Das ist ein Traum – und gleichzeitig eine Herausforderung», sagt Yevgeny Pickman und lässt den Blick über die 400 Quadratmeter große Fläche seines neuen koscheren Supermarkts schweifen. Einerseits ist genügend Platz vorhanden, um alle Produkte anbieten zu können, die er sich vorstellt, andererseits müssen die vielen Regale auch gefüllt werden. Größere Fläche bedeute auch mehr Arbeit.
Im täglichen Geschäftsablauf werde er dabei immer wieder überrascht, berichtet der Inhaber. «Dieses Regal mit Gewürzen zum Beispiel hatte ich gar nicht bestellt, nun ist es aber doch gekommen. Ach, und jetzt denke ich, wir können es gebrauchen», sagt der 39-Jährige. Es darf also bleiben.
Mit Lieferanten und Ladenkonzepten kennt Pickman sich aus, ebenso mit Catering und Cafébewirtschaftung. Als ausgebildeter Sous-Chef hat er in Russland und Israel gearbeitet, später kamen in Frankreich, Österreich und der Schweiz mehrere Koch- und Konditordiplome hinzu.
unternehmen Ursprünglich stammt der Küchenchef aus Moskau, seit fünf Jahren lebt er in Berlin. Vor anderthalb Jahren eröffnete er nebenan in der Waitzstraße gemeinsam mit seiner Frau Julia das «Best Daily Dishes», Delikatessengeschäft und Café in einem.
Mit seinem koscheren Catering inklusive Backstube beliefert er unter anderem die Schulen und das Seniorenzentrum der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sowie Hochzeitsgesellschaften und Unternehmen. Mit dem Daily Markt in der Wilmersdorfer Straße ist er nun seiner Vision vom «koscheren Alltag» ein ganzes Stück näher gerückt, ebenso wie seiner Idee vom «Supermarkt für alle». Denn Ende Februar wird der Daily Markt offiziell Partner der Supermarkt-Kette «REWE nahkauf» – mit einer umfangreichen nichtkoscheren Abteilung.
«Unser Vorbild sind Supermärkte wie in Israel oder Frankreich und Italien, wo es beispielsweise die koschere Kette Hyper Cacher gibt. Man soll bei uns alles kaufen können, was man täglich braucht – von Grundnahrungsmitteln bis hin zu hochklassigen Weinen und zertifiziertem Fleisch.» Pickman ist stolz darauf, dass der Daily Markt derzeit Deutschlands größter koscherer Supermarkt ist.
Produkte werden koscheren Listen zugeordnet und dementsprechend die Regale mit farbigen Punkten ausgezeichnet. Wie in einem gängigen Supermarkt ist der Laden mit drei Kassen und zwei Reihen Einkaufswagen ausgestattet. «Mit unserem Angebot orientieren wir uns an deutschen Läden», betont der Inhaber.
qualität «Bitte nicht durch diesen Eingang, da passen die Paletten nicht durch», ruft Pickman gerade einem Lieferanten zu, der mit der frischen Ware anrückt. Er muss den Hintereingang nehmen, der breit genug ist.
Pickman hat alle Hände voll zu tun, ständig ist er in Bewegung, immer das Handy am Ohr, um Bestellungen durchzugeben oder Abläufe zu organisieren. Gerade tritt ein Kunde an ihn heran und fragt, ob es tiefgefrorene saure Sahne gibt. Pickman lotst ihn zur richtigen Kühltheke.
Ihm geht es neben der Einhaltung der Kaschrut vor allem um Qualität. Sein Konzept: Die Kunden sollen sich wie zu Hause fühlen. Neben Erzeugnissen internationaler koscherer Hersteller wie Achva, Kol Tuv, Fleury Michon und Bridel bietet er daher viele supermarktübliche Produkte sowie Waren der Hofpfisterei an. So möchte er sowohl Kunden ansprechen, die koscher leben, als auch Leute aus der Nachbarschaft.
Zu dem Konzept gehört auch der koschere Imbiss «Best Kosher Oriental» – koscheres Fast-Food, frisch zubereitet und preiswert. Davon versprechen sich Yevgeny Pickman und Imbissbesitzer Wladimir Malinski viel Zuspruch bei Kunden und Gästen.
imbiss Außer am Schabbat und an den jüdischen Feiertagen bietet der Imbiss täglich zwischen 11 und 23 Uhr koschere Spezialitäten an, während der Supermarkt auch samstags geöffnet hat. «Die Leute kommen zu uns und werden komplett versorgt», sagen Yevgeny und Wladimir einstimmig.
Die Idee sei es, «alles in einem» bestellen zu können – von eingelegten Gurken aus dem Supermarkt bis zu warmem Essen vom Imbiss. So bereitet der «Best Kosher Oriental» etwa extra für Schabbat Gerichte vor, die dann zu Hause nur noch erwärmt werden müssen. «Unser Koch kommt aus Israel», erzählt Wladimir Malinski. Er selbst war lange in der Gastronomie tätig, bevor er Ende 2015 den Imbiss eröffnete.
Drei Maschgichim arbeiten in Schichten, Rabbiner Yehuda Teichtal gibt dem Imbiss sein «glatt koscher»-Zertifikat. Schon seit Längerem habe er ein Imbiss-Konzept im Blick gehabt, sagt Malinski. Auf die Idee kam er bei einem seiner vielen Israelbesuche.
Auf der Speisekarte stehen daher neben Schawarma und Falafel auf die Hand auch Gerichte wie Pargiot (gegrilltes Hühnchenfleisch), Lulja Kebab Pita (gegrilltes Hackfleisch), Schaschlik und Hummus. «Und das zu fairen Preisen», betont der Imbiss-Chef. So kosten die Gerichte etwa 50 bis 70 Cent mehr als in anderen Imbissen.
«Ein Glück für uns ist es, dass wir an diesem Standort der einzige größere Supermarkt sind», ergänzt Pickman, während ein Kunde neugierig den Laden betritt und ihn anspricht. «Was für Weine sind im Angebot?», will er wissen. Pickman zeigt auf die meterlangen Regale, in denen Flaschen mit hebräischen Etiketten stehen. «Wir haben auch etliche aus okkupierten Gebieten – extra», fügt er hinzu.
vielfalt Auch Manuela Hoffmann-Bleiberg gefällt der neue Supermarkt im Charlottenburger Kiez. Sie empfindet das Geschäft als Ausdruck der Vielfalt jüdischen Lebens in Berlin und nicht als Konkurrenz.
«Ich bin zufrieden, dass es nun den Supermarkt gibt. Je mehr koschere Geschäfte wir haben, desto mehr Leute ernähren sich koscher», hofft die Betreiberin des koscheren Cafés «Bleibergs» in der Nürnberger Straße. «Berlin braucht mehrere Einkaufsmöglichkeiten», meint die Cafébesitzerin. Manuela Hoffmann-Bleiberg findet es mutig, «dass sich jemand traut, so einen großen Laden aufzumachen». «Wir waren über 50 Jahre alt, als wir unser Café eröffneten», sagt sie. «Zwölf Jahre haben wir gekämpft, und jetzt fängt es an, einfacher für uns zu werden.»
Auch Pickman hat alle Hände voll zu tun. Ruhe gönnt er sich wenig, denn seine Ideen, die er umsetzen möchte, treiben ihn an. Sein Arbeitstag beginnt um sechs Uhr morgens und endet erst am späten Abend. Er mag es, rund um die Uhr zu arbeiten, sagt er. In diesem Moment klingelt wieder sein Handy, und Pickman wirbelt mit Zettel und Stift durch die Regalreihen.