Interview

»Ich stehe allen zur Verfügung«

Daniel Fabian, Polizeirabbiner des Landes Sachsen-Anhalt, steht in der Synagoge. Mit einem Festakt wurde die Einrichtung einer solchen Stelle für die Ausbildung in der Polizei begangen. Foto: picture alliance/dpa

Interview

»Ich stehe allen zur Verfügung«

Daniel Fabian über sein neues Amt als Polizeirabbiner von Sachsen-Anhalt

von Tobias Kühn  04.09.2022 00:55 Uhr

Rabbiner Fabian, Sie treten am 1. September das neu geschaffene Amt des Polizeirabbiners von Sachsen-Anhalt an. Was genau wird Ihre Aufgabe sein?
Eine der Hauptaufgaben ist der Unterricht an der Polizeihochschule in Aschersleben. Er soll praktisches Wissen über das Judentum vermitteln und vor allem aber auch den Dialog mit den Anwärtern ermöglichen. Polizisten sind Multiplikatoren, die in die Gesellschaft hineingehen, viel mit anderen Menschen zu tun haben und damit auch die Werte für Toleranz und gegen Fremdenhass und Antisemitismus in die Gesellschaft tragen. Deshalb ist es sehr wichtig, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus bin ich als Polizeirabbiner natürlich auch Ansprechpartner für alle jüdischen Fragen, die die Polizei gern erörtern möchte.

Zudem werden Sie auch Polizei­seel­sorger sein. Wie viele jüdische Polizisten gibt es denn in Sachsen-Anhalt?
Weder mir noch der Polizeihochschule sind Zahlen bekannt. Aber ich kann mir vorstellen, dass die Präsenz eines Polizeirabbiners dazu beitragen wird, dass sich der eine oder andere jüdische Polizist meldet. Im Übrigen stehe ich als Seelsorger allen Polizisten zur Verfügung, die das Angebot annehmen möchten.

»Das Judentum blickt auf eine rund 3300-jährige Geschichte zurück und hat daher einen unglaublichen Erfahrungsschatz«

Daniel Fabian, Rabbiner

Was könnte einen nichtjüdischen Polizisten motivieren, sich an einen jüdischen Polizeiseelsorger zu wenden?
Das Judentum blickt auf eine rund 3300-jährige Geschichte zurück und hat daher einen unglaublichen Erfahrungsschatz. Ich glaube, dass das Judentum dadurch in manchen Bereichen neue Perspektiven einbringen kann. Polizeiseelsorge muss nicht konfessionell gebunden sein. Die Weisheiten des Umgangs mit Krisen, mit Herausforderungen und schwierigen Lebenssituationen geben Antworten auf Fragen, die die Menschheit seit Jahrtausenden beschäftigen und die die Menschen sehr unterschiedlich beantwortet haben. Das Judentum hat da eine ganz besondere Herangehensweise.

Für etliche Polizeischüler werden Sie möglicherweise der erste Jude sein, dem sie begegnen. Wie gehen Sie in so ein Treffen?
Das ist eine spannende Frage. Ich denke, dass ein Witz zum Anfang bestimmt ein gutes Medium ist, um die Situation ein bisschen aufzulockern. Meine Erfahrung ist, dass in dem Moment, in dem man sich als Mensch begegnet – nicht nur als Dozent –, das Gegenüber versteht, dass wir viele Werte teilen und Kollegen sind. Wenn das zunehmend klar wird, sinkt auch die Hemmschwelle.

Nach Baden-Württemberg ist Sachsen-Anhalt das zweite Bundesland, das einen Polizeirabbiner berufen hat. Stehen Sie im Austausch mit den dortigen Kollegen?
Noch nicht, aber ich habe es vor. Die beiden Kollegen in Ulm und Lörrach haben bestimmt Erfahrungen gesammelt, auf die ich gern zurückgreifen würde.

Mit dem Polizeirabbiner von Sachsen-Anhalt sprach Tobias Kühn.

Porträt der Woche

»Musik war meine Therapie«

Hagar Sharvit konnte durch Singen ihre Schüchternheit überwinden

von Alicia Rust  15.07.2025

Berlin

Gericht vertagt Verhandlung über Lahav Shapiras Klage gegen Freie Universität

Warum die Anwältin des jüdischen Studenten die Entscheidung der Richter trotzdem als großen Erfolg wertet. Die Hintergründe

 15.07.2025 Aktualisiert

Andenken

Berliner SPD: Straße oder Platz nach Margot Friedländer benennen

Margot Friedländer gehörte zu den bekanntesten Zeitzeugen der Verbrechen der Nationalsozialisten. Für ihr unermüdliches Wirken will die Berliner SPD die im Mai gestorbene Holocaust-Überlebende nun sichtbar ehren

 15.07.2025

Bonn

Schoa-Überlebende und Cellistin Anita Lasker-Wallfisch wird 100

Sie war die »Cellistin von Auschwitz« - und später eine engagierte Zeitzeugin, die etwa vor Schülern über ihre Erlebnisse unter dem NS-Regime sprach. Jetzt feiert sie einen besonderen Geburtstag

von Leticia Witte  15.07.2025

Würdigung

Er legte den Grundstein

Vor 100 Jahren wurde Simon Snopkowski geboren. Zeitlebens engagierte sich der der Schoa-Überlebende für einen Neubeginn jüdischen Lebens in Bayern

von Ellen Presser  14.07.2025

München

Im Herzen ist sie immer ein »Münchner Kindl« geblieben

Seit 40 Jahren ist Charlotte Knobloch Präsidentin der IKG München. Sie hat eine Ära geprägt und das Judentum wieder in die Mitte der Gesellschaft gerückt

von Christiane Ried  14.07.2025

Jubiläum

Münchner Kultusgemeinde feiert Wiedergründung vor 80 Jahren

Zum Festakt werden prominente Gäste aus Politik und Gesellschaft erwartet

 14.07.2025

Berliner Ensemble

Hommage an Margot Friedländer

Mit einem besonderen Abend erinnerte das Berliner Ensemble an die Zeitzeugin und Holocaust-Überlebende. Pianist Igor Levit trat mit hochkarätigen Gästen auf

 14.07.2025

Reisen

Die schönste Zeit

Rom, Balkonien, Tel Aviv: Hier erzählen Gemeindemitglieder, an welche Urlaube sie sich besonders gern erinnern

von Christine Schmitt, Katrin Richter  13.07.2025