Berlin

Mehr Platz für die Kleinen

Es ist das Highlight des jüdischen Berlin an diesem Tag: Zahlreiche Gäste haben am vergangenen Donnerstag das Jeanette-Wolff-Seniorenzentrum besucht, um gemeinsam mit Kindern, Eltern, Gemeindevertretern und Politikern das Richtfest der neuen Kita zu feiern.

Die Besucher versammeln sich an diesem Tag um die Tische und unterhalten sich bei bestem Wetter angeregt über das neue Gebäude. Vor der Baustellen-Kulisse probt ein Kinderchor unter Leitung von Kantor Isidoro Abramowicz schnell noch ein letztes Mal die hebräischen Lieder, die die Feier musikalisch begleiten. Dann kann es losgehen.

rohbau Seit Januar wird das Gelände neu bebaut, mittlerweile steht hier ein zweistöckiger Rohbau, der planmäßig im Oktober dieses Jahres fertiggestellt werden soll. Die Gemeindemitglieder sind an diesem Nachmittag da, um das Richtfest der neuen Kindertagesstätte zu feiern. Das Baugerüst ist mit farbenfrohen Ballons geschmückt, im Inneren des Rohbaus ist ein israelisches Büfett angerichtet.

Namensgeberin der Kita ist die Pädagogin und Zeitzeugin Assia Gorban.

Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, begrüßt vom Rednerpult aus zunächst den Kinderchor. Zusammengerechnet seien die jungen Sängerinnen und Sänger etwa 90 Jahre alt, genau wie Assia Gorban, die Namensgeberin der entstehenden Kindertagesstätte.

Behutsam erklärt Joffe den Kindern, was Assia Gorban, die mit ihrer Familie anwesend ist, in ihrem Leben geleistet hat. Obwohl sie im Alter von acht Jahren zunächst in ein Ghetto und später in ein Konzentrationslager gesperrt wurde, gelang es ihr, nach der Befreiung ein neues Leben anzufangen. So gründete sie eine eigene Familie und begann, als Pädagogin zu arbeiten. Vor über 30 Jahren kam Assia Gorban schließlich nach Deutschland und ist seither in der Gemeindefürsorge – besonders in der Seniorenpflege – aktiv.

nächstenliebe Daneben engagiert sie sich auch im Gemeindeparlament sowie in diversen jüdischen Vereinen wie »Phönix aus der Asche« für Versöhnung und Kooperation mit nicht-jüdischen Trägern. »Assia, du hast dein Leben lang als Pädagogin gearbeitet und diese Nächstenliebe in Deutschland fortgeführt, indem du dich mit um die schwächsten Gemeindemitglieder kümmerst und dich politisch engagierst«, richtet Gideon Joffe das Wort direkt an Assia Gorban.

»Das ist das Kernwesen des Judentums, und insofern vertritt Assia das Judentum zumindest so gut wie manche Rabbiner. Und das soll auch so bleiben – bis 120!« Diesem Wunsch schließt sich das Publikum mit lautem Beifall an. Mit dem Bau des Kindergartens soll auf dem Gelände ein Mehrgenerationenprojekt verwirklicht werden.

Eine anliegende Krippe für Kinder im Alter von ein bis drei Jahren gibt es bereits, ab Oktober sollen dann auch Kinder bis sechs Jahre in der neuen Kita betreut werden. Denn was gäbe es Schöneres für Großeltern, als ihren Enkelkindern beim Spielen zusehen zu können, fragt Gideon Joffe in die Runde. Dann übergibt er das Wort an die Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, Katharina Günther-Wünsch (CDU).

träger Diese lobt die Beteiligung der religiösen und gemeinnützigen Träger an der landesweiten Kinderbetreuung. Insgesamt gebe es in Berlin etwa 1300 Kitas und eine sehr hohe Nachfrage nach Betreuungsplätzen. Außerdem setze man mit dem Bau einer jüdischen Kita ein wichtiges Zeichen.

Als vierfache Mutter und Enkeltochter einer Holocaust-Überlebenden berühre sie besonders »die Verbindung der Generationen. Das Miteinander, das einmal mehr den Kreislauf des Lebens deutlich macht«. Mit Assia Gorban habe die Kita eine Namensgeberin, die als Überlebende der Schoa den Mut und die Größe hatte, in das Land der Täter zurückzukehren, um sich hier in der Gemeinde zu engagieren und eine Stimme gegen das Vergessen zu sein. Mit ihr schließe sich der Kreis zwischen den Generationen.

Mit der Eröffnung des Kindergartens wird im Oktober gerechnet.

Sichtlich bewegt bedankt sich Assia Gorban für die Grußworte und fügt an die Gemeinde gewandt hinzu: »Ich hoffe, dass die kleinen Kinder in diesem Haus viel Freude haben werden!«

Das 600 Quadratmeter große Gebäude wird drei Kitagruppen mit den Erziehungsschwerpunkten Musik, Kunst und Religion beherbergen. Außerdem soll bis zur Eröffnung noch ein moderner Spielplatz im Außenbereich entstehen. Bis jetzt gehe der Bau sehr viel schneller voran als normalerweise üblich im Land Berlin, sodass eine planmäßige Eröffnung im Oktober realistisch erscheint, sagt der Architekt Michael Gartemann.

tradition »Wir errichten diese wunderschöne Kita für unsere Kinder, damit sie hier etwas erfahren und etwas lernen. In unserer Tradition sagen wir, dass Kinder erzogen werden sollen zur Tora, zur Chuppa und zur Ausübung von guten Dingen«, erzählt Rabbiner Boris Ronis am Mikrofon, bevor er den Segen über das Gebäude spricht. Im Anschluss meldet sich der Architekt Gartemann vom Baugerüst zu Wort und erhebt zusammen mit den Gästen das Glas.

Nach der Verkündung des traditionellen Richtspruches werfen er und sein Mitarbeiter ihre Gläser an die Hauswand, um dem Bauprojekt noch viel Erfolg zu bescheren.

Den anwesenden Gemeindemitgliedern ist die Vorfreude auf die Kita-Eröffnung ins Gesicht geschrieben. Und auch die Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenheims dürften sich darauf freuen, schon bald viele fröhliche Kinderstimmen zu hören und künftig vielleicht sogar ihre Enkelkinder täglich zu sehen.

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