Wenn wir an unsere Kindheit denken, tauchen neben Bildern, Ereignissen, Geräuschen und Farben meist auch Gerüche in unserer Erinnerung auf. Das mag der Geruch eines besonderen Gerichts sein, das wir zu bestimmten Anlässen gern gegessen haben, das Parfüm, das sich die Mutter oder Großmutter manchmal hinters Ohrläppchen tupften, während wir anschließend heimlich an der kostbaren Flasche schnupperten. Es könnte sich aber auch um weniger wohltuende, einprägsame Gerüche handeln – den von geschmolzenem Asphalt an einem heißen Hochsommertag oder von erkaltetem Tabak im Aschenbecher.
Für Erez Zielinski Rozen, den Gründer und Inhaber der aus Israel stammenden Parfüm-Marke Zielinski & Rozen, ist es der Duft eines Kindershampoos, an den er sich besonders gern erinnert. Dabei handele es sich weniger um einen spezifischen Geruch, »ich könnte nicht einmal sagen, wonach es genau gerochen hat, es war eher der Gesamteindruck, den ich so mochte«, erzählt der Unternehmer.
Bereits in jungen Jahren hätten ihn Gerüche fasziniert, erzählt Rozen. »Andere Menschen drücken sich durch ihre Musik aus, durch Videos oder Kunst, ich drücke mich durch das Komponieren von Düften aus«, sagt der Vater von drei Töchtern im Teenageralter, der das Unternehmen gemeinsam mit seiner Frau Lea führt: »Man könnte sagen, dass ich total verrückt nach Düften bin.«
Unzählige Fläschchen und Flakons wurden aufgebaut
Um seine in Israel bekannte Marke auch in Deutschland zu promoten, ist Rozen nach Berlin gekommen. Schon von Weitem ragt der Unternehmer aufgrund seiner Größe aus der Menschenmenge heraus. Freundlich begrüßt er die eintreffenden Gäste im Foyer des Amano Hotels in Mitte. Neben einigen Promis und Vertretern aus der Lokalwirtschaft haben sich auch Beauty-Blogger eingefunden, die sogleich von der – für diesen Anlass aufgebauten – Duft-Bar Gebrauch machen.
Dort sind unzählige Fläschchen und Flakons aufgebaut, die in ihrer schlichten Anmutung aus braunem Glas an die Apothekerbehältnisse von anno dazumal erinnern. Und damit auch an Marken wie Kiehl’s oder Aesop. Es macht Spaß, sich mit den einzelnen Gerüchen vertraut zu machen. Wie riecht schwarze Vanille oder rosa Pfeffer? Worin unterscheiden sich Rosen- und Sandelholz von Zedernholz? Wie gut harmoniert Zitrone mit Neroli, Orange mit Jasmin und Tabak? Im dezent beleuchteten Regal hinter den Probierfläschchen befinden sich weitere Produkte, die den schlichten Schriftzug des Labels tragen. In Pergamentpapier verpackte Seifen, Duschgels, Handseifen, Lotionen oder Body Scrubs. Diese können vor Ort an einem kleinen Handwaschbecken ausprobiert werden.
Eines Tages habe er das Notizbuch seines Vorfahren entdeckt, eine Art Chronik der Rezepte.
Nach und nach ist der Raum von den unterschiedlichsten Duftschwaden erfüllt, die sich die Gäste auf die Haut sprühen. Erfreulich für empfindliche Nasen: Die Düfte sind weder zu schrill noch zu dominant, was auch daran liegen mag, dass die Zutaten auf der Basis von natürlichen Ölen hergestellt werden. Dabei gibt es keine typischen Männer- oder Frauenparfüms. Alles unisex.
Unterdessen reichen flink herumwuselnde Kellner den zahlreich erschienenen Gästen – manche davon in großer Robe – Sekt und Fingerfood. Denn schließlich gilt es, die Einführung der Marke auf dem deutschen Markt zu zelebrieren. Rozen konzentriert sich ganz auf seine Präsentation. Zunächst bedankt er sich bei allen Anwesenden. »Ohne meine Frau wäre das alles hier gar nicht denkbar«, sagt der 51-Jährige. Wegen anderer Termine sei sie an diesem Abend aber verhindert.
Berlin sei schwer in Worte zu fassen
Ob ihm Berlin gefalle, wird er wiederholt gefragt »Es ist eine unglaubliche Stadt!«, antwortet Rozen spontan, und man nimmt ihm die Freude darüber tatsächlich ab. Berlin sei schwer in Worte zu fassen. Er reise viel, und fast überall auf der Welt fühle er sich wohl, besonders, wenn er Gelegenheit habe, sich auf Land und Leute einzulassen, aber Berlin sei speziell. »Auf eine erschreckende Art spontan«, sagt Rozen. Er genieße jede Sekunde, die er hier sei. Zuvor war er in Sofia, in London hält er sich ebenfalls gern und häufig auf.
Ob er sich auch ein wenig mit der jüdischen Geschichte und der Vergangenheit der deutschen Hauptstadt beschäftigt habe, wird er gefragt. Rozen schüttelt den Kopf. Seine Vorfahren stammen ursprünglich aus Polen, und man könne sagen, dass er in einem pessimistischen Elternhaus aufwuchs. Er sei ein großer Optimist, der das Leben liebe und schätze. Darüber hinaus begeistere er sich für Mode, die er ebenso wie Düfte als ein Mittel des persönlichen Ausdrucks verstehe.
Erfreulich für empfindliche Nasen: Die Düfte sind weder schrill noch dominant.
»Und ich liebe es zu laufen«, sagt Rozen, immer in Bewegung zu bleiben. »Heute ist heute« – das sei eine Art Lebensmotto für ihn.
Die Wurzeln des Unternehmens reichen bis ins Jahr 1905 zurück. In den Gassen von Jaffa gründete sein Urgroßvater, ein Parfümeur, ein handwerkliches Duftatelier. Die Rezepte für seine Duftkreationen hütete er wie ein Geheimnis. Anders als sein Urgroßvater sei er kein ausgebildeter Parfümeur, er gehe sehr intuitiv an sein kreatives Handwerk heran und lasse sich dafür überall inspirieren, erzählt Rozen. Der Unternehmensgeschichte zufolge hat er eines Tages das alte Notizbuch seines Vorfahren entdeckt, eine Art Chronik der Düfte mit geheimen Parfümformeln. Einige Jahre später hat er gemeinsam mit seiner Frau das alte Familienhandwerk wiederbelebt.
Üblicherweise besteht jeder Duft aus der Zusammensetzung dreier Komponenten, die so aufeinander abgestimmt sind, dass sie harmonieren. Man unterscheidet die Kopf-, Herz- und Basisnote. In der Kopfnote werden die Aromen eingeschlossen, die nach dem Öffnen des Flakons herausströmen. Der erste Eindruck gilt den luftigen Duftstoffen, den zitronigen, aquatischen. Die zweite, mittlere Phase des Duftverlaufs schält sich erst nach der Verflüchtigung der Kopfnote heraus. Sie ist subtiler und hält für etwa zwei bis drei Stunden an. Dabei dominieren blumige und krautige Düfte. Die letzte Phase gilt der Basisnote, die für die Essenz eines Parfüms steht. Sie sorgt für Haltbarkeit und brennt sich in unsere Erinnerung ein. Häufig ist sie von orientalischen, harzigen oder holzigen Duftnoten bestimmt.
Die Basisschicht stehe für die Familie, die jeder Schöpfung Wärme und Tiefe verleihe
Der Philosophie von Zielinski & Rozen nach wird die Duft-Pyramide auch von emotionalen Komponenten geprägt. Die Basisschicht stehe für die Familie, die jeder Schöpfung Wärme und Tiefe verleihe. Die mittlere Schicht für den Mut, das Unbekannte zu erkunden, und dafür, sich im Einklang mit der Welt zu befinden. Die obere Schicht stehe für wertvolle Momente. Ein Parfüm als Lebensphilosophie? Warum nicht? Möglicherweise ist das Teil des internationalen Erfolgs des Unternehmens. Gleichwohl gilt Zielinski & Rozen immer noch als Nischenmarke.
Auch wenn es bislang keine offiziell genannte Anzahl von Filialen gibt, was auch daran liegen mag, dass die Produkte in manchen Ländern nur online oder über Einzelhändler erhältlich sind, tauchen auf der Homepage des Unternehmens rund 21 Ladenlokale auf. Von Athen oder Barcelona bis Ibiza, Mailand, Paris, Rom, London oder Thessaloniki, um nur eine Auswahl zu nennen.
Und Berlin? Ab jetzt können Parfüm-Enthusiasten Zielinski & Rozen-Produkte über die Online-Plattform »flaconi« bestellen, wo ein Parfüm der Marke ab 24 Euro erhältlich ist. Ein eigenes Geschäft sei hingegen noch nicht in Planung. »Aber natürlich wäre das ein Traum«, sagt Rozen.