Pessach

Jeder noch so kleine Krümel

Ob in Küche, Zimmer oder guter Stube: Zu Pessach muss alles blitzeblank sein – und alle helfen mit. Foto: Getty Images

»Wir putzen alle gemeinsam«, sagt Alex Bondarenko. Die Küche werde ausgeräumt, und acht Augen werden nach Nudeln und Brot suchen. Was über Pessach nicht in der Wohnung sein darf, soll jetzt schon verzehrt und nicht nachgekauft werden. Einen Tag vor Pessach bekommt jedes Kind einen Besen oder einen Staubsauger in die Hand gedrückt, und dann geht es los. »Die Kids lieben das Staubsaugen mehr, als mit dem Besen zu fegen«, sagt Bondarenko, der mit seiner Familie in Essen lebt.

Von seinen drei Kindern sei nur das kleinste ausgenommen – da es erst zwei Monate alt ist, meint er lachend. Einen lange Zeit vermissten Schlüssel haben sie einmal bei der Aktion gefunden, aber auch etliche Spielzeuge und Hundehaarbüschel unterm Sofa. Mit der Taschenlampe leuchten sie unter den Betten, um nachzuschauen, ob da noch Krümel sind. »So ein Frühjahrsputz bringt Vorteile.«

Weizen, Dinkel, Gerste, Hafer und Roggen – all das gilt als Chametz.

Einen halben Tag plant die Familie dafür ein. Die letzten Krümel sammeln sie ein und verbrennen sie auf einem Grill im Garten. Dazu sprechen sie einen Segensspruch. Damit der Grill auch koscher ist, zünden sie ihn mit einem Bunsenbrenner an. Ein Ritual gehört auch zur Putzaktion: Sie machen Musik an. So erschallen dann jiddische und israelische Lieder in den Räumen.

Küche In keinem religiösen Haushalt darf sich zu Pessach noch Chametz befinden. Es gilt, alle Wohnräume zu putzen und zu schrubben – und die meiste Arbeit macht dabei die Küche. Als Chametz gilt in der Tora alles, was aus den fünf Getreidesorten Weizen, Dinkel, Gerste, Hafer und Roggen gemacht ist. Kommen diese mit Wasser in Berührung, werden sie innerhalb von 18 Minuten zu Sauerteig. Alles, was das Jahr über damit irgendwie in Berührung gekommen ist, muss zu Pessach gekaschert werden.

Besonders schwierig zu reinigen sind einzelne Töpfe mit ihren Griffansätzen oder Schrauben, etwa am Deckel, erklärt Rabbiner Shlomo Afanasev, der in Hannover amtiert. Da reiche »Hagala«, die Kaschermethode mit kochendem Wasser, leider nicht aus. »Libun« heiße da die Lösung – Kaschern mit Feuer. Dazu eignet sich der Bunsenbrenner. In der Synagoge in Hannover kaschert er in diesen Tagen die Küche, alle Flächen und Töpfe. Neben den drei bis vier Mitarbeitern helfen auch seine beiden Kinder mit. Da er in Berlin lebt, möchte er auch dort für Pessach alles herrichten. »Aber wir haben wenig Zeit, weshalb wir die Schränke und Schubladen abkleben.« Nur ein Schrank bleibe offen.

»Ich putze sehr gern«, sagt Zoe. Dieses Jahr wird die 17-jährige Schülerin Pessach bei ihren Großeltern in Israel feiern, sodass in ihrer Frankfurter Wohnung nicht unbedingt alles gesäubert werden muss. »Manchmal habe ich schon Dinge wiedergefunden, von denen ich gar nicht mehr wusste, dass ich sie einmal besaß.«

In Frankfurt nehmen sie und ihre Eltern sich an dem Wochenende vor Pessach – wenn sie in Deutschland feiern – Zeit, um ihre Wohnung herzurichten. »Das macht Spaß, denn wir nehmen uns gemeinsame Stunden für die Sache.« Es sei eine schöne Aktivität, und sie würde es als eine Art Meditation betrachten. »Jeder noch so kleine Krümel wird gesucht und gefunden.«

Studis Alle Flächen und Ritzen seiner kleinen Studentenwohnung wird er putzen, sagt Arthur aus Hamburg. Er werde so gründlich agieren, dass er mit »gutem Gewissen« behaupten kann, dass kein Brot mehr zu finden sein wird. Chametz wird er verbrennen. »Eigentlich ist es wie Frühjahrsputz«, sagt der Student. Doch er beginnt schon früher, an Pessach zu denken, und kauft in diesen Tagen dementsprechend weniger Nudeln, Reis oder Mais ein. Sefarden können allerdings Mais und Reis behalten. Wenn er doch noch eine Packung Nudeln besitzt, dann gibt er sie an Freunde weiter oder bei der Tafel ab.

Als Kind sei er eher unmotiviert gewesen, sein Zimmer zu säubern. Allerdings habe auch er damals die Erfahrung gemacht, dass man vermisste Gegenstände wiederfindet. »Ich habe einmal intensiv nach der kleinen Spitzhacke eines Playmobil-Männchens gesucht, sie dann vergessen und schließlich wiedergefunden«, sagt er. Und die habe er nun mitsamt dem Männchen in eine Box gelegt, die in seinem Keller steht. »Aber der Pessachputz hat keinen sentimentalen Wert für mich.«

»Bei uns ist das ganze Jahr Pessach, was die Sauberkeit betrifft«, sagt Rabbiner Yitshak Ehrenberg. Denn eine Reinigungskraft helfe, dass die Wohnung immer sauber ist. Und für Pessach haben seine Frau und der Rabbiner ein spezielles Geschirr in einem eigenen Schrank. Aber natürlich werde auch vor Pessach geputzt, die Arbeitsflächen werden mit mindestens 60 Grad heißem Wasser bearbeitet, ebenso das Cerankochfeld. Der Ofen wird jedoch mit Feuer gereinigt. »Mit kochendem Wasser kann man fast alles kaschern«, so der Rabbiner. Übrigens auch starkes Plastikgeschirr.

»Mit kochendem Wasser kann man fast alles kaschern.«

Rabbiner Yitshak Ehrenberg

In der Synagoge Joachimsthaler Straße, in der er amtiert, hat der Maschgiach alles im Blick, sodass es koscher ist. Zwei Angestellte sind dafür im Einsatz. Auch hier gibt es für die zwei Sederabende, zu denen jeweils 100 Beter erwartet werden, koscheres Pessachgeschirr. »Die Mitarbeiter kennen alle Vorschriften und die traditionelle Art und Weise, wie alles koscher wird.« Falls jemand neues Geschirr einkauft, müsse er es in die Mikwe bringen. Mit einem Bunsenbrenner solle man vorsichtig agieren. »Das ist in der Wohnung eine gefährliche Sache, und den braucht man nicht mehr unbedingt.«

bügeleisen Elka Malkova verwendet statt des Bunsenbrenners ein Bügeleisen. Allerdings, um die Flächen in der Küche noch gründlicher zu reinigen. Vorher bearbeitet sie sie mit kochendem Wasser. »Man plant immer zu wenig Zeit ein, denn es kommt immer noch etwas dazu«, sagt die Mutter von fünf Kindern. Insgesamt 130 Quadratmeter müssen in ihrer Berliner Wohnung bewältigt werden – was schon ein bis zwei Tage dauern kann.

Ihr Plan: erst die Kinderzimmer, dann das Wohn- und Esszimmer. Zum Schluss ist die Küche an der Reihe. »Wir putzen zusammen, hören dabei Musik und singen dazu – das bringt positive Energie.« Das Pessachgeschirr werden sie rechtzeitig aus dem Keller holen und sich darüber freuen, dass bei ihnen auch Töpfe und Besteck dazu zählen, sodass sie diese nicht extra kaschern müssen.

München

Anschlag auf jüdisches Zentrum 1970: Rechtsextremer unter Verdacht

Laut »Der Spiegel« führt die Spur zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens

 02.05.2025

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025

Sehen!

Die gescheiterte Rache

Als Holocaust-Überlebende das Trinkwasser in mehreren deutschen Großstädten vergiften wollten

von Ayala Goldmann  02.05.2025 Aktualisiert

Berlin

Tage im Mai

Am Wochenende beginnt mit »Youth4Peace« ein Treffen von 80 jungen Erwachsenen aus 26 Ländern. Sie wollen über Frieden und Demokratie sprechen. Auch Gali und Yuval aus Israel sind dabei

von Katrin Richter  01.05.2025

Frankfurt

Zwischen den Generationen

2020 führten Jugendliche gemeinsam mit Überlebenden der Schoa ein »Zeitzeugentheater« auf. Nathaniel Knops Dokumentarfilm »Jetzt?« zeigt dessen Entstehung und feierte nun Premiere

von Eugen El  01.05.2025

Berlin

Für mehr Sichtbarkeit

Wenzel Michalski wird Geschäftsführer des Freundeskreises Yad Vashem. Eine Begegnung

von Christine Schmitt  30.04.2025

Hanau

Das zarte Bäumchen, fest verwurzelt

Vor 20 Jahren gründete sich die jüdische Gemeinde – zum Jubiläum wurde eine neue Torarolle eingebracht

von Emil Kermann  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025