Jahrestagung

Mit Gebet und Selbstbewusstsein

Die Überraschung hatte sich Sonja Guentner für das Ende ihrer Begrüßungsrede zur 21. Jahrestagung der liberalen Juden am Donnerstag vergangener Woche im Berliner Centrum Judaicum aufgehoben.

Die Vorsitzende der Union progressiver Juden in Deutschland (UpJ) fasste sie in zwei Sätzen zusammen: »Im Rahmen ihrer Kabinettssitzung am 23. Juni 2015 hat uns die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen offiziell die Körperschaftsrechte verliehen. Nach Abschluss des dazu noch notwendigen Gesetzgebungsverfahrens werden wir künftig kein Verein mehr sein, sondern eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.« Die Gäste quittierten das mit starkem Beifall.

Seit 1995 gibt es diese alljährliche Konferenz im Sommer. Zuerst fand sie in der Nähe von Frankfurt statt, seit 2003 im Berliner Johannesstift. Die Initiative dazu ging ursprünglich von dem Frankfurter Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik aus. Er hatte ein regelmäßiges, aber eher informelles Treffen im Sinn. Damals gab es – neben einzelnen Gruppen, die sich schon als neue Gemeinde verstanden – noch viele einzelne Juden und Jüdinnen, die einen Ort suchten, um etwas über neue Formen des Gebets und der Spiritualität zu lernen, die sich über jüdische Philosophie und Tradition austauschen oder etwas über neuere Lesarten der Tora erfahren wollten.

Entwicklung
Schon im Jahr darauf aber steuerten die Teilnehmer auf eine engere Zusammenarbeit hin. 1997 wurde schließlich in München die »Union progressiver Juden« als Verein ins Leben gerufen. Noch im selben Jahr erschien der Reform-Siddur »Seder haTefilot«.

Zug um Zug entwickelte die junge UpJ eigene Strukturen – anfänglich mithilfe des europäischen Zweiges der World Union for Progressive Judaism und eines Freundeskreises aus amerikanischen Juden um den aus Augsburg stammenden Reformrabbiner Walter Jacob. Heute gibt es eine eigene Jugendabteilung, die mit der weltweiten reformzionistischen Jugendorganisation »Netzer« verbunden ist, eine Organisation für junge jüdische Erwachsene – »Jung und Jüdisch« – und mit dem Abraham Geiger Kolleg an der Universität Potsdam ein Rabbiner- und Kantorenseminar, das der UpJ nahesteht. Viele dieser Angebote werden auch von Mitgliedern der Einheitsgemeinden in Anspruch genommen.

Mit der Verleihung der Körperschaftsrechte im 21. Jahr ihrer Existenz tritt die Union progressiver Juden nun in ein neues Stadium. Staatlicherseits wird ihr damit bescheinigt, eine religiöse Vereinigung von Dauer zu sein. Damit sind nach dem staatlichen Kirchenrecht einige Privilegien und Verpflichtungen verbunden. Welche wirksam werden, ist allerdings noch offen. Das gilt insbesondere für das Verhältnis zum Zentralrat der Juden in Deutschland, das sich aber seit Herbst 2005 im Großen und Ganzen entspanne, betont auch die Union progressiver Juden. Immerhin fanden 14 Unionsgemeinden Aufnahme unter dem Dach des Zentralrats, elf blieben bislang außen vor. Mit der Konsequenz, dass einige wenige von ihnen seit Neuestem nicht am Kulturprogramm des Zentralrats teilhaben, beklagten Gäste der Jahrestagung.

Den Wunsch, Körperschaft des öffentlichen Rechts zu werden, habe sie, so die UpJ-Vorsitzende Sonja Guentner in Berlin, dem Zentralrat schon vor Jahren vorgetragen. Sonja Guentner betonte auf Nachfrage der Jüdischen Allgemeinen das Interesse der UpJ an konstruktiven Gesprächen.

Programm Diskutiert und gemeinsam gelernt wurde an diesem Wochenende aber auch. Mit 265 Tagungsteilnehmern und 21 Kindern, für die ein eigenes Programm geboten wurde, war in diesem Jahr die Grenze dessen erreicht, was im Berliner Johannesstift räumlich möglich ist.

Die 20 Workshops widmeten sich vor allem den Feiern zum 50-jährigen Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel. Zur Einstimmung erinnerten der israelische Botschafter in Deutschland Yakov Hadas-Handelsman, der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe, und Rabbiner Lawrence Englander, Präsident von Arzenu, dem Verband der liberalen und Reformzionisten, an die verschiedenen Phasen der Entwicklung des besonderen Verhältnisses zwischen beiden Staaten.

In den Workshops der Tagung ging es vor allem um Politisches: Israel nach den Wahlen, die Beziehungen zwischen Israel und der Diaspora oder das Verhältnis zwischen Zionismus und den Siedlungen. Literaturinteressierte erfuhren von der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Elmshorn, Alisa Fuhlbrügge, welche israelischen Autoren in jüngster Zeit Bücher in deutschen Verlagen veröffentlicht haben.

Quiz Betreut von UpJ-Jugendleiter Konstantin Seidler und sechs Madrichim näherten sich die Kinder dem Thema spielerisch: Mit Quizfragen, Zeichnungen, Erkundungen und Geschichten wanderten sie in »Traumreisen« vom Golan herab ans Mittelmeer nach Haifa, durch Galiläa, nach Jerusalem und Tel Aviv.

Sie lernten die Negevwüste kennen, badeten im Toten Meer und schnorchelten in ihrer Fantasie bei Eilat. Außerdem schufen sie sich für ihren Kinder-Schacharit mit dem Münchner Rabbiner Tom Kucera eine eigene, von ihnen selbst illustrierte kleine Torarolle mit dem Text des aktuellen Wochenabschnitts Balak.

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