Pessach

Nur noch zwei Wochen

Ein Klassiker zu Pessach: die Jerualemer Matzos. Auch sie sind aufgrund der Inflation und der erhöhten Transportkosten teurer geworden. Foto: Marina Maisel

In jedem Jahr gibt es kurz vor Pessach immer mindestens ein Problem. In den vergangenen war die Pandemie schuld, nun sind es die umfangreichen Baumaßnahmen an der Synagoge und dem Gemeindehaus, so Max Privorozki, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Halle.

Er hoffe, dass in den nächsten Tagen wenigstens die Fenster ausgetauscht sein werden. Aber für zwei kleine, feine Sederfeiern stünde nun nur der Kidduschraum zur Verfügung. Maximal würden dort 35 Beter Platz finden, sodass insgesamt etwa 60 Menschen über zwei Abende verteilt feiern können. »Falls ein Jude noch spontan kommen würde, dann möchten wir ihm auch einen Platz geben, weshalb wir mit einigen wenigen dann in einen Vorbereitungsraum ausweichen können.« Keiner werde nach Hause geschickt.

küche Ansonsten haben er und seine Helfer viel zu tun: 120 Pakete werden älteren Gemeindemitgliedern gebracht. Und denjenigen, von denen bekannt ist, dass sie allein leben, wird ein vollständiges Pessachmenü nach Hause geliefert. »Zubereitet in unserer eigenen, gut ausgestatteten, koscheren Küche.« Er wisse von etwa 40 alleinstehenden, älteren Mitgliedern.

Da bereits seit Monaten klar war, dass die Preise erhöht werden würden, hatte die Repräsentantenversammlung schon bei der Verabschiedung des Haushaltsplans einen höheren Etat dafür verabschiedet. Auch können die Mitglieder über die Gemeinde Lebensmittel bestellen, die dann bei einem Großhändler – günstiger – eingekauft werden.

Für die Feiern steht nur ein Ausweichquartier zur Verfügung.

Raumprobleme hat auch die Jüdische Gemeinde Dessau. Da gerade die Synagoge neu gebaut und das Gemeindehaus saniert wird, steht nur ein Ausweichquartier zur Verfügung. »Wir werden nur eine Sederfeier anbieten können«, sagt Alexander Wassermann, Vorsitzender der Gemeinde. In den vergangenen Jahren kamen etwa 50 bis 60 Mitglieder zur Feier, von denen die Frauen separat saßen. »Dieses Jahr können wir nicht gemeinsam feiern«, sagt Wassermann. Denn der Raum sei nicht groß genug. Deshalb rechnet er mit 15 bis 20 Männern bei der Sederfeier.

holocaust-überlebende Wie schon in den vergangenen Jahren verteilt die Gemeinde auch in diesem Jahr Pessach-Pakete an Holocaust-Überlebende. Außerdem bekomme jedes Mitglied und dessen Angehörige eine Packung Mazze geschenkt. »Das sind etwa 500 Packungen.« Dass diese Preise gestiegen sind, tangiert den Gemeindechef nicht so sehr wie die explodierenden Baukosten. »Wir brauchen dringend Spender für die Baumaßnahmen.«

In den Lagerräumen in Spandau wird aus- und eingepackt. Täglich kommen mehrere Waren in Containern an. Und etwa 20 Paletten mit Paketen verlassen die Lagerräume wieder. »Die Stunden vergehen wie im Flug«, sagt Lali Silber von »Lampari« in Berlin. Viele Gemeinden bestellen bei ihr. »Auch in diesem Jahr wieder das übliche: Mazzot, Wein, Mazzemehl, Salzgurken und was dazu gehört.« Es gingen mehr Bestellungen ein als in den vergangenen Jahren – und das, obwohl die Kosten gestiegen sind. »Vor allem die Transportkosten sind deutlich höher«, bedauert sie.

Kinderseder, Seder für alle, Gottesdienste – in der Israelitischen Gemeinde Freiburg wird Pessach mehrmals gefeiert. »Unsere Geflüchteten aus der Ukraine sind gut eingebunden, und dank ihnen ist das Gemeindeleben lebendiger geworden«, sagt Vorsitzende Irina Katz. Die Kindergruppe habe sich sogar verdoppelt. Etwa 100 Geflüchtete werden von der Gemeinde betreut und nehmen auch an den Sederabenden teil. Irina Katz rechnet mit 100 Betern zu den Feiern. »Wir könnten noch mehr einladen, so hoch ist die Nachfrage, aber unser Saal ist zu klein«, so Katz.

verteilung Mazzot, Saft, Wein und ein Glas Gefilte Fisch kommen auf jeden Fall in die Pessachpakete, die in diesen Tagen von den Gemeindemitgliedern zusammengestellt werden – für die Mitglieder, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Irina Katz rechnet mit 120 Personen, die nicht mehr mobil genug sind, um in die Gemeinde kommen zu können. Ausgeteilt werden die Pakete von den »christlichen Freunden« der »Aktion Schalom Freiburg«.

Am Anfang dieser Woche waren Mitarbeiter der Gemeinde nach Straßburg gefahren, um alles einzukaufen. Mitglieder konnten auch ihre Bestellungen aufgeben und von den Rabatten, die der Gemeinde gewährt werden, profitieren. »Die Preise sind mittlerweile doppelt so hoch wie im vergangenen Jahr«, sagt sie.

In Schwerin gibt es ebenfalls viel zu tun. Am ersten Abend lädt die Jüdische Gemeinde zur Sederfeier ein. »Leider verfügen wir nur über ein kleines Gemeindehaus mit einem kleinen Saal«, bedauert Janina Kirchner. 600 Mitglieder zählt sie, aber nur für 60 wird Platz sein. Zudem können die Mitglieder koschere Weine, Mazzot, Mehl und saure Gurken im Gemeindehaus abholen, die bereits in diesen Tagen geliefert worden sind. »Die Preise sind hoch«, sagt Janina Kirchner. »Aber beim Pessachfest muss man nicht sparen.«

Mazzot, Saft, Wein und ein Glas Gefilte Fisch kommen auf jeden Fall in die Pessachpakete, die in diesen Tagen von den Gemeindemitgliedern zusammengestellt werden.

Sie selbst wird in der Gemeinde Pessach feiern, denn ihre Kinder leben derzeit in Wiesbaden. Auch eine Familie, die aus der Ukraine geflüchtet ist, wird mitfeiern. »Wir engagieren uns sehr für die Geflüchteten und haben einen Arbeitsplatz eingerichtet mit einer Dame, die selbst aus der Ukraine stammt und sich nun für andere um Wohnungen, Kita– und Schulplätze kümmert. Auch als Übersetzerin ist sie dabei.«

GEMÜSE Das erste Pessach als ordinierter Rabbiner wird Andrés Bruckner in der Jüdischen Gemeinde in Bochum feiern. Einen Sederabend wird es auf jeden Fall geben und »hoffentlich am zweiten Tag noch einen für jüngere Menschen«, sagt der Rabbiner. So ist der Plan. Mit etwa 120 Menschen rechnet er am ersten Abend. Holocaust-Überlebende und ältere Gemeindemitglieder werden mit Mazzot versorgt.

»Die sind mindestens 30 Prozent teurer als im vergangenen Jahr«, sagt der Rabbiner. Aber vielleicht sei das Fest ja auch eine gute Gelegenheit, mehr Gemüse zu essen, um überhaupt ein einfaches Essen auf den Tisch zu bringen. »Mazza ist das Brot der Armen, die Feier könnte dieses Jahr einfach und schön sein.«

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Zentralwohlfahrtsstelle verschicken wieder Pessach-Pakete an Gemeindemitglieder zwischen 18 und 35 Jahren. Bestellungen werden noch bis zum 28. März angenommen.

München

»In unserer Verantwortung«

Als Rachel Salamander den Verfall der Synagoge Reichenbachstraße sah, musste sie etwas unternehmen. Sie gründete einen Verein, das Haus wurde saniert, am 15. September ist nun die Eröffnung. Ein Gespräch über einen Lebenstraum, Farbenspiele und Denkmalschutz

von Katrin Richter  14.09.2025

Hamburg

»An einem Ort getrennt vereint«

In der Hansestadt soll die Bornplatzsynagoge, die in der Pogromnacht von den Nazis verwüstet wurde, wiederaufgebaut werden. Ein Gespräch mit dem Stiftungsvorsitzenden Daniel Sheffer über Architektur, Bürokratie und Räume für traditionelles und liberales Judentum

von Edgar S. Hasse  13.09.2025

Meinung

»Als Jude bin ich lieber im Krieg in der Ukraine als im Frieden in Berlin«

Andreas Tölke verbringt viel Zeit in Kyjiw und Odessa – wo man den Davidstern offen tragen kann und jüdisches Leben zum Alltag gehört. Hier schreibt er, warum Deutschland ihm fremd geworden ist

von Andreas Tölke  13.09.2025

Porträt der Woche

Das Geheimnis

Susanne Hanshold war Werbetexterin, Flugbegleiterin und denkt über Alija nach

von Gerhard Haase-Hindenberg  13.09.2025

Jahrestag

»So betäubend wie damals«

Am Mahnmal in Fürstenfeldbruck wurde an die Opfer des Olympia-Attentats von 1972 erinnert

von Luis Gruhler  13.09.2025

Feiertage

Tradition im Paket

Das Familienreferat des Zentralrats der Juden verschickt die neuen Mischpacha-Boxen mit allerhand Wissenswertem rund um Rosch Haschana und Sukkot

von Helmut Kuhn  12.09.2025

Interview

»Berlin ist zu meiner Realität geworden«

Die Filmemacherin Shoshana Simons über ihre Arbeit, das Schtetl und die Jüdische Kunstschule

von Pascal Beck  11.09.2025

München

Ein Fundament der Gemeinde

Die Restaurierung der Synagoge an der Reichenbachstraße ist abgeschlossen. In den Erinnerungen der Mitglieder hat das Haus einen besonderen Platz

von Luis Gruhler  11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Die Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigte sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025