreut wird, damit Rachel Wagner ihre To-do-Listen abarbeiten kann. »Mit einer guten Organisation, einer durchdachten Logistik und mit Gottes Hilfe ist alles machbar.« Sie »liebe ihren Job«, aber man dürfe nicht faul sein und sich keine Pause auf dem Sofa gönnen.

In ihrer Kindheit in der Ukraine gab es für sie keine Möglichkeit, die Hohen Feiertage zu begehen. Erst als sie als Teenager nach Krefeld kam, konnte sie sich mit ihrem Judentum auseinandersetzen. »Von Anfang an habe ich mich hier wohlgefühlt. Krefeld ist mein Zuhause.« Seit 16 Jahren ist sie nun mit Rabbiner Yitzchak Mendel Wagner verheiratet und kümmert sich auch um die Gemeinde: »Für mich ist es die schönste.«

GÄSTE Tova Flomenmann von der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach ist in Belz (Moldawien) geboren. Als Kind emigrierte sie mit ihrer Familie nach Israel. Seit 14 Jahren lebt sie nun in Lörrach. Sie ist nicht nur Rebbetzin, sondern amtiert auch als Maschgicha. Da zu Rosch Haschana mehr Gäste als ursprünglich geplant kamen, musste sie Stühle für knapp 200 Personen organisieren.

Unter den Gästen waren neben Politikern auch Geflüchtete aus der Ukraine sowie Geschäftsleute aus anderen Ländern und Familien. »Einerseits waren wir glücklich, andererseits mussten wir ja auch Platz für alle finden.«

Flomenmanns Wecker klingelt morgens gegen 5.30 Uhr, damit sie alles schafft. Ihre beiden Kinder müssen zur Schule nach Basel gebracht werden, und an den Feiertagen soll nicht nur in der Gemeinde alles schön sein, sondern auch in ihren eigenen vier Wänden. »Das sind zwar Tage mit riesengroßen Herausforderungen, aber ich mag sie«, sagt die 31-Jährige.

An Feiertagen ist Marina Charnis, Ehefrau von Rabbiner Zsolt Balla, der in der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig amtiert, immer beim Gemeindekiddusch dabei. Das gelte natürlich auch für Sukkot, weil »wir an den Feiertagen den Kiddusch und Mahlzeiten dort durchführen. Das ist Teil der Arbeit des Rabbiners, die ganze Familie nimmt daran teil«.

REPRÄSENTION Ihre Wohnung liegt in Leipzig direkt über der Synagoge – somit ist der Weg in die Gemeinde kurz. Sie habe eher eine repräsentative Rolle und begrüße gemeinsam mit ihrem Mann nach den Gottesdiensten die Besucher, sagt Marina Charnis. Mit manchen entwickelten sich längere Gespräche, in denen Neuigkeiten über die Arbeit, Gesundheit oder die Familie ausgetauscht werden. »Das ist ein Begegnungspunkt.«

Worauf sie immer ein Auge hat, seien die Kinder – ihre eigenen und die von anderen Familien. »Gottesdienste, die zu Jom Kippur über viereinhalb Stunden gehen, sind für sie sehr lang.«

An Jom Kippur kümmert sich Marina Charnis um die spielenden Kinder im Hof der Synagoge.

Deshalb versorge sie die Kleinen mit geschnittenen Äpfeln, Süßigkeiten und Snacks, wenn sie zwischendurch im Hof der Synagoge spielen. »Da kaufe ich vorher immer viel ein.« Gleichzeitig möchte sie so lange wie möglich den Gottesdienst verfolgen. Und zu Jom Kippur wird selbstverständlich gefastet. Da die Wohnung über keinen Balkon verfügt, geht die Familie zu Sukkot immer in die Laubhütte der Gemeinde. Die Sukka ist in den mittleren Tagen des Laubhüttenfestes frei verfügbar.

Was die Rebbetzins leisten, ist vielen Gemeindemitgliedern vielleicht nicht immer bewusst. Doch ohne ihre Arbeit im Hintergrund sähe vieles an den Feiertagen in den Gemeinden sicher ganz anders aus.

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