Wiesbaden

Namentliches Gedenken

Ein ausgemachter Fußballfan ist Karlheinz Schneider eigentlich nicht. Wenn er dennoch sehr oft »die Elf« erwähnt, dann hat das weniger mit Sport als mit Geschichte zu tun. Mit »der Elf« ist ein Gebäude im Herzen der Wiesbadener Altstadt gemeint. »Die Elf« ist Hausnummer und zugleich Spitzname des Ausstellungshauses des Aktiven Museums in der Spiegelgasse, das von Schneider mitgegründet wurde. »Wobei wir auch kein Museum im herkömmlichen Sinne sind«, schränkt Schneider ein.

Die Gegend rund um das Ausstellungshaus war lange Zeit das Zentrum jüdischen Lebens in der Kurstadt. Haus Nr. 9, wo sich heute die Geschäftsstelle des Museums befindet, beherbergte ab Mitte des 19. Jahrhunderts den Pariser Hof, ein Badehaus, in dem sich auch eine jüdische Schule und ein Betsaal befanden.

Modernisierung Im älteren Haus Nr. 11 war die Mikwe untergebracht. Die Schoa und den Zweiten Weltkrieg überstand das Viertel größtenteils unbeschädigt. »Das Terrain hier war nicht zerstört, aber auch nicht saniert«, erinnert sich Schneider. Ende der 80er-Jahre aber wäre die historische Gasse dann beinahe einer Stadtmodernisierung zum Opfer gefallen. 1987 formierte sich unter dem Motto »Rettet die Spiegelgasse« eine Initiative, aus der später der Museumsverein erwachsen sollte.

Die museale Aufarbeitung jüdischer Geschichte steht jedoch nicht unbedingt im Mittelpunkt. »Uns geht es darum, Bürger zu aktivieren, sich mit deutsch-jüdischer Geschichte zu befassen«, erklärt Schneider. »Es geht nicht um reine Geschichtsvermittlung«, betont auch der zweite Vorsitzende des Museums, Luciano Becht. Stattdessen versuche man etwa mit der Jugendinitiative »Spiegelbild« junge Menschen dort abzuholen, wo sie stehen. »Damit erreichen wir ein anderes Milieu als das klassische Bildungsbürgertum«, ist Becht überzeugt.

Besonderen Wert legt das Aktive Museum auf die Aufarbeitung individueller Biografien. »Namentliches Gedenken« nennt sich das Konzept, das darauf setzt, den Opfern des Nationalsozialismus die Individualität wiederzugeben, die ihnen von ihren Mördern genommen wurde. 1507 Namen von Wiesbadener Juden sind in das große Mahnmal am Michelsberg eingelassen, das seit Januar 2011 an Verfolgung und Ermordung erinnert.

Chiffre Genau an diesem namentlichen Erinnern hat sich in jüngster Zeit ein Streit zwischen Museum und jüdischer Gemeinde entzündet. Bei vielen Opfern, deren Todesumstände nicht geklärt sind, steht 1945 als Chiffre und symbolisches Datum – auch bei jenen aus dem Todeslager Sobibor, das bereits 1943 dem Erdboden gleichgemacht wurde.

Das Aktive Museum hatte gefordert, die Sterbedaten bei Opfern, die nachweislich nach Sobibor deportiert wurden, auf 1943 abzuändern. »Weil wir von Angehörigen darum gebeten wurden«, betont Schneider. Jakob von Gutmark, Vorsitzender der Gemeinde, hatte hingegen dafür plädiert, 1945 als symbolisches Sterbedatum beizubehalten. Dem Aktiven Museum unterstellte er in einem Interview mit der FAZ, eine »Deutungshoheit« zu beanspruchen, die ihm nicht zustünde. »Unangenehm« sei es, so Schneider, dass dieser Streit an die Öffentlichkeit dringe, »zumal wir uns mit der Stadt eigentlich schon einig sind.«

Unabhängig vom Ausgang des Streits wolle man die Arbeit in der hessischen Landeshauptstadt fortsetzen. Die neu gegründete Paul-Lazarus-Stifung etwa hat den Auftrag, die wissenschaftliche Aufarbeitung der umfassenden Nachlässe und Archive, die das Museum inzwischen verwaltet, zu organisieren. »Inzwischen hat sich nämlich eine Menge angesammelt«, sagt Schneider.

Thüringen

Voigt für deutsch-israelisches Jugendwerk in Weimar

Er führe dazu Gespräche mit israelischen Partnern, die bereits Interesse an einer Ansiedlung in Thüringen signalisiert hätten

 11.07.2025

Frankfurt am Main

Rabbinerin: Zentralrat hat Öffnung des Judentums begleitet

Elisa Klapheck spricht in Zusammenhang mit der jüdischen Dachorganisation von einer »Stimme, die auf höchster politischer Ebene ernst genommen wird«

 11.07.2025

Maccabiah

Zusammen sportlich

Trotz der Verschiebung der Spiele auf 2026 überwog auf dem Pre-Camp in Berlin Optimismus

von Frank Toebs  10.07.2025

Street Food Festival

Sich einmal um die Welt essen

Tausende besuchten das Fest im Hof der Synagoge Oranienburger Straße in Berlin

von Helmut Kuhn  10.07.2025

Berlin

»Berlin verneigt sich«

Zwei Monate nach ihrem Tod wird die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer in Berlin gewürdigt. Der Bundespräsident mahnt vor Politikern und Weggefährten, das Erbe der Jahrhundertfrau weiterzutragen

von Alexander Riedel  09.07.2025 Aktualisiert

Engagement

Verantwortung übernehmen

Erstmals wurde der Fritz-Neuland-Gedächtnispreis verliehen. Die Auszeichnung erhielten der Jurist Andreas Franck und die AG PRIOX der bayerischen Polizei

von Luis Gruhler  09.07.2025

Deutsch-Israelischer Freiwilligendienst

»Wir müssen gewachsene Strukturen erhalten«

ZWST-Projektleiter Erik Erenbourg über ein besonderes Jubiläum, fehlende Freiwillige aus Deutschland und einen neuen Jahrgang

von Christine Schmitt  09.07.2025

Essen

Vier Tage durch die Stadt

Der Verein Kibbuz Zentrum für Kunst, Kultur und Bildung führte 20 Jugendliche einer Gesamtschule an jüdische Orte. Die Reaktionen überraschten den Projektleiter

von Stefan Laurin  09.07.2025

Berlin

Millionenförderung für jüdisches Leben

Die sogenannten Staatsleistungen machten dabei fast 8,9 Millionen Euro in dieser Summe aus. Als Zuwendung für personelle Sicherheitsleistungen flossen den Angaben zufolge 6,1 Millionen Euro

 09.07.2025