Halle

Keren Hayesod sammelt Spenden für eine neue Torarolle

Rafi Heumann ist Gesandter des Keren Hayesod für Norddeutschland. Die Hilfsorganisation sammelt Spenden für Israel und jüdische Projekte Foto: Marco Limberg

Herr Heumann, die Stadt Halle und die dortige Jüdische Gemeinde gedenken am Montag der Opfer des Terroranschlags auf die Synagoge vom 9. Oktober 2019. Keren Hayesod hat in Zusammenarbeit mit der Organisation Christen an der Seite Israels eine Spendenkampagne für eine neue Torarolle gestartet. Was genau war die Idee dahinter?
Nach dem schrecklichen Terroranschlag vor vier Jahren in Halle ist es entscheidend, dass die jüdische Gemeinschaft zusammenkommt, um gemeinsam zu heilen und die Erinnerung an die Opfer zu ehren. Eine neue Torarolle symbolisiert Hoffnung, Wiedergeburt und die Kontinuität der jüdischen Tradition trotz herausfordernder Zeiten. Die Beschaffung einer neuen Rolle ist ein Akt der Solidarität und Einheit in der Gemeinschaft. Es ermutigt die Mitglieder, sich aktiv an diesem Prozess zu beteiligen und sich als Teil einer lebendigen und widerstandsfähigen Gemeinschaft zu fühlen. Sie zeigt, dass die Gemeinschaft trotz Tragödien stark ist und sich weiterentwickelt.

Der rechtsextreme Attentäter schoss mehrfach auf die Tür zum Hof der Synagoge in Halle. Heute dient sie als Denkmal.Foto: picture alliance/dpa

Was möchte Keren Hayesod mit der Spende erreichen?
Was die Kampagne besonders auszeichnet, ist die Tatsache, dass jeder daran teilhaben kann, unabhängig von seinen finanziellen Möglichkeiten, denn bereits mit einer Spende von fünf Euro pro Buchstabe kann jeder auf www.tora-rolle.de einen bedeutenden Beitrag leisten. Wir möchten die Ehre, eine neue Torarolle zu schreiben, mit allen teilen und jedem die Möglichkeit geben, Teil dieses bedeutenden Vorhabens zu sein. Zuwendungen, die über die Herstellungs- und Beschaffungskosten der neuen Torarolle hinausgehen, kommen einem Projekt des Keren Hayesod zur Unterstützung traumatisierter Opfer antisemitisch motivierter Terroranschläge in Israel zugute: dem Fonds für Terroropfer. Diese Bemühungen sind Teil des größeren Engagements von Keren Hayesod, sowohl jüdische Gemeinschaften weltweit als auch Israel zu schützen und zu fördern.

Haben Spender etwas über ihre Motivation geschrieben?
Ja, sie haben uns mit ihren Nachrichten und Kommentaren zu diesem Projekt überwältigt. Wir sind tief berührt von der Unterstützung, die wir sowohl von der jüdischen Gemeinschaft als auch von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Glaubensrichtungen erhalten haben. Viele haben uns ermutigende Worte des Zuspruchs geschickt und betont, wie wichtig es ist, aktiv gegen Antisemitismus einzutreten und die jüdische Kultur und Tradition zu schützen. Es ist ermutigend zu sehen, wie Menschen aus verschiedenen Hintergründen zusammenkommen, um unsere Botschaft der Solidarität und des Miteinanders zu unterstützen.

Wie oft hat sich Keren Hayesod bereits um Spenden für eine neue Rolle gekümmert? Oder ist es das erste Mal?
Das ist das zweite Mal. Im vergangenen Jahr konnten wir bereits erfolgreich eine neue Torarolle für eine Synagoge in Israel beschaffen. Diese Torarolle hatte eine ganz besondere Bedeutung, da sie für Holocaust-Überlebende in Israel bestimmt war und gleichzeitig dazu beitrug, Flüchtlinge aus der Ukraine finanziell zu unterstützen. Die Einwanderung dieser Torarolle nach Israel am 9. November, dem Tag der Pogromnacht, war ein bewegender Moment, der die Verbindung zwischen Deutschland und Israel symbolisierte.

Rafi Heumann übergab am 9. November 2022 schon einmal eine Torarolle an Überlebende der Schoa in Israel.Foto: Avi Hayun

Am vierten Jahrestag von Halle wird Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff die ersten Buchstaben mitschreiben. Was hat er zu dieser Einladung gesagt?
Wir sind überaus dankbar und geehrt, dass der Ministerpräsident unsere Einladung sofort angenommen hat. Seine Zusage, die ersten Buchstaben der neuen Torarolle am vierten Jahrestag des Anschlags von Halle zu schreiben, verleiht diesem Ereignis eine besondere Bedeutung und Symbolkraft. Es wird ein ergreifender Moment sein, wenn wir nach der Schweigeminute für die Opfer zusammenkommen. Die Teilnahme des Ministerpräsidenten unterstreicht die Bedeutung unseres Projekts und zeigt, dass die Gemeinschaft in Halle und darüber hinaus für uns alle von großer Bedeutung ist. Es zeigt, dass unsere Bemühungen, die Gemeinschaft zu stärken und Antisemitismus zu bekämpfen, von der höchsten politischen Ebene unterstützt werden.

Wo lebt der Schreiber?
In Jerusalem. Er kommt am 9. Oktober nach Halle, eigens für diese Zeremonie. 

Kann die Tora Trost spenden?
Ja, zweifellos, insbesondere in schweren Zeiten wie diesen. Obwohl die Tora allein den Verlust von geliebten Menschen nicht heilen kann, symbolisiert sie den Fortbestand der jüdischen Tradition und Gemeinschaft. Die Beschaffung einer neuen Rolle ist ein Zeichen der Stärke und des Widerstands gegen den Terrorismus. Sie zeigt, dass die jüdische Gemeinschaft in Deutschland und anderswo fest entschlossen ist, ihr religiöses Erbe zu bewahren und sich nicht von solchen grausamen Angriffen entmutigen zu lassen.

Wenn beim letzten Buchstaben ein Fehler passieren sollte, was wird dann gemacht?
Dann muss der Sofer, der Schreiber, in der Regel den gesamten Abschnitt oder die ganze Torarolle von vorn beginnen. Dies ist aufgrund der enormen religiösen Bedeutung und des hohen Anspruchs an die Genauigkeit und Fehlerfreiheit in einer Rolle notwendig. Selbst ein kleiner Fehler kann dazu führen, dass die gesamte Tora ungültig wird. Der Prozess des Schreibens einer Torarolle erfordert äußerste Präzision und Einhaltung religiöser Vorschriften. Wenn ein Fehler auftritt, der nicht korrigiert werden kann, wird die Torarolle nicht verwendet und stattdessen eine neue angefertigt. Dieser Prozess wird oft von einem erfahrenen Sofer und unter strenger Aufsicht durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Tora in jeder Hinsicht den religiösen Anforderungen entspricht.

Schirmherr ist der Verteidigungsminister Boris Pistorius. Wird er dabei sein?
Leider ist es ihm aufgrund seines vollen Terminkalenders nicht möglich. Dennoch sind wir dankbar und hocherfreut über seine Schirmherrschaft für unsere Kampagne. Sein Engagement und seine Begeisterung haben bereits dazu beigetragen, die Bekanntheit unserer Kampagne zu steigern und ihr eine zusätzliche Bedeutung zu verleihen.  Wir hoffen, dass er Ende Januar bei der Einwanderung der Torarolle anwesend sein kann, um diesen besonderen Moment mit uns zu teilen. Seine Schirmherrschaft ist für uns von unschätzbarem Wert.

Mit dem Gesandten des Keren Hayesod (KH) für Berlin und Norddeutschland sprach Christine Schmitt.

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