Dialog

»Man darf nicht pauschalisieren«

Leonard Kaminski und Beyza Genc (r.) sprechen über Erfahrungen mit rassistischen Äußerungen bei Sportveranstaltungen. Foto: Piero Chiussi

Bei dem jüdisch-muslimischen Dialogprojekt des Zentralrats der Juden in Deutschland, Schalom Aleikum, ging es am Dienstag in Berlin sportlich zu. Der Sport könne Menschen zusammenbringen und verbinden, aber bedauerlicherweise gebe es eben auch im Sport Antisemitismus und Ausgrenzung, begrüßt Vizepräsident Mark Dainow die Diskussionsrunde.

Die Förderung des jüdisch-muslimischen Dialogs sei eine unverzichtbare Aufgabe, und das auch während der Corona-Pandemie, betont Dainow. »Wie wir alle wissen, machen Antisemiten und Rassisten auch in Krisenzeiten keine Pause, im Gegenteil, sie werden aktiver und ihre Verschwörungsmythen immer perfider. Den Dialog fortzusetzen und für eine solidarische Gesellschaft zu kämpfen, ist unser Spiel.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Mit der Basketballerin Beyza Genc und dem Fußballer Leonard Kaminski waren zwei Berliner Sportler eingeladen. Beyza Genc war mit elf Jahren zum Basketball gekommen. Fünf Jahre lang trainierte sie Kinder bei den Berlin Tigers. Mittlerweile spielt sie beim BG Zehlendorf in der Regionalliga und arbeitet als Erzieherin in einer Neuköllner Grundschule. Leonard Kaminski spielt bei Makkabi Berlin, wo er 2015 die 3. Herrenmannschaft gründete. Bei Makkabi Deutschland betreut er die U18-Mannschaft und arbeitet als Politikberater.

Identifikation »Fiebert ihr eigentlich für Deutschland?«, stellt Moderatorin Gabriela Hermer eine Frage, die beide vermutlich schon oft gehört haben. Natürlich, sie sei in Deutschland aufgewachsen, sagt Beyza Genc, nur wenn gegen die Türkei gespielt werde, sei sie eher für die Türkei, »weil meine Eltern dort herkommen«. »Meine Eltern kommen zwar nicht aus einem anderen Land«, als deutscher Jude habe man jedoch noch einmal eine andere Identität, antwortet Leonard Kaminski.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Rassismus aber kennen beide. Gleich das zweite Spiel der 3. Makkabi-Mannschaft begann mit antisemitischen Angriffen. Es wurde abgebrochen und die Polizei gerufen. Auch der vierte Spieltag endete mit einem Abbruch, schildert Kaminski. Aber kommen die meisten antisemitischen Angriffe nicht von Muslimen?, will die Moderatorin wissen.

»Natürlich gibt es auch in muslimisch geprägten Communitys ein Problem mit Antisemitismus«, der kulturell vielleicht anders geprägt sei als der aus dem rechts- oder linksextremen Lager, sagt Kaminski. »Aber die Trennlinie sollte nicht zwischen Muslimen und Juden, Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund verlaufen, sondern zwischen denen, die Dialog und Verständigung wollen, und denjenigen, die die demokratischen Werte unseres Landes nicht teilen.«

kopftuch Ob sie als Sportlerin schon Diskriminierung erlebt habe, lautet eine Frage an Beyza Genc. Eigentlich nicht, sagt sie, »vielleicht wäre das anders, wenn ich ein Kopftuch tragen würde«. Bei Spielen sei es aber durchaus vorgekommen, dass schwarze Spieler von gegnerischen Fans, Eltern, Trainern beleidigt worden seien. »Da fragt man sich schon, was mit den Leuten los ist, wenn sie im eigenen Team auch schwarze Spieler haben und dann gegenüber anderen solche Sprüche machen.« Auf Beleidigungen im Alltag reagiere sie eher mit Lachen. »Man zeigt damit, dass es einen nicht interessiert. Lachen und Weitergehen halte ich für eine gute Antwort.«

Um Werte zu vermitteln, darin sind sich alle einig, gebe es fast nichts Besseres als den Sport.

»Wie gingen eigentlich die muslimischen Spieler mit Angriffen und Beleidigungen um?«, wird Leonard Kaminski gefragt. »Wie wir, man hat sich persönlich angegriffen gefühlt«, berichtet er, denn wenn man mit einem Makkabi-Trikot aufs Spielfeld geht, »dann identifiziert man sich natürlich auch damit«.

rassismus Um Werte zu vermitteln, darin sind sich alle einig, gebe es fast nichts Besseres als den Sport. Warum aber scheint das Problem Rassismus besonders im Fußball so besonders groß zu sein? »Fußball ist ein Spiegel der Gesellschaft«, sagt Leonard Kaminski. Und wie kann ein Trainer im Alltag Diskriminierung und Ausgrenzung bekämpfen? »Ganz einfach«, antwortet Kaminski und lacht, »Punkt eins: sich ein Beispiel an Beyza nehmen.«

Im Übrigen verweise er gern auf das Projekt »Meet a Jew« des Zentralrats, wo junge jüdische Deutsche zu Botschaftern des jüdischen Lebens ausgebildet werden. Oft entstehe Antisemitismus dort, wo man gar keine Juden kenne. »Meet a Jew« bietet auch Sportvereinen die Möglichkeit, junge Juden einzuladen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

Zusammenhalt Aber entstehe durch Sport wirklich die Chance, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenkommen, fragt Gabriela Hermer zum Schluss. »Ja«, antwortet Beyza Genc, »man braucht ja nicht einmal die gleiche Sprache zu sprechen, um zu wissen, wie ein Spiel funktioniert.«

In einem Multikulti-Team wie Makkabi Berlin werden »Unterschiede als interessant wahrgenommen«, sagt Leonard Kaminski und erzählt von einem Erlebnis auf dem Platz: »Wir traten gegen ein Team mit arabischstämmigen Spielern an«, viele hätten lange Bärte getragen, wie man sie automatisch oft Islamisten zuordne.

»Sie haben uns zwar spielerisch extrem auseinandergenommen, aber es war ein sehr respektvoller Umgang miteinander – man hat sich immer gegenseitig aufgeholfen. Man darf einfach nicht pauschalisieren!«

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025