Nachruf

Kay bleibt einer von uns!

Kay Bernstein (1980–2024) Foto: picture alliance/dpa

Einen Tag, nachdem uns die Nachricht über Kays Tod alle erschüttert hat, fühle ich mich oft noch ratlos, fassungslos und voller Trauer. Es fühlt sich so an, als wäre ein Freund von uns gegangen, und das sagt viel darüber aus, was Kay für ein besonderer Präsident und Mensch war. Ich kann nicht im Entferntesten nachempfinden, was seine Familie und Wegbegleiter gerade durchmachen. In allererster Linie sind meine Gedanken bei genau ihnen. Dennoch will ich versuchen, zum Ausdruck zu bringen, wie viel er in diesem Verein bewegt hat.

Erst im November durfte ich ihn das erste Mal persönlich kennenlernen, als mich der Verein gemeinsam mit Geschäftsführer Thomas Herrich einlud, um über Antisemitismus in Berlin zu sprechen. Kay war vorab nicht involviert, setzte sich dann aber spontan zu uns und hörte aufmerksam zu. Er sagte mir abschließend, er habe großen Respekt vor mir, wie offen ich mit diesem Thema umgehe. Es war nicht viel, was er sagte, aber es war authentisch, empathisch und hat Eindruck bei mir hinterlassen.

Und genau so habe ich sein Wirken im Verein wahrgenommen. Im Sommer 2022 übernahm Kay das Präsidentenamt von Hertha BSC. Abseits des Sports war der Verein am Boden. Präsidium, Geschäftsführung und Mitglieder waren gespalten. Seit Jahren arbeitete man gegeneinander, von Selbstbewusstsein und Identität keine Spur und dazu noch ein Investor, der ständig für Unruhe sorgte. Kay sagte später, dass das die Hauptmotivation für seine Kandidatur war. Er wollte den Verein wieder einen und nahbar machen, sodass Mitglieder und Fans ihn mit Leben füllen.

Genau das hat er geschafft und sogar weit übertroffen. Kay war einer von uns. Und das lag nicht nur an seiner Vergangenheit als Ultra und Vorsänger der Ostkurve. Er hatte für jedes Mitglied ein offenes Ohr. Er war für alle da. Kay fuhr gemeinsam mit Fans mit dem Fahrrad zum Heimspiel, um ein Zeichen für Nachhaltigkeit zu setzen. Er suchte den Dialog mit allen Mitgliedern – egal, ob sie seine Kritiker waren, ihn loben wollten oder einfach nur den Austausch suchten.

Und genau deswegen hatte er diesen Verein geprägt wie wenige. Genau deswegen hat er dem Verein wieder ein Gemeinschaftsgefühl gegeben. In der sportlich schwierigsten Zeit hatte Hertha BSC seit seinem Amtsantritt einen Mitgliederzuwachs von 10.000. Diese Zahl spricht Bände, denn sein Wirken rund um den Verein hat Feuer entfacht und den Stolz, Hertha-Fan zu sein, wiederaufleben lassen. Hertha stieg in die 2. Bundesliga ab, hatte zwei Investoren, die für viele negative Schlagzeilen sorgten und einige Nebengeräusche. Aber Kay verlor in dieser Zeit nie die Zuversicht, war stets positiv und betonte immer: Hier kommen wir nur gemeinsam wieder raus. Was wie eine Plattitüde klingt, hat er gelebt. In jeder Sekunde hatten wir das Gefühl, da hält jemand die Hertha-Familie zusammen. Und genau deshalb ist Lücke riesig, die er hinterlässt.

Als ich ihn im November kennenlernte, hielt er nach dem 3:0-Sieg gegen Mainz den Spielball in der Hand. Der sei für seine Tochter. Er versuche, so oft es geht, ihr einen mitzubringen. Sie freue sich dann immer so. Vielleicht kann er eines Tages auch mal wieder mit uns in der Kurve stehen, sagte er mir an dem Abend. Aber dafür muss erst einmal mehr Ruhe im Verein einkehren. Das sei für ihn das Wichtigste. Und genau dieses Gefühl hatte er nach Erzählungen letzte Woche im Trainingslager in Spanien. Endlich sei es wieder ruhig um Hertha BSC.

Und so bleibt es ein Wunsch, der nicht mehr Realität werden kann. Aber Kay wird immer Teil der Ostkurve und von Hertha BSC sein. Und wenn das nächste Mal ein lautes »Ha Ho He, Hertha BSC« durchs Olympiastadion schallt, dann schreien wir das mit ihm gemeinsam. Denn das, was Kay in diesem Verein begonnen hat, werden wir für ihn weiterleben. Das ist das mindeste, was tun können und wollen. ja

Gedenken

Neues Denkmal für jüdische Häftlinge in Gedenkstätte Ravensbrück

Etwa 20.000 Jüdinnen und Juden sind im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg inhaftiert gewesen. Die heutige Gedenkstätte hat nun ein neues Denkmal enthüllt - im Beisein von Überlebenden

von Daniel Zander  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 06.11.2025 Aktualisiert

Reaktionen

Zohran Mamdanis Sieg spaltet die jüdische Gemeinschaft

Während ein Drittel der New Yorker Juden den neuen Bürgermeister gewählt hat, haben andere Angst, dass dessen Antizionismus ihre Sicherheit gefährdet

 06.11.2025

Hamburg

Viel mehr als Klezmer

In der Hansestadt haben die zweiten Jüdischen Kulturtage begonnen. Bis Mitte Dezember erwartet die Besucher ein breit gefächertes Programm – inklusive einer jiddisch-hebräischen Oper

von Heike Linde-Lembke  06.11.2025

Düsseldorf

»Eine Stimme, wo andere schwiegen«

Die Gemeinde zeichnet Wolfgang Rolshoven mit der Josef-Neuberger-Medaille aus

von Stefan Laurin  06.11.2025

Berlin

Andacht für Margot Friedländer: »Du lebst weiter«

Sie war Holocaustüberlebende, Berliner Ehrenbürgerin und eine eindrucksvolle Persönlichkeit. Gestern wäre Margot Friedländer 104 Jahre alt geworden. An ihrem Grab erinnern Freunde und Bekannte an sie

von Andreas Heimann  06.11.2025

Laudatio

»Wie hält man so etwas aus?«

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hielt die Laudatio auf Karoline Preisler anlässlich der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises in Berlin. Eine Dokumentation

von Julia Klöckner  05.11.2025

Potsdam

Abraham-Geiger-Kolleg ordiniert zwei Rabbinerinnen

In Deutschlands größter Synagoge Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg werden an diesem Donnerstag zwei Rabbinerinnen ordiniert. Zu der Feier wird auch Polit-Prominenz erwartet

 05.11.2025

Berlin

Davidstern-Gemälde an East Side Gallery beschmiert

Der Tatverdächtige konnte gefasst werden. Bei der Begehung seines Wohnhauses fand die Polizei mehrere Hakenkreuze

 05.11.2025