Deutschland

Impfen, Tests und Hausaufgaben

Viele Schüler sind seit ein paar Wochen wieder zurück in den Schulen. Foto: imago images/Political-Moments

Shoshannah aus München hatte viel vor, so wollte die Schulsprecherin des Jüdischen Gymnasium in München eine Projektwoche »Mini-München« anregen, bei der die Schüler eine eigene Stadt gestalten, und die Merching Aktion weiter vorantreiben. Passiert ist: Nichts. »Corona ließ es nicht zu«, so die 15-Jährige. Immerhin gab es nach monatelangem Home-Schooling in den letzten Wochen vor den Sommerferien noch Präsenzunterricht. Doch mittlerweile steigt die Zahl der Neuinfektion wieder rasant und die Situation lässt sich nicht mit der vom vergangenen Sommer vergleichen.

Impfungen Die Inzidenzzahl ist nun viel höher als vor zwölf Monaten, aber dem gegenüber steht die Zahl der Impfungen, die bei den bisherigen Varianten einen Schutz vor einem schweren Verlauf bietet. Die mRNA Impfstoffe sind für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen, und seit wenigen Tagen gibt es in Deutschland nun auch eine Empfehlung von der Ständigen Impfkommission (Stiko). »Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass es eine vierte Welle geben wird und auch die Schulen wieder davon betroffen sein werden«, sagt Shoshannah.

Einige ihrer Klassenkameraden seien bereits geimpft, sie selber sei noch unsicher und wartete auf die Empfehlung der Stiko. »Aber ich bin sehr vorsichtig, denn ich möchte keine anderen in Gefahr bringen.« Deshalb habe sie auch in den letzten Schulwochen im Unterricht eine Maske getragen, obwohl das Hygienekonzept in Bayern das zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr vorsah. Sobald der Schüler auf seinem Stuhl saß, konnte er sie abnehmen. »Das war für mich nicht mehr nachvollziehbar.« Das zweimalige Testen in der Woche funktionierte bei allen Schülern gut.

Lockdown Sie fürchtet, dass es wieder einen Lockdown geben könnte. »Ich würde es begrüßen, wenn Wissenschaftler da die Forschung voranbringen könnten, und man nach eineinhalb Jahren Pandemie nicht immer noch über die Anschaffung von Luftfiltern diskutieren müsste.« Ihre Schule verfügt bereits darüber »Ich will mich sicher fühlen, wenn ich zum Unterricht gehe.« Und es belaste die Menschen, wenn die immer fürchten müssen, sich und andere anstecken zu können. Wenn alle Schüler wieder in den Distanzunterricht geschickt werden, dann möchte sie, dass »man uns auch zuhört und mehr Verständnis für uns aufbringt«.

Im Unterricht hatten sie vor den Ferien noch über die Behandlung von Geimpften und Ungeimpften debattiert. Denn Schüler, die sich zweimal das Vakzin haben geben lassen, müssen sich nicht mehr testen lassen und werden auch nicht in Quarantäne geschickt, wenn es einen Fall gibt. »Das kommt mir wie eine Zwei-Stände Gesellschaft wie im Mittelalter vor.« Und es könnte zu Mobbing führen, vermutet die 15-jährige.

Das Albert-Einstein Gymnasium und die Yitzhak-Rabin-Schule in Düsseldorf sind seit Dezember mit Luftfiltern ausgestattet. »Wir haben weiterhin die Maskenpflicht in den Innenräumen der Schule, auch am Unterrichtsplatz. Dabei verfahren wir mit pädagogischer Weitsicht und pragmatisch, das heißt Atempausen werden eingelegt und kein Kind leidet«, heißt es auf der Homepage des Gymnasiums. Die Virenfilter laufen in allen Klassen. Auf dem Schulhof besteht keine Maskenpflicht. »Bitte geben Sie Ihrem Kind auch eine Wechselmaske mit«, appelliert die Schulleitung an die Eltern.

PCR-Lolli-test »Wir freuen uns auf das neue Schuljahr«, sagt Daphna Schächter, Direktorin der Yitzhak-Rabin-Schule. Sie hofft, dass der Anfang so normal wie möglich gestaltet werden kann und so lange wie möglich Präsenzunterricht auf dem Stundenplan steht. »Aber natürlich kann es keiner vorhersagen.« Zweimal in der Woche wird weiterhin der auf PCR-basierten Lolli-Test für die Schüler verpflichtend sein. »Ich denke, dass die nächste Welle Einfluss auf die Schulen haben wird.« Wechselunterricht hält sie für möglich. Und das sei auch eine gute Lösung bei einer hohen Zahl von Neuinfektionen. Bei Home Schooling könnten die Grundschüler ihre sozialen Kompetenzen nicht entwickeln, was für sie aber wichtig sei. Unter der Isolation würden sie besonders leiden.

Ab einer Inzidenz von 100 soll es nach bisherigen Beschlüssen wieder Wechselunterricht geben, ab 200 Home-Schooling. »Ich bin ein Fan von ganzen Klassen«, sagt Aimee aus Frankfurt. Vor allem, dass man so unkompliziert bei den Lehrern nachfragen kann, mag die 14-jährige. Die halbe Klassenstärke habe sie schlimmer empfunden als alleine vor dem Computer zu sitzen.  Das Maskentragen habe sie gar nicht mehr gestört, denn daran gewöhnt man sich. Die Neuntklässlerin besucht eine Europäische Schule, die mit 1800 eine der größten in Deutschland sein dürfte. Sie frage sich schon jetzt, wie lange wohl im kommenden Schuljahr normaler Unterricht möglich sein wird.  Über Luftfilter verfügt ihre Schule bisher noch nicht. »Wir saßen da, mit aufgerissenen Fenstern, mitunter in Decken und Jacken eingehüllt und haben trotzdem gefroren.« Die Mensa hatte wieder geöffnet und rote Absperrbänder zeigen, wo die jeweiligen Schüler sitzen können. Sie bevorzuge ihren eigenen Proviant. Sie habe keine Ahnung, wie lange Corona das Leben erschwere. »Aber ich bin drastisch optimistisch, dass es bald vorbei ist«

Sergej Kamylin aus Villingen ist ganz entspannt. Er und seine Frau sind mittlerweile geimpft, ebenso seine Eltern und Schwiegereltern. »Wir sind erleichtert und konnten uns alle wieder treffen.« Für die Familie ist das etwas ganz Besonderes, denn das Ehepaar und seine drei Kinder lebten mehrere Monate lang in Quarantäne, damit ihr Sohn Daniel, der mit einer Muskelatrophie auf die Welt kam, nicht gefährdet wird.

Doch als die Schulen wieder öffneten und die Impfungen voranschritten, konnten alle Kinder wieder ihre Schule und die Kita besuchen. Sein älterer Bruder David (8) geht in die Grundschule, der Siebenjährige in eine Sonderschule, in der er in kleinen Klassen lernt, und sein jüngerer Bruder Aron, in die Kita. Überall werde zweimal die Woche getestet, so der Vater. Erzieher und Lehrer sind durchgeimpft. Die drei Jungs werden noch einige Zeit auf die Möglichkeit einer Impfung warten müssen. »Doch wir sind gelassener geworden und wir haben beschlossen, dass unsere Kinder ein normales Leben – soweit die Pandemie es erlaubt – führen sollen.« Natürlich unter Einhaltung der Regeln. »Ich hoffe, dass die Schulen auch in den nächsten Monaten offen bleiben und es keinen Wechselunterricht geben wird.«

Maskenpflicht Seit dem 8. August klingeln die Wecker der Berliner Schüler. »Die Präsenzpflicht ist nicht länger ausgesetzt«, steht auf der Homepage des Jüdischen Gymnasiums Moses Mendelssohn in Berlin. Um Infektionseffekte durch Reiserückkehrer möglichst gering zu halten, soll dreimal wöchentlich getestet werden. Die Maskenpflicht bleibt.

Rivka hatte einen schönen Sommer. Die 14-jährige Schülerin aus Berlin war erst auf Machane in der Eifel, dann mit der Familie in Lettland. Sie wünscht sich, dass die Lehrer erst einmal den Stoff der vergangenen Monate wiederholen. »Hoffentlich wird es nicht so wie vergangenes Jahr, wo dann E-Learning kam«, so die Neuntklässlerin. Sie muss sich nun erst einmal an den Präsenzunterricht gewöhnen und lernen, sich richtig konzentrieren zu können. »Jeder Tag soll möglichst gleich sein.«  

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