Chanukka

Licht und Lieder

Es wird eng auf der Theaterbühne in den Räumen der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Nürnberg. Für die 75 Kinder ist hier kaum Platz. Dennoch wollen alle dabei sein. Schließlich geht es um die Chanukkageschichte, die sie hier mit Gesang und Schauspiel aufführen.

»In diesem Jahr haben wir eine neue Chanukkia«, erzählt German Djanatliev. Er ist als Religionslehrer in der Gemeinde für die Jugendarbeit zuständig und freut sich sehr über die Anschaffung. Der neue Leuchter verdankt sich einer großzügigen Spende und erreicht mit über anderthalb Metern stattliche Ausmaße. Auf ihm brennt am Sonntagabend die erste Kerze.

Das erste große Highlight in der Gemeinde ist die Theateraufführung der Kinder und ein großer Empfang. Dabei dürfen sich nicht nur die Kleinen über Geschenke freuen: Jede Familie bekommt eine Chanukkia und acht Kerzen geschenkt. »Die Kinder haben nicht nur sehr viel und fleißig geprobt. Sie basteln auch seit Wochen. Am Sonntagabend wurden die kleinen Kunstwerke dann an die Eltern übergeben«, erzählt Djanatliev.

Am Sonntag soll dann ein großer Chanukkaball als Ausklang des Festes stattfindet. Für Musik und jede Menge gutes Essen ist gesorgt. Dabei kommt auch israelischer Wein auf den Festtagstisch.

nürnberg Auf den Chardonnay aus Israel, aber vor allem auch auf das Dreidelspiel freut sich André Freud. Der Jurist ist aus dem Kindesalter zwar schon seit einigen Jahrzehnten heraus. Er liebt aber die Herzlichkeit in der Gemeinde gerade zu den Festen. »Mit den Geschenken mache ich mir aber keinen Stress mehr«, sagt Freud. Er ist Gemeindemitglied der IKG Nürnberg und Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Arbeitsgemeinschaft Nürnberg-Mittelfranken.

Trubel um Chanukka gibt es in der Stadt, die jedes Jahr Millionen Gäste wegen des Christkindlesmarktes besuchen, in der Öffentlichkeit kaum. Der fehlt André Freud aber auch nicht. »Wenn man sich allerdings nicht die Füße wundlaufen müsste, um in Nürnberg Chanukkakarten zu bekommen – das wäre schon schön.«

Ganz anders kennt Jo-Achim Hamburger das Chanukkafest. Der Sprecher der IKG hat viele Jahre in Israel verbracht, wo auch heute noch ein großer Teil seiner Familie lebt. »Chanukka ist hier in Nürnberg natürlich anders als in Israel. Schon allein, weil dort die Kinder in dieser Zeit Schulferien haben.« Familie und das Beisammensein mit den Liebsten ist dem Sohn des 2013 verstorbenen langjährigen Gemeindevorsitzenden Arno Hamburger gerade an den Festtagen besonders wichtig.

Auch wenn Chanukka in diesem Jahr noch gar nicht vorbei ist, freut man sich in Nürnberg schon auf das kommende Jahr. Dann nämlich werden die neuen Gemeinschaftsräume fertiggestellt sein. Dort wird es auch eine neue, größere Bühne geben, auf der dann alle Kinder der Gemeinde ganz ohne Platzprobleme unter den stolzen Blicken der Eltern das Chanukkastück aufführen können.

Dortmund Die Laubhütten waren gerade abgebaut, da hat man in Dortmund beinahe schon damit begonnen, Chanukka vorzubereiten – aber nur beinahe. Seit mehr als einem Monat wird im Kindergarten der Gemeinde für das große Fest und den großen Auftritt der Mädchen und Jungen geprobt. Am 10. Dezember bringen sie ein Chanukka-Musical auf die Bühne. »Sehr pompös«, verspricht Irina Weinschenker. Sie ist für die musikalische Früherziehung im Kindergarten verantwortlich und hat ein Stück geschrieben, das ihre Schützlinge nun vor rund 300 Zuschauern aufführen werden. »Chanukka am Broadway« heißt das Spektakel, und es soll ebenso funkeln wie die Leuchtreklamen auf dem berühmten Boulevard in Manhattan. Jedenfalls so gut, wie man es eben mit Glitzersternchen und einfachen Mitteln hinbekommen kann.

»Wir müssen natürlich kindgerecht bleiben«, erklärt Weinschenker, dennoch wird einiger Aufwand betrieben: Es gibt Kostüme, verschiedene Kulissen, Lichteffekte und vor allem motivierte junge Sänger und Schauspieler. »Es ist wirklich lustig zu sehen, wie die Kinder das machen. Sie sind mit so vielen Emotionen dabei«, lobt die Pädagogin. In der Geschichte verschwinden nach und nach wichtige Chanukkasymbole, was die Kleinen morgens bemerken. »Wenn ein Symbol verloren ist, dann ist das ein richtiger Schreckmoment für die Kinder.« Inzwischen sitzen auch alle Texte, die Lieder und Tänze sind einstudiert, da darf sich das Publikum im großen Saal der Gemeinde auf eine besondere Show freuen.

Düsseldorf Ganz so strahlend schön wie in New York ist das Nachtleben in Düsseldorf nicht, doch wird man sich bei der Chanukkafeier am Rhein ebenfalls die Lichter der Stadt anschauen können. Die Kerzen werden nämlich in einer Party-Bahn gezündet, dazu gibt es Sufganiot und koscheren Glühwein, der aus der Gemeindeküche in Thermoskannen in die Straßenbahn mitgenommen wird. »Wir machen es in diesem Jahr zum ersten Mal und sind gespannt, was passieren wird«, sagt Inessa Lipskaja, Eventmanagerin der Düsseldorfer Gemeinde. Wir bieten für jede Altersgruppe »von unserem Kindergarten bis zum Elternheim« etwas rund um Chanukka an.

Traditionell steht auch immer eine große Party auf dem Programm. Die steigt in diesem Jahr am Samstag in einem Düsseldorfer Hotel. Die Bar ist gemietet, Band und DJ sind gebucht, »und auch da werden wir selbstverständlich Kerzen zünden und Sufganiot verteilen«, verrät Lipskaja. Noch bevor die Party zu Chanukka in diesem Jahr beginnt, muss die Eventmanagerin schon auf die nächste 2016 gucken. »Die erste Kerze wird am 24. Dezember gezündet. Da hatte ich schon Angst, dass ich keine Locations und DJs mehr bekomme.« Das ist inzwischen gelungen, in Düsseldorf kann also entspannt gefeiert werden.

Frankfurt Wer sich am vergangenen Sonntagnachmittag der Synagoge im Frankfurter Westend näherte, hörte schon von Weitem laute »Tor!«-Rufe und das regelmäßige Auftippen eines Balles. Doch hatten sich nicht etwa Makkabi-Spieler verirrt. Vielmehr feierte die jüdische Gemeinde Frankfurt Chanukka – mit der »Jagd nach dem Ölkrug«. Ein Programm, das man bislang noch nicht in der Synagoge gesehen hatte.

An elf verschiedenen Stationen erwarteten die Kinder verschiedene Mitmach-Aktionen. Dazu gehörte im Hof der Synagoge das Torwandschießen, an langen Tischen wurden Chanukkiot aus Lego gebaut, Anstecker gebastelt und Kerzen verziert. An der Station von Chabad durften die Kinder von den Bocherim der Jeschiwa gebackene Kekse mit Zuckerguss und Streuseln dekorieren. Für das Backen hatten sich die Studenten eine Nacht um die Ohren geschlagen. »Sie haben das natürlich außerhalb ihrer Lernzeit erledigt, die fest getaktet ist«, lobt Rabbinerfrau Sterni Havlin.

Möglich wurde die Vielfalt, weil in diesem Jahr alle, die sich innerhalb der Jüdischen Gemeinde Frankfurt mit der Kinder- und Jugendarbeit beschäftigen, eine gemeinsame Chanukkafeier veranstaltet haben. Das Jugendzentrum Amichai war ebenso mit von der Partie wie die beiden Kindergärten, die Lichtigfeld-Schule, das Jüdische Museum, Makkabi, die WIZO und die Zionistische Jugend Deutschland.

Sowohl Eltern als auch Kinder fanden viele anerkennende Worte für die Veranstaltung, die unter Federführung des Jugenddezernenten Marc Grünbaum und der Kulturbeauftragten Doris Adler konzipiert und umgesetzt worden war. »Das ist super, ein tolles Konzept! Vor allem sieht man einmal, wie viele Kinder es in der Gemeinde gibt!«, sagt Melanie Meyer.

Die Kinder selbst musste man eigentlich nicht fragen. Sie wuselten, bastelten, schlemmten und waren begeistert: »Ich fand das iPad-Spiel am coolsten«, meinte der achtjährige Ben. Auf den Geräten des Jüdischen Museums hatte er Kerzen-Rechnen geübt. Dem neunjährigen David gefiel indes das Lesezelt am besten, weil es dort »am leisesten und deshalb am schönsten« gewesen sei. Religionslehrerin Nurith Schönfeld hatte es eigens für diese Feier angeschafft, Lichtigfeld-Lehrerinnen lasen darin aus Chanukka-Büchern vor und freuten sich auch über den Besuch vieler ehemaliger Schüler. »Es ist uns gelungen, eine Community zu bilden«, resümierte Gemeinderabbiner Julian-Chaim Soussan. »Alle Organisationen, die das ganze Jahr eine hervorragende Jugendarbeit leisten, machen mit. Es zeigt, wie wichtig uns unsere Tradition ist, und das ist die schönste Garantie, dass diese fortlebt.«

freiburg Wenn die Jüdische Gemeinde in Freiburg Chanukka feiert, gehören einige Dinge fest dazu: Immer mit dabei sind Miron Lvov-Brodsky (76) und seine zwei Chanukkiot aus Messing, die er für die Gemeinde angefertigt hat. Früher war er Dreher und Ingenieur, jetzt ist er Rentner und hat Zeit. Tradition ist außerdem, dass nichtjüdische Gäste eingeladen sind, wenn die erste Chanukkakerze angezündet wird. Und dass es mehrsprachig zugeht. Russisch, Französisch, Deutsch: Das sind die drei Sprachen in der Freiburger Synagoge am ersten Chanukka-Abend, zu dem mit dem Auftritt des Klezmerquartetts aus Heidelberg auch Musik gehört.

Die Gemeindevorsitzende Irina Katz führt auf Deutsch durchs Programm. Deutsch sprechen auch die christlichen Gäste: Der evangelische Dekan Markus Engelhardt und Gertrud Rapp als katholische Vertreterin des Erzbischöflichen Ordinariats sind da, zudem einzelne Privatleute. Zum Beispiel die Familie von Wolfgang Sonn. Sonn möchte als Religionslehrer seinen Töchtern Eindrücke von allen Religionen vermitteln.

Rabbiner Mark Pavlovsky, der die Gemeinde zurzeit betreut, spricht dagegen zunächst Russisch, Muttersprache für die meisten der rund 700 Gemeindemitglieder, von denen an diesem Abend knapp 80 aufden Bänken der Synagoge Platz genommen. Kantor Elie Botbol hingegen ist Franzose und lebt in Straßburg. Dort sei die Atmosphäre zurzeit sehr angespannt, erzählt er. Alle hätten Angst vor Terroranschlägen.

Bei dieser Angst könne Chanukka befreiend wirken, ist die Botschaft von Mark Pavlovsky: Der Terror treibe die Menschen in ihre Häuser, ähnlich wie einst die Griechen die Juden in ihre Häuser getrieben haben, als sie ihnen verboten, sich zu treffen und die Tora zu studieren. Auf das Dunkel der Angst gebe es nur eine Antwort: das Licht zu mehren. Genau das geschehe an Chanukka, wenn jeden Abend eine Kerze hinzukomme. Nicht nur zu Hause in den Familien, sondern auch gut sichtbar in der Öffentlichkeit. Das sei das Besondere an Chanukka, findet Peter Wallach, der seit Jahrzehnten zur Gemeinde gehört.

Die Jüdische Gemeinde Freiburg lädt darüber hinaus zum Weiterfeiern ein: Am kommenden Sonntag finden ein Chanukka-Workshop und ein Konzert mit Kindern und Jugendlichen statt. Am Montag, 14. Dezember, findet ein Chanukka-Ball statt, zu dem Boris Rosenthal und seine Band aus Berlin aufspielen werden.

Zlatan Alihodzic, Anja Bochtler, Rivka Kibel und Judith Werner

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