Berlin

»Im Geiste jung«

Das jüdische Begabtenförderwerk Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk (ELES) ist gerade 15 Jahre alt geworden. Welch wichtigen Beitrag die Organisation zur Stärkung des Judentums leistet, zeigte sich auf eindrucksvolle Weise bei ihrer Geburtstagsfeier, auf der junge Stipendiaten auftraten.

Neben diesen Führungspersönlichkeiten der Zukunft, auf die die jüdische Gemeinschaft wird zählen können, sprach die Schirmherrin des Studienwerks, Charlotte Knobloch, zu den Gästen in Berlin. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München: »ELES ist nach den ersten 15 Jahren vieles: eine Erfolgsgeschichte, eine enge Gemeinschaft, aber vor allem ist es weiterhin eine Notwendigkeit.«

»Als das Studienwerk 2009 gegründet wurde, waren die jüdischen Gemeinden zuvor zahlenmäßig stark angewachsen. ELES war der nötige nächste Schritt, damit jüdisches Leben auch künftig in seiner Rolle in der deutschen Gesellschaft wachsen konnte«, sagte Knobloch.

Kleine Idee

»Der Weg, den ELES und seine Stipendiaten seither auf diesem Weg zurückgelegt haben, ist beeindruckend und macht mich als Schirmherrin über alle Maßen stolz.« Der Weg sei allerdings noch lange nicht zu Ende: »ELES bietet jungen jüdischen Akademikern das, was sie brauchen: Möglichkeiten.«

Charlotte Knobloch gratulierte der Organisation zum 15-jährigen Bestehen: »Wir sehen, was aus einer kleinen Idee geworden ist – und wir erahnen, was sie noch leisten wird.« Die ersten 15 Jahre seien nur der Anfang gewesen, erklärte Charlotte Knobloch. »Kol Hakawod und Mazal tov!«

Die Geschäftsführerin von ELES, Michal Or, sagte, die Organisation bringe junge Jüdinnen und Juden »aller politischen, religiösen und sozialen Ausrichtungen und Hintergründe« zusammen. »Wir schaffen so wichtige Dialogräume für die jüdische Gemeinschaft in ihrer ganzen Vielfalt.«

»Im Geiste Jung«

»Gerade in unserer von vielfältigen Krisen geplagten Gegenwart ist es wichtig, den innerjüdischen Dialog zu stärken«, so Michal Or. »Gleichzeitig wirkt ELES auch in die Gesamtgesellschaft hinein, indem wir unsere Stipendiatinnen und Stipendiaten ermutigen, sich und ihren Anliegen Gehör zu verschaffen und sich in demokratischen Strukturen zu engagieren.«

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden, bescheinigte ELES, mit seinem 15-jährigen Bestehen »eine gewisse Reife«. Die Organisation bleibe jedoch »im Geiste jung«. »Dass das Begabtenförderungswerk sich diese Fähigkeit erhält, wünsche ich Ihnen zuallererst!«, sagte er.

»Es sind nicht zuletzt die Organisation und die Strukturen des Studienwerks, die junge Menschen darin bekräftigen, die Verantwortungsträger und -trägerinnen von morgen zu sein«, erklärte Schuster beim Festakt im Berliner Bezirk Mitte. »Bei ELES werden die Mitgestaltung und das Mitspracherecht der Stipendiaten großgeschrieben.«

Jüdische Identität

Beeindruckend sei für ihn, dass die Stipendiaten als voll stimmberechtigte Mitglieder im Beirat an der Planung des Jahresprogramms beteiligt seien. »Das ist eine Form der Absicherung gegen das Erstarren im Altbewährten. Und es ist ein Patentrezept für das erfolgreiche Bestehen dieses jungen Studienwerks, das nicht nur auf akademische und wissenschaftliche Leistung Wert legt, sondern auf Demokratieerziehung, Verantwortungsbewusstsein und jüdische Identität«, so der Zentralratspräsident.

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Zu lernen und Fragen zu stellen sei ein elementarer Teil des Judentums, sagte Schuster. »Das zeigt schon die Tradition, dass gerade das jüngste Kind bei einem Seder die zentralen vier Fragen zu den Ritualen stellen darf.«

Gerade heute sei es wichtiger denn je, »die Auswirkungen von Krieg und Krisen zu begreifen, analysieren zu können, was politische Prozesse konkret für uns bedeuten und dann auch noch Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, wo andere sie lange verloren glauben«.

Gut ausgebildet

In Krisensituationen verbreite sich Judenhass »schnell und in vielen politischen Milieus«. Schuster stellte klar: »Antisemitismus blüht in unserer Zeit auf, in der schnell Schuldige in einer Gesellschaft markiert werden – und zwar immer dann, wenn dies leichter erscheint, als reale Probleme zu lösen.«

Viele junge Menschen erlebten aktuell, dass Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen »bei weitem keine Safe Spaces« seien, »sondern sehr wohl Orte, an denen sie Anfeindungen und Diskriminierungserfahrungen ausgesetzt sind«. Es brauche gut ausgebildete Menschen, die sich als interkulturelle Botschafter gegen die zunehmende Spaltung der Gesellschaft stellten.

Festigen und bewahren

»Unsere Jüdischkeit selbstbewusst zu leben, das ist im zurückliegenden Jahr nicht einfacher geworden«, erklärte der Präsident des Zentralrates. »Die eigene jüdische Identität zu festigen und zu bewahren – das ist eine Herausforderung. Eine Herausforderung, die mit einem gestärkten Rückgrat leichter fällt, zu bewältigen. Dieses Rückgrat kann ELES sein.«

Schuster sagte, das Studienwerk liege ihm persönlich am Herzen, denn das Förderprogramm mache gerade für jüdische Teilnehmer deutlich, »dass ihre jüdische Identität richtig ist, so wie sie ist. Denn Judentum ist kein Monolith, und jüdische Identität ist vielfältig – sie ist nicht ›one size fits all‹«.

Einer der insgesamt 1200 ELES-Stipendiaten, Moritz A. Rinaldo, sprach unter anderem über Fremdenhass, dem »entschieden und mit Expertise« entgegentreten werden müsse. Die Stipendiaten seien zum Großteil selbst Einwanderer. In diesen Zeiten, in denen sich eine migrationskritische, fremdenfeindliche Grundstimmung entwickele, könnten sie »viel zu einem pluralen Deutschland beitragen«. Rinaldos Aufruf an die anderen Stipendiaten: »Engagiert euch und seid kritisch!«

Entschleunigung als Privileg

Daryna Khomenko, die ebenfalls Stipendiatin ist, sagte, ELES biete »eine Chance, die wir noch nie hatten«. »Jüdische Akademikerinnen« seien wichtig für die jüdische Gemeinschaft, aber auch für Gesellschaft als Ganzes.

Anastassia Pletoukhina, die Vorsitzende des Vorstandes, begann vor Jahren auch als Stipendiatin: »ELES gibt die unglaubliche Chance, sich dem Thema interreligiöser Dialog anzunehmen«, sagte sie. Auch stehe die Organisation dafür, im Gespräch zu bleiben und Differenzen auszuhalten: »Streit ist nicht immer schlecht. Es ist die Frage, wie wir damit umgehen.«

Nach den jüngsten Krisen werde es immer schwieriger, aufeinander einzugehen, gerade auch in der Zeit der schnellen Informationen auf TikTok, so Pletoukhina. »Bei ELES haben wir das Privileg, dies zu entschleunigen, und die Chance des Miteinandersprechens.« So könnten die Toleranz und Demokratie gefördert werden. Ihr Wunsch: »Macht weiter so!«

Benannt ist ELES nach dem Historiker und Judaisten Ernst Ludwig Ehrlich (1921 - 2007), der sich für den Dialog von Juden und Christen engagierte. Auch dieser geht weiter.

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